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Geheime US-iranische Treffen in Genf

Gespräche zwischen Iran und den USA in Genf unter dem Schleier des Geheimen. Keystone

Wissenschafter und Experten aus Iran, den USA und Europa haben sich regelmässig in Genf für informelle Gespräche auf hohem Niveau getroffen.

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sagt, dass sie während der vergangenen Jahre zwar Kenntnis von den laufenden Kontakten hatte, aber selbst keine aktive Rolle spielte.

“Die Gespräche laufen auf einer völlig informellen Ebene”, sagte Calmy-Rey letzten Dienstag, “wobei das Aussenministerium nicht einbezogen ist.”

An den Treffen – benannt als “Track II-Prozess” – seien Wissenschafter und Intellektuelle aus dem Iran, den USA, der EU, der Schweiz, den arabischen Staaten und Israel involviert, schrieb am Dienstag die Westschweizer Tageszeitung Le Temps.

Rund 30 Teilnehmer seien an den Meetings beteiligt gewesen. Sie hätten grösstenteils in Genf stattgefunden, aber auch in anderen europäischen Städten. Die letzten fanden zwischen dem 6. und 8. März statt.

Insgesamt hätten rund 300 Persönlichkeiten an den Geheimgesprächen partizipiert. Doch sei es deren Wunsch, anonym zu bleiben, weil sie Repressalien seitens der iranischen Regierung befürchten.

Washington und Teheran hatten in Folge der iranischen Revolution und der Geiselaffäre der US-Botschaft vor rund 30 Jahren die diplomatischen Beziehungen abgebrochen.

Die Schweiz vertritt seit 1980 die Interessen der USA in Teheran.

Gegenseitiges Verständnis

Le Temps zitiert auch einen Professor, der an den Geheimgesprächen teilnahm aber anonym bleiben will. Er sagt, dass der Dialog mithelfen könne, das gegenseitige Verständnis zu verbessern.

Laut dem Professor können sich die Teilnehmer frei äussern, und seien hinter verschlossenen Türen weniger angehalten, politische Positionen einzunehmen.

Le Temps glaubt auch, dass die Meetings mit dem Segen von Teheran und Washington stattfinden. Eine der iranischen Regierung nahestehende Persönlichkeit und ein Botschafter eines anderen Landes seien am letzten März-Treffen dabei gewesen.

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Nuklearexperten

Unter den Teilnehmern befinden sich auch Experten für Strategische und atomare Waffen sowie Spezialisten für internationale Beziehungen, die über Irans nukleare Aufrüstung sprachen.

Iran, seit längerem unter Beobachtung der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA), streitet den Vorwurf ab, es wolle ein eigenes Atomarsenal aufbauen. Die islamische Republik behauptet, sein Programm zur Anreicherung von Uran diene der Förderung von Energie zu friedlichen Zwecken.

Letzte Woche begrüsste die IAEA einen koordinierten US-russischen Vorstoss in Richtung iranischer Diplomatie, anstatt das Land zu isolieren und zu bedrohen.

Noch 2002 hatte die US-Regierung den Iran als einen Teil der “Achse des Bösen” bezeichnet. Während drei Jahrzehnten hatte es keine direkten Beziehungen mehr gegeben.

Mit der neuen US-Administration unter Präsident Barack Obama könnten die Beziehungen wieder auftauen.

Diplomatische Ouvertüre

Beobachter betonen, es sei noch zu früh festzustellen, ob diese informellen Gespräche zu einem Abkommen führen würden. Doch hätten die Gespräche zumindest die Bandbreite der Kontakte zwischen den beiden Ländern ausgeweitet.

Obama hatte letzten Monat Iran zu einem neuen Dialog aufgefordert. In Istanbul sagte er Anfang dieser Woche, “die USA sind weder heute noch in Zukunft im Krieg mit dem Islam”.

Der Reformer Hossein Mousavi, Kandidat für die iranischen Präsidentschafts-Wahlen, betonte, er würde mit den USA verhandeln, aber nicht um den Preis der Aufgabe des iranischen Nuklear-Programms.

Die Zeitung Le Temps meint, Genf sei als Tagungsort für die informellen Treffen zur Zeit etwas in den Hintergrund gerückt, weil sich anscheinend die Öffentlichkeit zunehmend für die Gespräche interessiere.

Es sei möglich, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Treffen wieder in Genf stattfänden: “Dies könnte umso mehr der Fall sein, wenn der diplomatische Anstoss, der von der Obama-Administration ausgeht, erste Früchte trägt.”

swissinfo, Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Die Schweiz vertritt die US-Interessen in Iran seit 1980.

Die Botschafterin in Teheran heisst Livia Leu Agosti und dürfte die erste Topdiplomatin sein, die die Schweiz im Iran vertritt.

Aussenministerin Micheline Calmy-Reys Besuch in Teheran letztes Jahr war kontrovers. Sie assistierte bei der Unterschrift eines Erdgas-Geschäfts zwischen der iranischen Regierung und einem schweizerischen Energie-Unternehmen.

Genf beherbergt die Zentralen von 22 internationalen Organisationen, wie die Weltgesundheits-Organisation, die Welthandels-Organisation oder das Internationale Komitee des Roten Kreuzes.

Die Rhonestadt ist auch der europäische Sitz der Vereinten Nationen.

Rund 40’000 internationale Diplomaten und Beamte arbeiten am Genfersee.

Dazu kommen rund 2400 Mitarbeitende bei Nicht-Regierungsorganisationen, die sich ebenfalls in Genf niedergelassen haben.

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