Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer Nein zu 60-Tönnern

Ein Gigaliner, hier auf der Autobahn bei Mönchengladbach, ist bis zu 25 Meter lang und 60 Tonnen schwer. Keystone

Die Umweltverbände haben eine Kampagne gegen die Einführung von 60-Tönnern auf Schweizer Strassen lanciert. Dabei hatte der Bundesrat dem Ansinnen bereits eine klare Absage erteilt. Die 25 Meter langen Riesenlastwagen vertragen sich nicht mit der Schweizer Verkehrspolitik.

Kaum drei Jahre ist es her, seit 40-Tönner ohne Beschränkung durch die Schweiz donnern dürfen. Im Gegenzug zur Einführung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) im Jahr 2001 hob die Schweiz das zulässige Höchstgewicht für Camions sukzessive von 28 auf 40 Tonnen an.

Doch nun gibt es ein neues LKW-Gespenst: Mega-Lastwagen von über 25 Metern Länge und 60 Tonnen Gesamtgewicht – die so genannten Gigaliner oder Megatrucks. Diese kommen in skandinavischen Ländern im Binnenverkehr bereits zum Einsatz, werden in anderen EU-Ländern zum Teil in Testversuchen eingesetzt, und die EU prüft ihre Zulassung im grenzüberschreitenden Verkehr.

Eine Erhöhung der Gewichtslimite könne die Anzahl der LKW-Fahrten reduzieren und so einen Beitrag zur Umwelt leisten, argumentieren die Befürworter aus dem Transportgewerbe und aus diversen Verkehrsministerien.

“Stopp 60-Tönner”

In der Schweiz machen indes die Umweltverbände gegen den möglichen Einsatz solcher Monstercamions mobil. Die Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Schweiz (IGöV) hat den Bundesrat aufgefordert, sich mit allen Mitteln gegen die Einführung der Gigaliner in Europa zu wehren und deren Zulassung in der Schweiz auch langfristig zu verhindern.

Der VCS lancierte dieser Tage eine Kampagne “Stopp 60-Tönner” und rief die Mitglieder zum Geldspenden auf. “Schweizer Behörden scheint das Problem wenig zu kümmern. Sie warten seelenruhig den Entscheid der EU ab”, schreibt Kampagnenleiterin Aline Trede im Spendenaufruf.

Dabei seien Gigaliner Dreckschleudern par excellence und gefährdeten die Verlagerungspolitik des Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene.

Offene Türen

Allerdings rennen die Umweltverbände offene Türen ein. In der ausführlichen Antwort des Bundesrats auf eine Interpellation von FDP-Fraktionschefin Gabi Huber wird dem Einsatz von Gigalinern auf Schweizer Strassen eine klare Abfuhr erteilt.

Das engmaschige Strassennetz und der dichtbesiedelte Lebensraum verunmöglichten die Manövrierfähigkeit von 25 Meter langen Fahrzeugen in der Schweiz. Notwendige Anpassungen an der Infrastruktur könnten “kaum oder nur mit sehr hohem Aufwand realisiert werden”. Die Rede ist von Kosten in Milliardenhöhe.

Aufgelistet werden auch andere Nachteile wie die Verkürzung der Lebensdauer der Strassenbeläge oder Probleme der Verkehrssicherheit. Vor allem aber hätte die Zulassung solcher Fahrzeuge negative Auswirkungen auf die Schweizer Verlagerungspolitik, weil sich die Wettbewerbsfähigkeit der Strasse erhöhe.

Leuenberger gegen “Wundermittel”

Nach einer Europäischen Verkehrsministerkonferenz im Juni 2007 in Sofia (Bulgarien) hatte Verkehrsminister Moritz Leuenberger in seinem Blog darüber berichtet, dass vor allem seine Amtskollegen aus nördlichen Ländern die 60-Tönner als “Wundermittel für die Transportlogistik” priesen.

“Ich war deshalb froh, sofort replizieren zu können, dass wir 60-Tönner in der Schweiz nicht akzeptieren werden”, schrieb Leuenberger. Im Landverkehrsabkommen mit der EU seien 40 Tonnen als oberste Limite vereinbart.

Auch wenn die offizielle Verkehrspolitik am selben Strick zieht. Die Verkehrsverbände finden es wichtig, frühzeitig gegen die Megalastwagen anzutreten. In ganz Europa beteiligten sich inzwischen mehr als 120 Verbände aus 20 Ländern in einer Koalition gegen die Einführung der 60-Tönner.

swissinfo, Gerhard Lob

Die Diskussion um Vor- und Nachteile der überlangen Lastwagen wird seit rund zwei Jahren geführt. Die EU hat die Auswirkungen in einer ersten Studie abklären lassen. Die Resultate waren nicht negativ.

Wahrscheinlich wird die EU 2009 eine zweite Studie zu den Auswirkungen der Einführung von überlangen und schwereren Lkw-Zügen im grenzüberschreitenden Transport in Auftrag geben.

Momentan tendiert die EU-Kommission dazu, es den Mitgliedstaaten zu überlassen, ob sie die Gigaliner innerhalb der jeweiligen Staatsgrenzen zulassen wollen.

Die Landesverkehrsminister in Deutschland haben sich gegen die Zulassung der Gigaliner ausgesprochen. Und der deutsche Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat sich kürzlich auf einer Bahn-Veranstaltung optimistisch gezeigt, dass die von einigen Mitgliedsstaaten angestrebte EU-weite Zulassung von Riesen-LKW verhindert werden könne.

Die Gigaliner oder Megatrucks sind überlange Lastkraftwagen mit bis zu 25,25 m Fahrzeuglänge und bis zu 60 t Gesamtgewicht. Die übliche Längenbegrenzung ist 18, 75 Meter – das zulässige Höchstgewicht 40 Tonnen.

Finnland und Schweden kennen die Fahrzeuggattung „EuroCombi”, deren Gewicht bis zu 60 Tonnen beträgt. Dort sind diese Fahrzeuge schon länger zugelassen.

Fahrversuche mit Gigalinern wurden auch in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und diversen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland gemacht.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft