Der Name des Bischofs bleibt unter Verschluss

Am 8. September hat das zuständige Gremium im Bistum Basel, das so genannte Domkapitel, einen Bischof gewählt. Sein Name wird unter Verschluss gehalten, bis er vom Papst bestätigt worden ist. Das war früher anders, wie Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Luzern, sagt.
swissinfo.ch: Auf der Homepage des Bistums Basel wurde der Termin der Bekanntgabe des neuen Bischofs mehrere Male verschoben. Kann man daraus schliessen, dass der Gewählte dem Papst nicht genehm ist?
Markus Ries: Nein. Es geht darum, zu überprüfen, ob der Kandidat die Kriterien erfüllt.
Nach Tradition und geltenden Regeln hat ein Gewählter, der die Kriterien erfüllt, einen Rechtsanspruch auf Bestätigung. Es zählen objektive Punkte, wie das Alter. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass, wo immer es um Weltanschauung geht, es sich um Einschätzungsfragen handelt.
swissinfo.ch: Es geht bei der Prüfung vor dem «Nihil obstat» («Nichts spricht dagegen») also nicht um Papsttreue?
M. R.: Natürlich will die katholische Kirche jemanden, der sein ganzes Leben innerhalb des katholischen Horizontes verbracht hat. Der Vatikan braucht die Zeit für vertiefte Abklärungen. Man hat der katholischen Kirche im Zusammenhang mit den bekannt gewordenen sexuellen Übergriffen vorgeworfen, sie habe in der Vergangenheit Straftäter geschützt. Nun muss bei dem Kandidaten abgeklärt werden, ob er stets konsequent durchgegriffen habe. Er muss ein Vorbild sein für die Dinge, die die Leute beschäftigen.
swissinfo.ch: Wissen Sie, wer gewählt wurde?
M. R.: (lacht) Ich wurde schon von vielen Leuten gefragt. Ich weiss es nicht.
swissinfo.ch: In den meisten Diözesen werden neue Bischöfe vom Papst eingesetzt. Wie kommt es dazu, dass im Bistum Basel die Domherren, Priester aus dem Bistum, neue Bischöfe wählen können?
M.R.: Es war ursprünglich so, dass im ganzen Gebiet des Heiligen römischen Reiches die Zuständigkeit bei den Domkapiteln lag. Das geht zurück auf das späte Mittelalter.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat man diese Ordnung mit Verträgen, so genannten Konkordaten, besiegelt. Die meisten dieser Verträge sind zusammen mit den Staaten in der Folge von Kriegen und Revolutionen untergangen. Nur die Schweiz bestand ungebrochen fort, seit 1848.
Und das führt dazu, dass die alten Verträge in der Schweiz noch gültig sind. In dem Konkordat mit dem Bistum Basel von 1828 sind übrigens noch zusätzliche Kriterien für die Bischofswahl festgelegt.
swissinfo.ch: Die wären?
M. R.: Zum Beispiel, dass der Gewählte Schweizer sein muss. Und dass er kein Ordensmann sein darf. Mit dieser Klausel wollte man im 19. Jahrhundert die Jesuiten verhindern.
swissinfo.ch: Obwohl auch die anderen Staaten in Europa an sich demokratischer aufgebaut wurden, haben sie mit der Kirche keine Verträge mehr mit «Mitspracherecht» ausgehandelt, wieso?
M. R.: Diese Verträge haben sich nicht nach dem Ideal des Staates gerichtet. Die Staaten mögen demokratischer oder republikanischer geworden sein, aber die katholische Kirche wurde monarchischer.
swissinfo.ch: Bis Ende der sechziger Jahre wurde der Name des neu gewählten Bischofs im Bistum Basel jeweils gleich nach der Wahl bekannt gegeben. Warum hat sich das Prozedere geändert?
M. R.: Der traditionelle Ritus mit der Domkapitelswahl sieht vor, dass die Gläubigen eingeladen sind, in der Kirche zu beten, während das Domkapitel den neuen Bischof wählt. Wenn die einen mit Beten fertig waren und die anderen einen Bischof gewählt hatten, wurde dieser den Anwesenden gleich vorgestellt. Er hat praktisch immer dem Domkapitel angehört.
Je stärker die Idee der Zentralisierung zugenommen hat, also je selbstverständlicher das Verständnis einer Kirche von oben nach unten wurde, wie in einem Weltkonzern, desto mehr konnte sich der Papst durchsetzen.
Im Vertrag von 1828 steht nicht, wie die Bekanntgabe des Namens zu erfolgen hat. Es war für alle selbstverständlich, dass der Gewählte sofort verkündigt wird.
swissinfo.ch: Gab es Widerstand, als der Papst die Regeln geändert hat?
M. R.: Mit dieser Veränderung waren die Schweizer nicht einverstanden. Sie mussten sie aber akzeptieren.
swissinfo.ch: Bedeutet die vorherige Überprüfung durch den Vatikan vor der Bekanntgabe eine Verschiebung der Entscheidungsmacht?
M. R.: Ja, das denke ich schon. Bei der Änderung der Vorgehensweise ging es um die Frage: Wer ist der Stärkere?
Der Papst war der Stärkere. Er hat gesagt, ich bestätige den nur, wenn ihr einverstanden seid, dass ich seinen Namen erst nachher bekanntgebe.
Es gab damals schon kritische Stimmen, die gesagt haben, es sei falsch, von der Schweizer Seite her nachzugeben.
swissinfo.ch: Weil es ein Bruch mit der Tradition war oder weil der Vatikan dadurch die Möglichkeit bekam, eine Bischofswahl zu verhindern?
M. R.: Wegen beidem. Die Auffassung, dass ein Bischof sich primär vor seiner Gemeinde verantworten muss und erst dann vor dem Papst, wurde so in den Hintergrund gerückt.
Für ein Bischofsamt braucht es gewissermassen eine zweiseitige Loyalität. Es ist die Frage, auf welche man mehr Gewicht legt.
swissinfo.ch: Wird nun die Loyalität zur katholischen Kirche stärker gewichtet?
M. R.: Die katholische Kirche: Das sind die Gläubigen. Ich finde es schade, dass man die katholische Kirche oft als Weltkonzern wahrnimmt. Weltkonzerne wachsen nicht in den Herzen, sondern sie werden gemanagt, um einen Erfolg zu erreichen. Ich verstehe Kirche aber nicht als Konzern, der von oben nach unten gemanagt werden sollte. Es sind Menschen, die miteinander im Glauben unterwegs sind, wleche die Kirche ausmachen und deswegen wächst sie von unten her, von den Menschen.
swissinfo.ch: Von aussen bekommt man den Eindruck, dass sich die katholische Kirche selbst in diese Richtung entwickelt.
M. R.: Ja, die Tendenz ist sehr stark, schon seit 120 Jahren. Sie wird noch betont durch die mediale Effizienz des Systems. Dadurch wurde diese hierarchische Zuspitzung auf Personen, respektive auf eine Person, noch verstärkt.
swissinfo.ch: Gerät die Kirche durch diese Hierarchisierung in Misskredit?
M. R.: Das ginge ja noch, wenn sie nur in Misskredit geriete. Es ist aber meiner Meinung nach so, dass dieses System dem geistlichen Wesen der Kirche gar nicht gerecht wird.
Die Zuspitzung auf die Hierarchie hat auch ein Kirchenverständnis gefördert, das mit den Traditionen bricht, wie man ja bei der Bischofswahl im Bistum Basel sieht.
Die Geschichte der Kirche ist auch eine Geschichte der Koexistenz von Kirche und Staat. Gerade in der Schweiz wird dies deutlich.
Anders als in anderen Diözesen steht dem Bistum Basel Bischofswahlrecht zu. Das Domkapitel, bestehend aus den Domherren, Priestern des Bistums, wählt den Bischof.
In anderen Diözesen wird der Bischof direkt vom Papst eingesetzt.
Dieses Wahlrecht der Domherren wurde 1828 zwischen dem Heiligen Stuhl und den Konkordatskantonen verbrieft. Artikel zwölf des Konkordats hält fest: «Die den Senat des Bischofs bildenden Domherren haben das Recht, aus der Diözesangeistlichkeit den Bischof zu wählen.»
Wenn der Gewählte die verlangten Eigenschaften besitzt, erhält er die Konfirmation, die Bestätigung als Bischof durch den Papst.
Bevor der Papst aber seine Einwilligung zu dem neuen Bischof gibt, wird dieser in einem so genannten Informativprozess im Vatikan geprüft. Gewählt wurde der Bischof am 8. September 2010.
Eine Besonderheit des Bistums Basel ist weiter, dass staatliche Instanzen ein Recht haben, ein bisschen mitzureden.
Sie dürfen zwar nicht bestimmen, wer Bischof werden soll, aber immerhin hat ihnen Papst Leo XII ebenfalls im Jahr 1828 in einem Breve Einfluss auf die Bischofswahl zugesichert. Dieser wird durch die Diözesankonferenz wahrgenommen, die aus je zwei Abgeordneten jedes Kantons besteht.

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