Die Volkszählung in neuem Gewand
Bis 1990 klopften noch Volkszählerinnen und –zähler an die Haustüre der Eidgenossen, um an die erforderlichen Daten zu gelangen. Ab Ende 2010 erfolgt ein radikaler Systemwechsel. Die neue Volkszählung soll schneller und günstiger sein.
Volkszählungen finden fast in allen Ländern statt, und dies nicht erst seit heute. Einfache Volkszählungen gab es bereits im Altertum, so etwa bei den Chinesen und Ägyptern. Weitherum bekannt aus der Weihnachtsgeschichte ist auch die vom römischen Kaiser Augustus befohlene Volkszählung vor über 2000 Jahren.
In der Schweiz wurden bereits im Spätmittelalter die Einwohner von Siedlungen gezählt, eine grössere Volkszählung wurde1798/99 in der Helvetik durchgeführt.
1850 fand erstmals eine landesweite Volkszählung nach heutigen Massstäben statt. Beliebt war die Erhebung nie, regelrecht verpönt war sie nach der Fichenaffäre vor 20 Jahren. Linke Kreise reagierten 1990 mit Boykottaufrufen gegen die Volkszählung.
Register statt Fragebogen
All das ist jetzt Geschichte. Neu kommt es zu einer grundlegenden Änderung. An die Stelle der bisherigen Fragebogen treten harmonisierte Personenregister aus Bund, Kantonen und Gemeinden sowie das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister.
Die Daten werden jedes Jahr und nicht wie bisher alle zehn Jahre erhoben. Der erste Stichtag für die neue Volkszählung ist der 31. Dezember 2010.
Laut Jürg Marti, Direktor des zuständigen Bundesamtes für Statistik (BFS), soll die neue Volkszählung nicht nur günstiger und schneller, sondern thematisch auch breiter abgestützt sein.
Stichproben für mehr Information
Da in den verschiedenen amtlichen Registern nicht alle gewünschten Informationen über die demografischen Strukturen, die Wohnsituation und Lebensweise der Bevölkerung vorhanden sind, werden Stichproben durchgeführt.
Jedes Jahr sollen nach dem Zufallsprinzip 200’000 Personen schriftlich befragt werden und weitere Informationen über Familie, Wohnen, Arbeit, Bildung, Sprache und Religion liefern.
Hinzu kommen Erhebungen zu den fünf Themenbereichen «Mobilität und Verkehr», «Aus- und Weiterbildung», «Gesundheit», «Familien und Generationen» sowie «Sprache, Religion und Kultur». Jedes dieser Themen wird im Turnus alle fünf Jahre telefonisch bei 10’000 bis 40’000 Personen unter die Lupe genommen.
Laut dem BfS-Direktor werden zudem alljährlich rund 3000 Personen zu einem aktuellen Thema befragt, damit auf politische oder wissenschaftliche Fragen rasch reagiert werden kann.
Insgesamt wird gegenüber früher jedoch nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung, rund 5%, schriftlich oder telefonisch Auskunft geben müssen.
Die Einsparungen gegenüber der letzten Volkszählung im Jahr 2000 beziffert BfS-Direktor Jürg Marti mit 100 Mio. Franken.
Volkszählung – ein Planungsinstrument
Die Volkszählung liefert Statistiken zur Altersstruktur, zum Anteil von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz, zum Arbeitsmarkt, zum Pendlerverhalten der Bevölkerung und zu zahlreichen weiteren Bereichen.
Die Daten dienen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dazu, Strategien zu entwickeln und Entscheide für die Zukunft zu treffen. In Gemeinden und Kantonen werden die Zahlen auch für die Planung von Schulklassen, Schulhäusern oder auch Altersheimen herangezogen.
Registerharmonisierung
Der Strukturwechsel bei der Volkszählung ist ein aufwändiges Unterfangen. Die rund 3000 Schweizer Gemeinden, die 26 Kantone sowie der Bund müssen ihre Register ausbauen und harmonisieren. Seit dem 1. Januar 2008 ist das neue Registerharmonisierungsgesetz (RHG) in Kraft, welches die Voraussetzungen für einen geregelten Datenaustausch schafft.
Für die Volkszählung 2010 haben die UNO-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) sowie das Statistische Amt der EU (EUROSTAT) Empfehlungen für die Volks- und Gebäudezählungen verabschiedet, welche die internationale Vergleichbarkeit gewährleisten sollen. Auch die Schweiz richtet sich nach diesen Vorgaben.
Schon in der Helvetik wurde die Bevölkerung gezählt, so in der helvetischen Zählung von 1798/99. Sie diente auch der Erfassung der politischen Gemeinden und Festlegung von Ortsnamen.
1850 wurde erstmals in der modernen Schweiz eine eidgenössische Volkszählung durchgeführt. Initiator war Bundesrat und Innenminister Stefano Franscini (1796-1857).
Zuständig für die Volkszählung ist das Bundesamt für Statistik (BfS) in Neuenburg.
Bislang wurde die Volkszählung in den rund 3000 Schweizer Gemeinden alle 10 Jahre durchgeführt.
Bei der Volkszählung von 1990 kam es im Zuge der Fichenaffäre Ende der 1980er-Jahre zu Boykottaufrufen gegen die obligatorische Zählung. Wer die Auskunft verweigerte, wurde mit Geldstrafen gebüsst.
Im Jahr 2000 konnten die Fragebogen erstmals auch online ausgefüllt werden. 4,2% machten davon Gebrauch.
Um Kosten zu sparen und die Effizienz zu steigern, haben zahlreiche Länder ihre Volkszählungen überarbeitet – mit der Tendenz, bereits bestehende Daten zu verwenden. So arbeiten die nordeuropäischen Länder seit einigen Jahren ausschliesslich mit amtlichen Registern.
Ab nächstem Jahr werden Italien, Spanien und andere Länder gemischte Methoden anwenden, wie das bereits Deutschland, Holland oder die Schweiz tun. Diese Länder vervollständigen Daten aus Registern mit Befragungen vor Ort.
Frankreich hat 2004 ein System eingeführt, das sich als kompliziert herausstellte: Die Resultate sind das Produkt eines mobilen Durchschnitts von fünf Jahren, der jährlich angepasst wird.
Die USA wenden seit 2010 eine Methode an, die eine kurze Volkszählung, die alle 10 Jahre durchgeführt wird, mit einer jährlichen Befragung kombiniert, die bei einem Teil der Bevölkerung durchgeführt wird.
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