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Kampagne zur Kohäsionsmilliarde eröffnet

Drei Regierungsmitglieder für eine Milliarde. Keystone

Die Schweizer Regierung hat am Dienstag die Kampagne über den Erweiterungsbeitrag von 1 Milliarde Franken zu Gunsten der 10 neuen EU-Mitgliedstaaten lanciert.

Obwohl eine reine Finanzangelegenheit, präsentiert der Bundesrat die Vorlage bei der Abstimmung vom 26. November auch als europapolitische Frage.

Der Erweiterungsbeitrag von 1 Milliarde Fr. zu Gunsten der 10 neuen EU-Mitgliedstaaten ist gut investiertes Geld, das Gewinner auf beiden Seiten schafft. Mit dieser Botschaft wirbt der Bundesrat für ein Ja zum Osthilfegesetz am 26. November.

Um die Bedeutung der Vorlage zu unterstreichen, traten am Dienstag in Flims drei Bundesratsmitglieder vor die Medien: Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, Wirtschaftsministerin Doris Leuthard und Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Es gehe um den Platz der Schweiz in Europa, sagte Calmy-Rey.

Solide finanziert

Gegen das Osthilfegesetz, das die Grundlage für die so genannte Solidaritätsmilliarde bildet, hatten die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Schweizer Demokraten das Referendum ergriffen. Ihre Wortführer sprachen von einer “Tributzahlung” und kündigten an, angesichts des Schuldenberges finanzpolitisch argumentieren zu wollen.

Dazu sagte Merz, die Milliarde sei solide finanziert. Sie fliesse nicht nach Brüssel, sondern in Projekte unter Schweizer Leitung, die sich über zehn Jahre erstreckten. Die jährlich 100 Mio. würden zu 60% im EDA und EVP kompensiert. 40 Mio. übernehme der Bund. Die Südhilfe werde nicht angetastet.

Im Interesse der Schweiz

Für Aussenministerin Calmy-Rey ist ein solidarischer schweizerischer Beitrag an den Aufbau Osteuropas eine Investition in die Fortsetzung des erfolgreichen bilateralen Weges, den die Schweiz in der Europapolitik eingeschlagen habe. Und die Schweiz wolle weitere Abkommen (Agrarhandel, Stromtransit) aushandeln.

Die Einkommen in den neuen EU-Staaten lägen erst bei etwa 50% des EU-Durchschnitts. Ein Abbau dieser Ungleichheit liege im Interesse der Schweiz. Deren Ansehen als zuverlässige Partnerin werde gestärkt. Die Projekte seien Beiträge für ein gerechteres, sichereres und stabileres Europa.

Bundesrätin Leuthard strich die wirtschaftlichen Vorteile hervor. Die Ostzusammenarbeit erschliesse den Schweizer Unternehmen neue Märkte. Das Engagement des Bundes werde ihnen die Türen zu den internationalen Ausschreibungen öffnen. So werde auch der Werkplatz Schweiz profitieren.

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Risiken eines Neins

Die drei Bundesratsmitglieder gingen auch auf die Folgen einer Ablehnung ein. Ein Nein würde zunächst die traditionelle, seit Anfang der 1990er-Jahre mit Erfolg betriebene Transitionshilfe an die ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas und der früheren Sowjetunion abbrechen.

Generell würde ein Nein die Beziehungen zur EU belasten, sagte Leuthard. Die schweizerische Unabhängigkeit werde zwar allgemein respektiert. Aber die Schweiz könne wohl nicht erwarten, dass die Kooperationsbereitschaft der EU wachse. Im Gegenteil: Viel Goodwill würde zerstört.

Leuthard verwies auf die Umsetzungsarbeiten zu den Polizei- und Asylabkommen von Schengen/Dublin, auf die Beteiligung am EU-Rahmenforschungsprogramm und den Abbau von Handelshemmnissen. Für Calmy-Rey und Merz ist klar: “Bei einem Nein würde die Schweiz verlieren. Das dürfen wir nicht riskieren.”

Hilfswerke dafür

Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft von sechs grossen Hilfswerken, engagiert sich für ein Ja in der Abstimmung vom 26. November über das Osthilfegesetz. Der Kohäsionsbeitrag von einer Milliarde verbessere die Lebenssituation in Osteuropa.

Der Kohäsionsbeitrag für die neuen EU-Staaten sei auch der Preis für den Zugang zu neuen Märkten. Davon profitiere die Schweizer Volkswirtschaft stark, schreibt die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks in einem Communiqué vom Dienstag.

Mit der Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU 2007 ist mit weiteren Forderungen zu rechnen. Konkret wurde Brüssel in Bern zwar noch nicht vorstellig, aber es war bereits von 330 Mio. Franken die Rede.

swissinfo und Agenturen

Das neue Gesetz über die Osthilfe kommt am 26. November zur Abstimmung.
Bürgerliche und Linke sowie Grüne unterstützen die Erweiterungshilfe.
Die Schweizerische Volkspartei hat mit zwei kleinen Parteien vom rechten Rand das Referendum gegen die Zahlungen ergriffen.

Die Schweiz hat die Länder Osteuropas seit 1990 mit knapp 3,5 Mrd. Franken unterstützt. Aufbau von Demokratie und Wirtschaft dort sind im Osthilfe-Gesetz geregelt.

Im Mai 2004 traten zehn neue Staaten der Europäischen Union (EU) bei, mit der die Schweiz zwei Pakete von Bilateralen Verträgen abgeschlossen hat. Die EU hat die Schweiz zur finanziellen Unterstützung ihrer neuen Mitglieder aufgefordert, welche im Frühjahr vom Parlament abgesegnet wurde.

Im Falle einer Zustimmung wird die Hilfe in Tranchen von 200 Mio. Franken, verteilt auf fünf Jahre, geleistet. Ein Hauptakzent liegt auf Polen.

Die Gelder werden vorwiegend für die Entwicklungshilfe verwendet und aus den Budgets von zwei Schweizer Ministerien gespiesen.

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