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Neue Schweizer Orgel in der Sixtina

Technologie und Tradition gehen beim Orgelbau Hand in Hand. swissinfo.ch

Die weltberühmte, von Michelangelo bemalte Sixtinische Kapelle hat eine Orgel aus der Schweiz erhalten. Die Weihe fand Mitte Dezember statt.

Das Instrument wurde von der Firma Mathis Orgelbau in Näfels im Kanton Glarus gebaut.

«Es ist ein kleines Instrument, das für Kammermusik geeignet ist. Mehr konnte man nicht machen», sagt der Orgelbauer Hermann Mathis.

Mathis hat sich über ein Jahr lang mit einem aussergewöhnlichen Projekt beschäftigt: Er baute in rund 3800 Arbeitsstunden eine Orgel für die Sixtinische Kapelle in Rom. Neben dem Petersdom ist diese Kapelle eines der berühmtesten Heiligtümer der Katholischen Kirche.

Hermann Mathis entstammt einer Orgelbauer-Familie. Weltweit stehen mehr als 300 Mathis-Orgeln. Die Firma mit ihren 20 Angestellten verfügt folglich über reichlich Erfahrung. Auch in Rom ist Mathis kein Unbekannter: 1999 fertigte er bereits eine Orgel für die Kapelle der Schweizer Garde.

Schwierige Auftrags-Finanzierung

Aber dieser zweite Auftrag hat eine besondere Geschichte. «Eines Tages erhielt ich einen Anruf aus Rom», erinnert sich Mathis, «und ich wurde eingeladen, am Wettbewerb für den Orgelbau teilzunehmen. Wir haben uns sofort auf das Projekt gestürzt. Und ein Jahr später hatten wir den Auftrag in der Tasche.»

Aber gleichzeitig kam eine Überraschung: Der Auftrag für das Instrument im Wert von 600’000 Franken war zwar an die Glarner Firma gegangen, doch es fehlte die Finanzierung.

Mathis musste einen Sponsor suchen – offenbar eine gängige Praxis im Vatikan. Und er wurde fündig: Die Peter-Kaiser-Gedächtnisstiftung in Liechtenstein – präsidiert von Herbert Batliner – übernahm die Kosten für Bau und Transport.

Mobile Orgel

Nach der Lösung der Finanzprobleme rückte das Instrument wieder in den Vordergrund. Mathis: «In der Malerei braucht der Künstler einen reichen Farbenschatz, in der Musik muss der Organist über einen reichen Klangteppich verfügen. Diesen müssen wir schaffen.»

Doch das Instrument musste auch praktischen Anforderungen genügen. Der Auftrag aus dem Vatikan war in dieser Hinsicht klar. Man wollte eine mobile Pfeifenorgel, die ohne Demontage verschiebbar sein musste. Denn während den Öffnungszeiten der Sixtina soll das Instrument in einen Nebenraum verschoben werden.

Um diese Funktionalität zu garantieren, musste Orgelbauer Mathis ein kompaktes Instrument bauen. Die Ausmasse sind durch Höhe und Breite des rückwärtigen Portals der Kapelle vorgegeben.

So finden die 787 Pfeifen, zwei Manuale, die Fusspedale und 14 Register in einem Instrument Platz, das nur gut 3 Meter hoch ist. Jeder Quadratzentimeter des Instruments ist ausgefüllt.

Schwieriger Transport

Um das Instrument zu verschieben, hat sich die Firma Mathis an Spezialisten gewandt. Aber die Verhandlungen mit einem Unternehmen in Deutschland scheiterten. «Es kam zu einigen Spannungen und auch zu Enttäuschungen», erinnert sich Mathis.

Buchstäblich in letzter Minute konnte die Schweizer Firma Inauen-Schätti – unweit von Näfels – das Problem lösen. Das Unternehmen, das die Seilbahn auf den Zuckerhut in Rio de Janeiro erneuert und das Dach der Expo.02-Arteplage in Neuenburg entworfen hatte, erfand ein geeignetes Transportsystem.

Mit dem hydraulischen Fahrzeug kann die Orgel in weniger als 40 Minuten in einen Nebenraum der Sixtina, den Sala delle Bedezioni, gebracht werden. Dort ist ein eigener «Parkplatz» eingerichtet.

Das geeignete liturgische Instrument

Der Bau einer Orgel für die Sixtina ist auch eine ästhetische Herausforderung. Es bedarf einer Abstimmung auf die malerischen Meisterwerke aus dem 16. Jahrhundert. In Zusammenarbeit mit dem Holzbildhauer Josef Schibig fand man eine elegante und zugleich harmonische Lösung.

Auch in Bezug auf die Klangfarbe gibt es gewisse Zwänge. Der Zürcher Reformator Zwingli hatte die Orgeln als «Pfeifer des Teufels» abqualifiziert. Luther hingegen räumte ihnen einen wichtigen Stellenwert in der Liturgie ein. Seiner Meinung nach war die römisch-katholische Tradition zu lange dem gregorianischen Gesang verpflichtet, was den Einfluss der Orgel beschnitt.

Die seitliche Position der neuen Orgel in der Sixtina entspricht somit der italienischen Tradition, die der Orgel eher eine begleitende Funktion für den Gesang und keine primäre Rolle zuschreibt. Darin liegt ein fundamentaler Unterschied zwischen Nord- und Südeuropa.

Mathis hat sich in diese Traditionen eingepasst. Aber warum hat ausgerechnet ein Schweizer diesen Auftrag erhalten? Mathis hat eine Erklärung: «Wir Schweizer befinden uns an einer Schnittstelle von Kulturen und Traditionen. Unsere Erfahrung hilft uns, den richtigen Weg einzuschlagen.»

swissinfo, Daniele Papacella, Vatikanstadt

Die Orgel hat 721 Zinn- und 66 Holzpfeifen.
Sie besitzt 14 Register, 2 Klaviaturen zu je 56 Tasten und 1 Pedal-Klaviatur mit 30 Tasten.
Sie wiegt 3,5 Tonnen, ist 3,55m hoch, 1,37m tief und 2,42m breit.

Der Bau der Orgel für den Vatikan hat die Firma Mathis vor neue Schwierigkeiten gestellt, obwohl der Betrieb seit über 40 Jahren mehr als 300 Orgeln weltweit gebaut und installiert hat.

Das Instrument musste nämlich trotz seines Gewichts von mehr als 3 Tonnen verschiebbar sein. Es steht normalerweise in einem Nebenraum der Sixtina, weitab vom Strom der Besuchermassen in den Vatikanischen Museen.

Die Dimensionen des Instruments mussten daher der Grösse des rückwärtigen Portals der Kapelle angepasst werden, die vor über 500 Jahren gebaut wurde. Für den Vatikan-internen Transport wurde von der Schweizer Firma Inauen-Schätti eigens ein «Orgel-Mobil» erstellt, das die Orgel hydraulisch anheben und verschieben kann.

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