Der Schnee – das weisse Wunder
Der Schnee ist immer wieder ein Objekt der Faszination: Er lässt die Kinder vor Freude jauchzen, kann aber auch Tod und Unheil bringen.
Drei Museen im Kanton Graubünden widmen sich zur Zeit diesem Phänomen, das niemanden kalt lässt.
Unter dem Titel «Weisse Wunderware Schnee» zeigen die drei kantonalen Museen, das Kunstmuseum, das Rätische Museum und das Naturmuseum, ihre Sicht auf die weisse Pracht, mit der die Schweiz in den letzten Tagen in Hülle und Fülle eingedeckt wurde.
Wie Jürg P. Müller, Direktor des Naturmuseums erklärt, ist es kein Zufall, dass die Ausstellungen in Graubünden zu sehen sind.
«Schnee ist im Graubünden ein Thema in mannigfacher Richtung. Wir sind vom Tourismus abhängig, Schnee ist unser wichtigster Rohstoff. Es gibt Höhenlagen, die immer schneebedeckt sind, da geht es um Schneeräumung.»
Schnee in der Kunst
Das Kunstmuseum zeigt in rund 70 Werken die Rolle des Schnees in der Kunst – er ist Metapher und Symbol, aber auch Projektionsfläche. Ein Symbol für Einsamkeit, für Erstarrung und Tod, aber auch ein Sinnbild für Unschuld und Reinheit.
Zu sehen sind Werke aus den letzten drei Jahrhunderten, darunter von wichtigen Künstlern wie Giovanni Segantini, Giovanni und Augusto Giacometti, Cuno Amiet, Roman Signer, Jules Spinatsch oder Not Vital.
Um 1800 bis 1900 wurde der Schnee in der Kunst vor allem als Furcht erregende Naturgewalt dargestellt, gegen die der Mensch anzukämpfen hatte. So in den berühmten Bildern von Giovanni Segantini – «Rückkehr vom Wald» und «Die Lawine» – wo Schnee stets mit Kälte und Tod in Verbindung gebracht wird.
Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler gehen mit dem Thema spielerischer um: Not Vital hat in einem Raum 700 Schneebälle aus Murano-Glas installiert, der Foto-Künstler Jules Spinatsch zeigt den Rohstoff Schnee im Tourismus, und Roman Signer präsentiert uns Schnee in einer Kühltruhe, den er im vergangenen März in St. Gallen gesammelt hat.
Leben und Tod
Das Bündner Naturmuseum zeigt auf verblüffende Weise die vielfältigen Wirkungen von Schnee auf die Natur und die Strategien, die Tiere dagegen entwickeln: Schneehase und Hermelin zum Beispiel wechseln auf den Winter hin ihr Kleid und werden weiss, andere Tiere ziehen in tiefere Lagen oder fliegen gen Süden.
Und Lawinen, so Museumsdirektor Müller, würden keinesfalls nur Tod und Verwüstung bringen. «Lawinenbahnen verdanken wir neues Leben.» Demonstrieren tut dies ein von einer Lawine zerfetzter Baumstrunk, in dessen Umgebung unzählige Insekten, Würmer, Flechten und Pilze gezählt wurden.
Vergänglichkeit
Im Vergleich zu anderen Stoffen ist Schnee immer nahe am Schmelzpunkt. «Unglaublich schnelllebig», so der Naturwissenschafter Müller gegenüber swissinfo. «Schon nach kurzer Zeit kann er sich verändern und ist nicht mehr der gleiche wie vorher.»
Und Schnee ist nicht nur kalt und weiss, Schnee «ist oft nicht weiss, weil er verunreinigt ist, und er ist wärmend und isoliert, denken wir nur an die Iglus», betont Müller. Ein Iglu ist denn im Naturmuseum auch ausgestellt, allerdings aus Styropor, nicht aus Schnee.
Eindrücklich sind auch die Grossaufnahmen von Schneekristallen mit ihrer klaren Symmetrie und Schönheit. Mehrere Kristalle ergeben eine Flocke, und viele Flocken, ob kleine oder «Leintücher», können die Natur unter einer Decke begraben.
Schnee von gestern, Schnee von heute
Schnee gibt Arbeit, das heisst: Schnee muss geräumt werden. Schnee vermittelt aber auch Arbeit – denken wir nur an den Tourismus. Den Umgang des Menschen mit diesem weissen Wunder rückt das Rätische Museum ins Zentrum.
Von alten Pferde- und Transportschlitten über Schneeschuhe, Reitbretter (eine Urform des Snowboards), bis hin zu Auftausalz, Lawinensuchgeräten und Schneekanonen, die das «weisse Gold» produzieren, ist alles zu finden.
Über mangelndes Interesse können sich die drei Bündner Museen nicht beklagen. Regen Anklang finden die Ausstellungen auch bei Schulklassen, die sich – betreut von Museumspädagoginnen – intensiv mit dem Thema Schnee in der Kunst, der Natur und dem menschlichen Dasein auseinandersetzen.
Auch wenn es sich beim Ausstellungsobjekt um einen vergänglichen Stoff handelt, dürfte die Wirkung eines Besuchs in Chur doch nachhaltig sein.
swissinfo, Gaby Ochsenbein, Chur
Die Ausstellung «Weisse Wunderware Schnee» in den drei Bündner Museen in Chur ist noch bis am 27. Februar 2005 zu sehen.
Die Ausstellungen kamen ohne private Sponsoren aus.
Jedes Museum zeigt einen eigenen Themen-Schwerpunkt. Begleitet werden die Ausstellungen von verschiedenen Veranstaltungen.
Im Kunstmuseum sind frühe Stiche von Lawinen und berühmte Bilder neben zeitgenössischen Installationen und Fotos zu sehen.
Das Rätische Museum thematisiert den Umgang des Menschen mit dem Schnee und die mit der Zeit veränderten Lebensumstände. Traditionelle und moderne Objekte sind ausgestellt.
Das Naturmuseum zeigt, wie Schnee die Lebensbedingungen von Pflanzen, Tieren und Menschen prägt.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch