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Presseschau vom 16.12.2002

Die Schweizer Pressekommentatoren beschäftigen sich heute vor allem mit dem Schutzumschlag des Buches von Stuart Eizenstat: Es zeigt das Schweizerkreuz, über das aus Goldbarren ein Hakenkreuz gelegt wurde.

Die Reaktionen reichen von beleidigt hin zu gelassen.

LE TEMPS fasst die Geschehnisse so zusammen: “Stuart Eizenstat associe la croix blanche à la croix gammée et la Suisse n’y peut rien.” – Stuart Eizenstat verbindet das weisse Kreuz mit dem Hakenkreuz, und die Schweiz kann nichts dagegen tun.

Die Rede ist vom Buch des ehemaligen US-Staatssekretärs Stuart Eizenstat über die Verhandlungen der Clinton-Regierung und der Schweiz über das Nazi-Gold, die vor vier Jahren mit einem Milliarden-Vergleich endeten. Das Buch mit dem Titel “Imperfect Justice – Mangelhaft Gerechtigkeit”, hat den Aufschrei nicht provoziert, aber der Schutzumschlag: Er zeigt ein Schweizerkreuz, über dem aus Goldbarren ein Hakenkreuz gelegt wurde.

Beleidigte Schweiz

Die Auswirkungen auf die Schweizer Politik bringt der BUND zum Ausdruck im Titel: “Schweiz beleidigt.” Und der CORRIERE DEL TICINO meint: “Indignato il ministro Joseph Deiss” – “Minister Joseph Deiss ist empört”.

Für die AARGAUER ZEITUNG ist der Fall klar: “Eizenstat beleidigt die Schweiz”, und kommt unter dem Titel “Arrogant und unglaubwürdig” zum Schluss: “Eizenstat misst mit zweierlei Ellen. Sein Moralismus ist heuchlerisch.”

Von Nazi-Symbolen die Finger lassen

Der TAGES-ANZEIGER meint zur Illustration: “Wer in der Öffentlichkeit mit Worten und Bildern kommuniziert, sollte die Finger lassen von den Vergleichen und Symbolen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die Reihe jener Politikerinnen und Politiker ist lang, welche in die Falle platter und polemischer Vergleiche getappt sind.”

Für den BLICK ist Eizenstat bestimmt in diese Falle getappt. Er schreibt: “Stuart Eizenstat ist ein Ignorant. 1997 erhob der frühere Vize-Aussenminister den Vorwurf, die Schweiz habe den Zweiten Weltkrieg verlängert. Die Bergier-Kommission hat diesen Unsinn längst widerlegt. Fünf Jahr später tut Eizenstat, als sei nichts gewesen. (…) Ein Hakenkreuz aus Goldbarren auf der Schweizer Fahne ziert den Buchdeckel! Hört das denn nie auf?”

Gelassenheit gefordert

Damit das vielleicht doch noch aufhört, hat die Schweizer Regierung empört reagiert und den Botschafter in Washington auf den Plan gerufen. Solche Absichten haben aber keine grossen Aussichten auf Erfolgt, schreibt LE TEMPS: “L’indignation aussitôt manifestée aussi bien par Kaspar Villiger que par Joseph Deiss risque toutefois fort de résonner dans le désert. Parce qu’aux Etats-Unis la liberté d’expression est un bien constitutionnel jalousement protégé.” – Die Empörung von Kaspar Villiger und Joseph Deiss droht ungehört zu verhallen. Denn in den USA ist die Meinungs-Äusserungs-Freiheit ein streng gehütetes, verfassungsrechtliches Gut.

Der TAGI fordert denn auch Gelassenheit: “Wenn (…) Eizenstat einen grossen Fauxpas begangen hat, so fragt sich, ob die Schweiz als Nation deshalb beleidigt sein muss. Für eine Beleidigung braucht es ja immer zwei (…). So betrachtet, ist der Aufschrei der Empörung in unserem Land etwas laut geraten: Es kann ja nicht sein, dass nun der Bundesrat, die schweizerische Diplomatie und ein Teil der Öffentlichkeit wegen der Illustration eines Buchdeckblattes geradezu ausser sich geraten.”

swissinfo, Philippe Kropf

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