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«Ich habe in den Bergen hören gelernt»

swissinfo.ch

Ueli von Allmen ergreift zwei Holzlöffel und klopft damit an seinen Kopf mit der Lockenmähne. Statt verängstigt zu flüchten, greifen auch die Journalisten von swissinfo.ch zu den rustikalen Instrumenten und versuchen krampfhaft, dem Rhythmus zu folgen.

Nach dem Interview im Studio hat von Allmen im benachbarten Büro einen spontanen ad-hoc-Auftritt mit Journalisten gestartet, welche die eleganten Rhythmen des 51-jährigen Musikers mit einem holprigen Geklapper kontrastieren.

Hinter dem «Körper-Schlagzeug», wie es der Musiklehrer, Sänger und Erzähler nennt, versteckt sich mehr als eine simple Methode, quengelnde Kinder – und Erwachsene – in einen Rausch zu versetzen.

«Rhythmus ist für mich zentral. Er ist die wichtigste Art, Menschen zur Musik zu bringen», sagt er. Der Rhythmus sei sogar wichtiger als Singen, weil er die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringe.

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Alpen-Robert-Plant 

Mit seiner Löwenmähne könnte von Allmen als kleiner Bruder von Led-Zeppelin-Frontmann Robert Plant durchgehen. Aber der alte Folk-Freak, als der er sich bezeichnet, ist in Tat und Wahrheit einer der wichtigsten Köpfe in der Schweizer Kindermusik-Szene.

1983 war er Mitbegründer der Schule für Volksmusik Bern. Heute gibt er überall auf der Welt Konzerte mit «Tächa». Der Name seiner Band bedeutet Alpendohle auf Berner Oberländer Dialekt. Zentrales Anliegen bleibt aber, seine grosse Musikpassion mit Kindern zu teilen.

«Kinder sind meine kreativsten Lehrer», sagt der umtriebige vierfache Vater. «Kinder sind Meister der Kreativität – kreativ sein ist ihr Weg zu erproben und lernen. Für einen Musiker gibt es nichts Wichtigeres.»

Aufgewachsen ist er im 1300-Seelen-Dorf Wengen, das im Winter, wenn als Höhepunkt der Abfahrtsklassiker am Lauberhorn ansteht, fast das Zehnfache zählt.

Mit dem ersten Radio fing es an 

«Als Neunjähriger erhielt ich ein kleines Radio mit Tonband. Es war mein bester Gefährte und mein Türöffner in die Welt der Musik. Daneben faszinierten mich alle Arten von Tönen und Geräuschen: Traditionelle Volksmusik, Vögel oder Gewitter – alles löste in mir tiefe Gefühle aus.»

Der junge Bergler wurde zum Schwamm, der sämtliche Musik von Klassik und Jazz bis zu Rock aufsog. Als stärksten Einfluss bezeichnet er aber den Berner Troubadour Mani Matter. Der 1972 im Alter von 36 Jahren tödlich verunfallte Liedermacher wurde mit seinen Dialekttexten, in denen er philosophische Gedanken in einfache Worte kleidete, zum Gottvater der Schweizer Mundartmusik.

«In Wengen oben gab es nicht viel Zerstreuung. Ich entdeckte die Welt daheim lesend und hörend – Sprache, Sprechen, Gedichte und Geschichten sind für mich ebenso wichtig wie Töne.»

Die Stille der Berge ist für ihn die grösste Quelle der Inspiration. «Als Kind habe ich in den Bergen gelernt, zuzuhören. Das hatte einen grossen Einfluss auf mich und meine Musik.»

Mit den Bergen verwurzelt 

«Natürlich!», antwortet von Allmen etwas konsterniert auf die Frage, ob er sich als Schweizer fühle. Er sei in der wilden Bergwelt verwurzelt und fühle sich in seinem Dorf und dem Tal daheim. Gleichzeitig aber hat er viel Weitblick und ist sehr offen, «was vielleicht nicht typisch schweizerisch ist».

Schweizer brauchten Zeit, sich zu öffnen, was möglicherweise mit der Kleinheit des Landes zu tun habe, das bis in kleinste Einheiten wie Gemeinden und Täler strukturiert sei.

«Jeder hilft jedem, aber man denkt vielleicht nicht in grossen Zügen. Passiert etwas Aussergewöhnliches, gehen die Leute schnell in die Defensive», charakterisiert der Weitgereiste seine Landsleute. Er versuche, anders zu sein. «Ich will offen sein, weil wir immer von anderen lernen können.»

Der Musiker registriert auch Unterschiede und Nuancen des Publikums in der Schweiz und anderen Ländern. «Die verschiedenen Temperamente des Publikums sind das Schönste überhaupt: In China reagieren die Menschen sehr stark. Mögen sie etwas, zeigen sie es. In der Schweiz sind die Menschen privater. Sie schauen sich erst um und überlegen, ob sie jetzt wirklich so oder anders reagieren wollen – sie sind weniger spontan.»

Wenn der Musik-Zauber wirkt

Ein weiterer Faktor ist das Alter. «Kinder sind viel spontaner. Haben sie sich erst vom Zauber der live gespielten Musik anstecken lassen, öffnen sie sich ganz weit. Ob ein klassisches Konzert, lustige Geschichten oder einfach Grimassen, die ich schneide: Stehen Kinder einmal auf deiner Seite, verlassen sie dich nicht mehr.»

Erwachsene dagegen würden oft während eines Konzerts mit dem Handy herum spielen oder seien mit ihren Gedanken anderswo, «sie sind viel schneller abgelenkt.»

Von Allmen spricht nun die spirituelle Dimension des Musizierens an. «Spielen und Singen setzt viel gute Energie frei», die so geschaffenen Verbindungen innerhalb einer Gruppe, zu Gott oder was auch immer liessen sich nur schwer in Worte fassen.

Zurück in den nüchternen Büros bei swissinfo.ch droht die Session auf dem «Körper-Schlagzeug» ausser Kontrolle zu geraten: Ein Löffel, der sich selbständig gemacht hat, fliegt einem hereinschauenden Kollegen fast an den Kopf. Von Allmens Grinsen wird breiter und er erhöht das Tempo wie der Trommler auf einem Sklavenschiff. Nur will auf seinem Schiff niemand mit Rudern aufhören.

1997 Tächa fünf Lieder

1999 Leierchischte Di Roti (Leierkasten, die rote CD)

2000 Tächa flyg (Alpendohle flieg)

2002 Tächa-DVD für das UNO-Jahr der Berge

2003 Tächa Wasser

2004 Leierchischte Di Blaui (die blaue CD)

2007 Tächa live with Eunan Mclntyre

2011 Leierchischte Muh

Besetzung Tächa: Ueli von Allmen, Thomas Kupper, Bruno Raemy

Leierchischte: Ueli von Allmen, Roland Schwab

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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