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Jahrhundertwinter 1999: “Einfach unglaublich”

Grindelwald im Winter 1999: Die meisten Dächer hielten der Last der Schneemengen stand. Urs Hauser

Der Grindelwaldner Hotelier Urs Hauser erlebte den "Jahrhundertwinter 1999" in seinem Hotel Belvedere. Die Gäste fanden die Schneemengen anfänglich faszinierend, liessen sich aber bald aus dem abgeschnittenen Bergort ausfliegen.

“Schnee, Schnee, nichts als Schnee”. Urs Hauser, Besitzer und Direktor des Hotels Belvedere in Grindelwald, erinnert sich bestens an den Winter 1998/99, der als Jahrhundertwinter in die Annalen einging. Vor allem die verrückten Tage im Februar. Fast 14 Tage war der Ort im Berner Oberland während heftiger Schneefälle von der Aussenwelt abgeschnitten.

Der Eingang zum Vier-Stern-Hotel war praktisch nicht mehr zu sehen. Vor dem Fenster des Büros – immerhin vier Meter hoch – war alles weiss. Hauser muss heute schon auf eine Leiter steigen, um die damalige Schneehöhe zu zeigen.

“Ich spüre auch meine Hände noch”, so Hauser. Denn unentwegtes Schnee-Schaufeln war angesagt. Wege mussten frei gemacht, aber auch die Dächer vom Schnee befreit werden. “Wir hatten Angst, dass es regnen könnte, und dann wären die Dächer schnell unter der schweren Last eingebrochen”, erinnert sich der Hotelier.

Luftbrücke für Gäste und Einheimische

Um die Versorgung des Ortes zu garantieren, wurde damals eine Luftbrücke eingerichtet. Helikopter flogen unentwegt ein und aus. Die Militärhelikopter brachten Nahrungsmittel und anderes Material. Zivile Helikopter dienten dem Personentransport.

“Allerdings kam niemand herein; es flogen nur Gäste aus”, so Hauser. Sein Hotel sei gut belegt gewesen, und anfänglich hätten es die Gäste noch lustig gefunden. “Aber als sie gemerkt haben, dass sie eingeschlossen sind, wollten viele doch weg.”

So flogen die Touristen langsam aber sicher alle aus. Nur ihre Autos liessen sie in Grindelwald zurück. “Der ADAC hatte später alle Hände voll zu tun, die Autos für die deutschen Feriengäste zurück zu bringen”, meint der Hotelier.

Nach dem Schnee die Leere

Besonders gut erinnert sich Hauser auch an die Zeit nach dem Jahrhundertschnee, als die Talstrasse wieder geöffnet war: “Wir hatten die besten Skibedingungen auf den Pisten, die ich je gesehen habe, aber es waren keine Gäste mehr da.” Einheimische und Angestellte aus den Tourismusbetrieben waren unter sich.

Und im Hotel war es leer. “Das war gespenstisch”, meint der Hotelier. Erst allmählich setzte der Fremdenverkehr wieder ein. “Und im März konnten wir dank einer besseren Belegung die Ausfälle aus dem Februar teilweise wieder gut machen.”

Für Hauser ist klar: Der Winter 98/99 war ein absolutes Jahrhundertereignis. Auch ältere Grindelwaldner konnten sich nicht erinnern, je solche Schneemengen gesehen zu haben.

Auch warme und schneelose Winter

Allerdings gab es auch gegenteilige Erlebnisse. So kann sich Hauser bestens an den Winter 1963 erinnern, als er noch ein kleiner Bub war. Damals wartete man sehnsüchtig auf Schnee, der nicht kam.

“Mitte Januar bin ich mit meinem Vater und wenigen Gästen auf die Bussalp auf 1800 Metern Höhe gelaufen. Es war so warm, dass wir beim Picknick am Mittag alle im Hemd im grünen Grass sassen”, so Hauser.

Der Hotelier will nicht wegdiskutieren, dass es heute globale Erwärmung gibt. Doch es sei ein Fehlurteil zu meinen, dass früher alle Winter kalt und schneereich gewesen seien.

In diesem Zusammenhang erinnert er sich auch an den Winter 1989, als man in Grindelwald über Monate auf Niederschlag wartete. “Es war stets blauer Himmel, und erst am 14. Februar kam der lang ersehnte Schnee“, so Hauser.

Gerhard Lob, swissinfo.ch

Der Winter 1998-99 wurde im Berner Oberland gemäss vor allem durch ausserordentliche Witterungsverhältnisse von Ende Januar bis Ende Februar 1999 gekennzeichnet.

Drei aufeinanderfolgende Nordwest-Staulagen brachten extreme Neuschneemengen vom Ausmass eines “Jahrhundertwinters”. In Mürren (1660 m ü.M.) betrug die aufsummierte tägliche Neuschneemenge über 30 Tage 5.74 Meter.

In der Folge herrschte eine äusserst prekäre Lawinensituation. In der Nacht vom 7./8. Februar 1999 zerstörte die Chläbischopflaui in Wengen das Café Oberland. Das Besitzerehepaar verlor das Leben.

In 23 Gemeinden mussten aus Sicherheitsgründen insgesamt 1722 Personen während 1–18 Tagen aus ihren Häusern evakuiert werden. Wichtige Verkehrswege wurden wegen akuter Lawinengefahr über längere Zeit gesperrt.

Die Gemeinde Grindelwald im Berner Oberland (1034 m.ü. M) ist dank einer grossartigen Bergkulisse mit dem Fünfgespann Wetterhorn, Schreckhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau international bekannt und eine Attraktion für Touristen.

Der Ort zog schon ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert Gäste aus dem europäischen Ausland an, vor allem Engländer. Ab 1850 setzte der Tourismus in grossem Ausmass ein. Die Gemeinde hat rund 4000 Einwohner und lebt zu 90% vom Tourismus.

Das Vier-Stern-Hotel Belvedere gehört zu den Traditionshäusern von Grindelwald und wird in dritter Generation von der Familie Hauser geführt.

1907 eröffnete das Hotel zur ersten Sommersaison. Während des ersten und zweiten Weltkriegs wurde das Hotel in ein Militärspital verwandelt.

Seit 1986 leiten Silvia und Urs Hauser-Gertsch das Hotel.

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