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Grenzüberschreitende Konzentration im Bausektor

Stadionbauer Marazzi soll Bouygues das Tor zu Osteuropas Bausektor öffnen. Keystone Archive

Die französische Bouygues-Gruppe stärkt ihre Position in der Schweiz, nachdem ihre Schweizer Filiale Losinger AG das Berner Baunternehmen Marazzi übernommen hat. Bouygues ist weltweit die Nr. 2 im Bausektor.

Im Januar war die Fusion von Zschokke und der Batigroup bekannt geworden. Beiden Deals liegen aber laut Experten verschiedene Strategien zu Grunde.

1990 war das traditionsreiche Berner Bauunternehmen Losinger vom französischen Riesen Bouygues übernommen worden. Unter dessen Dach baut Losinger seither sehr erfolgreich weiter.

Nun übernimmt Losinger ihrerseits das ebenfalls traditionsreiche Berner Familienunternehmen Marazzi. Daraus entsteht der grösste Schweizer Generalunternehmer im Bausektor.

Das ist die zweite Konzentration auf dem Bausektor innert kurzer Zeit: Im Januar hatten die Genfer Zschokke und die Basler Batigroup die Fusion zur Implenia bekannt gegeben.

Bouygues erhofft sich mit dem Schritt eine Verstärkung nicht nur in der Schweiz, sondern vor allem auch in Osteuropa, wo Marazzi bereits stark ist.

Hervorragender Ruf

“Die Übernahme ist Fortsetzung unserer Entwicklungstrategie in Europa”, begründete Bouygues. Dabei setze man auf Unternehmen, die eine starke lokale Präsenz aufwiesen.

Die Generalunternehmerin Marazzi hat wie Losinger einen ausgezeichneten Ruf und gilt als Spezialistin für grosse Fussball-Stadien. Paradeprojekte waren das neue Stade de Suisse in Bern und der Basler St. Jakob-Park der Basler Architektenstars Herzog & de Meuron.

Weitere Projekte für Fussball-Arenen in Österreich oder Serbien liegen bei Marazzi in den Schubladen. Überhaupt stehen die Berner auf soliden Beinen: Die Auftragsbücher sind bei Marazzi für die nächsten fünf Jahre gefüllt.

Marschhalt in der Branche

Beim Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) bildet die Übernahme den Abschluss einer grossen Konzentrationswelle im Baugewerbe. Grund: Es gebe kaum mehr Überkapazitäten.

Laut SBV-Vizedirektor Serge Oesch liegen den beiden Zusammenschlüssen verschiedene Strategien zu Grunde.

Bei Implenia habe das Erreichen der kritischen Masse im Vordergrund gestanden. Dies vor allem im Hinblick auf eine Expansion ins Ausland. “Denn ein Unternehmen, das gross in der Schweiz ist, bleibt klein im Ausland”, so Oesch.

Solides Standbein im Osten

Bouygues habe sich dagegen mit Marazzi verstärkt, weil die Berner im Ausland bereits sehr gut verankert seien, namentlich in Osteuropa.

Auch der Analyst Martin Hüsler von der Zürcher Kantonalbank glaubt, dass kaum mit weiteren derartigen Konzentrationen zu rechnen sei. Dies deshalb, weil sich viele Bauunternehmen in Familienhand befänden.

Kämen sich zwei Firmen näher, müsse einer der beiden bisherigen Patrons das Feld räumen, was grosse Widerstände hervorrufe. Mehrere Projekte seien aus diesem Grund gescheitert, so Hüsler.

Zwei Optionen

Für den Zürcher Branchenkenner sind es zwei Strategien, welche die grossen Akteure verfolgen könnten: Entweder sich auf eine Nische konzentrieren oder wachsen, um die kritische Grösse für eine rationelle Produktion mit günstigen Preisen zu erreichen.

“Bei der Wachstumsstrategie geht es auch um die Positionierung auf neuen Märkten mit hohen Margen”, so Hüsler. Denn der Schweizer Markt allein sei zu klein.

Weiterer Vorteil: “Je grösser ein Unternehmen, desto mehr Risiken kann es im Ausland eingehen.”

Kein Run aus dem Ausland

Der Schweizer Baumarkt steht wie die anderen Märkte heute auch Unternehmern aus dem Ausland offen. Solche sind laut Serge Oesch aber noch kaum aktiv geworden.

Ausnahmen sind die grossen Tunnelbauten der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) sowie Grossprojekte mit einem Volumen von über 50 Mio. Franken.

“Es ist schwierig, Konkurrenzvorteile ausspielen zu können, wenn ein Unternehmen nicht lokal verankert ist,” erklärt Oesch.

Damit könnte Bouygues für lange Zeit der einzige ausländische Player in der Schweizer Baubranche bleiben. Denn das neue Eldorado für die Baulöwen ist der europäische Osten.

swissinfo, Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

Der engere Bausektor erreichte 2005 in der Schweiz ein Volumen von 15,8 Mrd. Franken (+5,3%) und beschäftigt 83’900 Personen. Die erweiterte Branche machte einen Umsatz von 45 Milliarden und zählt über 300’000 Mitarbeitende.

Nach einer schweren Krise in den 1990er-Jahren setzte in der Branche ein tief greifender Strukturwandel ein, dem in den letzten 15 Jahren 60% der Stellen auf dem Bau zum Opfer gefallen sind.

Bouygues ist weltweit die Nr. 2 auf dem Bausektor und beschäftigt in 60 Ländern 40’000 Personen. Der Jahresumsatz betrug 6 Mrd. Euro.

Bouygues übernahm 1990 Losinger, welche jetzt ihrerseits die Marazzi Holding AG übernimmt.
Losinger beschäftigt 920 Mitarbeiter, Marazzi 400.
Der Zusammenschluss soll 150 neue Stellen für Ingenieure schaffen.
Der kumulierte Umsatz der beiden Firmen wird auf über eine Mrd. Franken geschätzt.

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