
Auf Bahngleisen und Bergseen: Fünf ungewöhnliche Orte für Solarenergie in der Schweiz

Für eine emissionsfreie Gesellschaft braucht es Solarenergie. Für deren Produktion wiederum ist ausreichend Platz für die Installation von Photovoltaikpaneelen erforderlich. Die Schweiz zeigt sich in dieser Hinsicht erfindungsreich. Swissinfo stellt kuriose und zugleich vielversprechende Ideen zur Erzeugung von Solarenergie vor.
Die Schweiz will die Produktion von Solarenergie deutlich erhöhen. Bis zum Jahr 2050 sollen Photovoltaik und andere erneuerbare Energien 60 Prozent des Strombedarfs des Lands decken.
Gemäss dem Bundesamt für Energie produzierte die Schweiz im Jahr 2024 genau 7,5% ihres Stroms aus der Solarenergie. Der Anteil ist höher als im Weltdurchschnitt, aber niedriger als in europäischen Ländern wie Deutschland, Italien oder Österreich.
Um ihr Ziel zu erreichen, müsste die Schweiz die derzeitige Kapazität ihrer Solaranlagen vervierfachen, so ein aktueller Bericht eines akademischen ForschungskonsortiumsExterner Link, den die ETH Zürich publiziert hat.
Dächer und Gebäudefassaden eignen sich am besten für die Erzeugung von Sonnenenergie. Würden sie vollständig genutzt, könnte dort zehnmal mehr Strom erzeugt werden als heute.
Aber es geht nicht nur um die Dächer von Häusern oder Einkaufszentren. Einige Projekte sehen auch die Installation von Photovoltaikanlagen auf weniger konventionellen Flächen vor, was im Ausland manchmal Interesse und im Inland Kontroversen auslöst.
Hier eine Auswahl der einzigartigsten und vielversprechendsten Schweizer Ideen.
1. Zwischen Bahnschienen

Warum nicht die ungenutzte Fläche zwischen den Schienen des 5320 km langen Schweizer Bahnnetzes nutzen? Diese Frage stellte sich vor einigen Jahren Joseph Scuderi, Gründer des Startups Sun-WaysExterner Link.
Seine Idee wurde im April 2025 mit der Einweihung von abnehmbaren Solarpaneelen entlang eines Gleisabschnitts in Buttes in der Westschweiz verwirklicht. Es handelt sich um die erste Anlage dieser Art in der Welt.
Die Solarpaneele sind zwischen den Schienen angebracht und können bei Wartungsarbeiten leicht entfernt werden. Im Rahmen eines dreijährigen Pilotprojekts wird untersucht, ob und wie die Solarstromerzeugung den Zugverkehr beeinträchtigt und umgekehrt.
Sun-Ways schätzt, dass die Solarpaneele auf der Hälfte der weltweiten Bahnstrecken angebracht werden könnten. In der Schweiz könnten sie so zwei Prozent des nationalen Stromverbrauchs abdecken.
Die Schweizer Innovation stösst auf das Interesse von Unternehmen und Bahngesellschaften in Südkorea, Japan und anderen Ländern. So funktioniert das System:

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Sun-Ways ist nicht das einzige Unternehmen, das die Solarenergie in die Eisenbahninfrastruktur integrieren möchte. Bankset EnergyExterner Link, das ein Büro in Genf hat, entwickelte Paneele, die direkt und dauerhaft auf Schwellen angebracht werden können.
Das Unternehmen sagt, es habe in Zusammenarbeit mit nationalen Eisenbahngesellschaften in Frankreich und Deutschland sowie mit der Schweizerischen Südostbahn (SOB) Prototypen entwickelt.
Die ersten Tests wurden vor etwa zehn Jahren auf einer Bahnstrecke im Kanton Schwyz durchgeführt.
Die Technologie befinde sich derzeit in der «Proof of Concept»-Phase, sagt Marc Isoti, Direktor von Bankset Energy, gegenüber Swissinfo. «Es liegt nun an den Politikern und den Bahnbetreibern zu entscheiden, ob und wie sie mit diesen Solarstromanlagen weitermachen wollen.»
2. In Berghöhen

Die Schweiz will grosse Solarparks in den Alpen bauen. Diese haben den Vorteil, dass sie auch im Winter Energie produzieren, wenn die Nachfrage hoch ist und viele Solaranlagen in der Ebene unter einer Nebeldecke stecken.
Solche Anlagen gibt es bereits in einigen Regionen Chinas und – in kleinerem Massstab – auch in Berggebieten Frankreichs und Österreichs.
In der Schweiz sind im Rahmen von «Solar Express», einem staatlichen Förderungsprogramm für Solarenergie, rund 30 grosse Solarparks in den Alpen geplant.
Am weitesten fortgeschritten ist ein Projekt nahe der Gemeinde Sedrun in Graubünden auf 2200 Metern Höhe. Solarpaneele auf einer Fläche von rund 300’000 Quadratmetern sollen Strom für 6500 Haushalte produzieren.
In diesem Video erfahren Sie mehr über das Projekt:
Weitere Projekte sind auf verlassenen Weiden im Wallis geplant. Solarzellen können auch auf bestehenden Infrastrukturen wie Staudämmen von Wasserkraftwerken installiert werden. Die Solaranlage auf dem Muttsee-Staudamm im Kanton Glarus ist auf einer Höhe von 2500 Metern die höchste in Europa.
Doch Solarparks in den Bergen sind umstritten. Umweltorganisationen befürchten, dass sie die Alpenlandschaft verschandeln und sich negativ auf die Artenvielfalt auswirken könnten. Auch die hohen Kosten werfen Fragen auf.
Eine vor kurzem publizierte Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne kommt zum Schluss, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien mit der Natur koexistieren kann.
Allerdings sollten kleine Solarparks in der Nähe von bereits für den Wintersport genutzten Gebieten bevorzugt werden und die Bevölkerung sollte in die Planung einbezogen werden.
+ Lesen Sie dazu: Erneuerbare Energien in den Schweizer Alpen: Klimaschutz im Einklang mit der Natur?
3. Entlang von Autobahnen

Wie bei den Eisenbahnen gibt es auch bei den Autobahnen ungenutzte Flächen. Zum Beispiel auf Lärmschutzwänden, die Wohngebiete vor Lärmbelästigung schützen.
Diese Flächen sollten laut Bundesbehörden «so schnell wie möglich» genutzt werden. Von einem «grossen Photovoltaik-Potenzial entlang der Nationalstrassen»Externer Link spricht das Bundesamt für Strassen.
In der Schweiz gibt es bereits rund ein Dutzend solcher Anlagen. Auch andere Länder sind nicht untätig geblieben. Beispiele lassen sich unter anderem in Italien, entlang der Autobahn A1 Mailand-Neapel, oder in Deutschland finden, wo Forschende eine neue Art von Lärmschutzwänden mit integrierter Photovoltaik testen.
Es gibt auch Überlegungen, Solarmodule auf Metalldächern über Autobahnen anzubringen. In Bulle im Kanton Freiburg und im Fricktal im Aargau werden derzeit Machbarkeitsstudien durchgeführt. Ähnliche Projekte lassen sich auch in weiteren europäischen Ländern und in den Vereinigten Staaten finden.
Laut einer aktuellen chinesischen Studie könnten Solarpaneele auf Autobahnüberdachungen bis 2023 mehr als viermal so viel Strom erzeugen wie in den Vereinigten Staaten. Ausserdem würden sie die Sicherheit im Strassenverkehr erhöhen, da sich Unfälle in Folge von Regen reduzieren liessen.
Der Leiter des Schweizer Startup-Unternehmens EnergypierExterner Link erläutert in diesem Artikel seine Idee, einen Autobahnabschnitt mit Solarzellen zu überdachen:

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Die Autobahn als Stromlieferantin
Die Installation von Solarmodulen entlang von Autobahnen ist jedoch äusserst komplex und unterliegt strengen Sicherheitsvorschriften.
Bei Modulen auf Lärmschutzwänden besteht bei falscher Ausrichtung die Gefahr, dass der Fahrzeuglärm verstärkt wird, anstatt ihn zu dämmen. Ausserdem sind die Kosten wesentlich höher als jene ähnlicher und auf dem Boden fixierten Strukturen.
4. Auf landwirtschaftlichen Flächen

Dächer von Bauernhöfen mit Solarzellen sind nichts Neues. Es gibt jedoch noch grössere Flächen, auf denen Strom erzeugt werden kann: Ackerland.
Bei der Agri-Photovoltaik handelt es sich um ein System zur Erzeugung erneuerbarer Energien, bei dem landwirtschaftliche Nutzung und Solarenergieerzeugung kombiniert werden.
Diese Technologien breiten sich in mehreren Ländern aus, besonders in den Vereinigten Staaten und China. Die grösste Agro-Photovoltaik-Anlage in Europa befindet sich in den Niederlanden (24’000 Paneele über Himbeerkulturen).
In der Schweiz ist die Installation von Solarzellen auf grossen Anbauflächen verboten. Ein Gesetz aus dem Jahr 2022 erlaubt jedoch die Installation von Photovoltaikanlagen auf Kulturen, die vor Sonne und Hagel geschützt werden müssen, wie beispielsweise Himbeeren oder Tomaten.
Einige Schweizer Unternehmen sind in diesem Bereich weltweit Vorreiter. InsolightExterner Link hat lichtdurchlässige Solarmodule entwickelt, die Licht und Wärme auf Pflanzen und in Gewächshäusern regulieren und so das Pflanzenwachstum optimieren. Einige Anlagen sind bereits in der Schweiz, Italien, Frankreich und den Niederlanden in BetriebExterner Link.
Die Technologie von VoltirisExterner Link verwandelt auch Gewächshäuser in Solaranlagen. Spezielle Filter lassen den für die Pflanzen nützlichen Teil des Lichtspektrums durch und reflektieren den Rest auf die Sonnenkollektoren.
Nach Schätzungen von Mareike Jäger von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Koordinatorin einer Machbarkeitsstudie über Agro-Photovoltaik in der Schweizer LandwirtschaftExterner Link, könnten Solarpaneele auf einem Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche der Schweiz im Jahr 2050 rund 10% des nationalen Stromverbrauchs decken.
Eine weitere aktuelle Schweizer Studie unterstreicht die Notwendigkeit von Versuchen auf grösseren Flächen. Doch der Schweizerische Bauernverband warnt: Die Photovoltaik-Produktion dürfe nicht das Potenzial der landwirtschaftlichen Flächen für die Nahrungsmittelproduktion gefährden. Denn diese seien ohnehin schon rar und begrenzt.
5. Auf Seen

Der kleine Lac des Toules in den Walliser Alpen rückte 2019 ins internationale Rampenlicht. Auf dem Stausee auf 1810 Metern Höhe, im Gebiet von Bourg-St-Pierre, wurde das weltweit erste schwimmende Hochgebirgs-Solarkraftwerk in Betrieb genommen.
Die 1400 Solarpaneele sind resistent gegen Eis und Schnee. Obwohl die Anlage in den ersten drei Betriebsjahren weniger Strom produzierte als erwartetExterner Link, soll sie bis 2030 ausgebaut werden. Im Moment handelt es sich um das einzige Solarkraftwerk seiner Art in den Alpen.
Derzeit sind weltweit mehr als hundert schwimmende Kraftwerke in Betrieb. Gemäss einem aktuellen BerichtExterner Link wächst dieser Sektor vor allem in China, Indien und Indonesien.
Die Paneele können auf allen Wasserflächen aufgestellt werden, von industriellen Reservoirs (stillgelegte Minen) bis hin zu Meeren. Sie haben den Vorteil, dass sie weder der Landwirtschaft noch dem Bausektor Land wegnehmen.
«Aus technischer Sicht liegt das grösste Potenzial bei schwimmenden Solaranlagen auf Stauseen im Flachland», hält die Schweizer Regierung in einem Bericht festExterner Link.
Die Nutzung dieses Potenzials sei jedoch aufgrund der Mehrfachnutzung von Seen, etwa für Schifffahrt, Freizeitaktivitäten oder Fischerei, oder aufgrund von Schutzaspekten teilweise schwierig.

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Editiert von Veronica De Vore, Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob/raf
Dieser Artikel wurde am 18. Juni 2025 geändert, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Bankset Energy zwar einen Sitz in Genf hat, aber nicht im offiziellen Schweizer Firmenregister eingetragen ist, und dass die Behauptungen über die Zusammenarbeit von Bankset mit den staatlichen Eisenbahnen in Frankreich von dem Unternehmen selbst stammen.

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