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Im Dschungel der Schweizer Krankenkassen-Prämien

Seit Einführung der Grundversicherung im Jahr 1996 sind die Krankenkassen-Prämien in der Schweiz explodiert. Der Standard-Tarif hat sich mehr als verdoppelt. Die Löhne hingegen stiegen in der gleichen Zeit im Durchschnitt lediglich um 25 Prozent. Auch 2018 werden die Prämien für die Grundversicherung im Durchschnitt um 4 Prozent teurer. Eine grafische Illustration des "Tarif-Dschungels".

Erwachsene müssen nächstes Jahr im Durchschnitt 4 Prozent mehr Krankenkassen-Prämien bezahlen. Das gilt für die Standardprämie mit einer Franchise von 300 Franken. Ein noch stärkerer Anstieg der Prämien gilt für Kinder und junge Erwachsene.

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Die Krankenkassenprämien haben im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte massiv zugenommen und wurden für einen Teil der Bevölkerung zu einer echten Belastung.

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Zwar sind die Leistungen der Grundversicherung in der ganzen Schweiz die gleichen. Die untenstehende Grafik zeigt aber, dass Schweizerinnen und Schweizer für die Prämien je nach Kanton und Anbieter unterschiedlich tief ins Portemonnaie greifen müssen.

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Weil jeder Anbieter für die Grundversicherung die gleichen Leistungen erbringt, müssten die Versicherten eigentlich das billigste Angebot wählen. Das ist aber nicht der Fall. Die Anzahl der Versicherten, die jährlich Anbieter wechseln, ist eher niedrig (rund 10 Prozent).

Die Krankengrundversicherung ist obligatorisch für alle in der Schweiz wohnhaften Personen. Die Prämien sind individuell und unabhängig vom Einkommen. Sie variieren je nach Krankenkasse, nach Altersklasse und nach Wohnort. Die Krankenkassen müssen alle aufnehmen, die bei ihnen eine Grundversicherung abschliessen wollen. Die Versicherten kriegen einen Rabatt, wenn sie beispielsweise eine höhere Franchise wählen oder auf eine freie Arztwahl verzichten. Bedürftige haben das Recht auf eine billigere Prämie. Die Kantone entscheiden über diese Vergünstigungen, der Bund übernimmt die Differenz.

Laut Gesetz ist es den Krankenkassen verboten, mit der Grundversicherung Gewinn zu machen. Es liegt also nicht im Interesse der Versicherungen, viel tiefere Prämien als ihre Konkurrentinnen anzubieten. Assura, die billigste Krankenkasse beispielsweise, verzeichnete 2014 und 2015 rund 300’000 neue Kunden und Kundinnen. 2015 schloss sie mit einem Verlust von 258 Millionen Franken ab und sah sich deshalb gezwungen, 2016 die Prämien massiv zu erhöhen.

Infolgedessen kritisieren die Parteien des linken politischen Lagers die “Pseudo-Konkurrenz” der Tarife immer wieder. Das Schweizer Stimmvolk stimmte bereits mehrere Male über die Frage ab, ob die obligatorische Grundversicherung nicht besser verstaatlicht werden sollte oder von nur einer Versicherung, einer sogenannten Einheitskasse, angeboten würde. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verwarfen jedoch sämtliche in diese Richtung gehenden Initiativen. Zum letzten Mal im Jahr 2014, als über 61 Prozent der Schweizer und Schweizerinnen ein Projekt an der Urne ablehnten, das eine Einheitskasse pro Kanton einführen wollte.

Initiative will Kantone Prämien festlegen lassen

Mit einer Volksinitiative wird nun eine neue Idee vorgebracht: Die Krankenkassenprämien sollen künftig von den Kantonen festgelegt und einkassiert werden. 

Lanciert wird die Volksinitiative “Krankenversicherung. Für die Organisationsfreiheit der Kantone” am kommenden 3. Oktober mit der Publikation im Bundesblatt. Gemäss dem Initiativtext sollen die Kantone eine kantonale oder interkantonale Einrichtung nach dem Modell einer Ausgleichskasse schaffen, die im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung die Prämien festlegt und erhebt, die Kosten finanziert und sich an der Finanzierung von Präventions- und Gesundheitsförderungsprogrammen beteiligt.

Die kantonale Einrichtung soll für alle Versicherten der betroffenen Region eine einzige Prämie anbieten, je nach Versicherungsmodell und Franchise. Sie setze damit der sogenannten “Jagd auf gute Risiken” ein Ende. Die Versicherer sollen weiterhin die administrative Arbeit erledigen und dafür entschädigt werden. Die Prämienerhöhungen sollen sich künftig für alle Versicherten genau nach der Entwicklung der Gesundheitskosten richten.

(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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