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Ausschaffung: Die korrekte Gewalt-Anwendung

Soll nicht mehr erlaubt sein: Integralhelme und Knebelung bei Ausschaffungen. Keystone Archive

Um weitere tödliche Fehler bei Ausschaffungen von Ausländen zu verhindern, hat die Regierung ein Gesetz vorgestellt, das regelt, was geht und was nicht.

Schlagstöcke und Elektroschocker sollen erlaubt sein, Knebel und Integralhelme hingegen nicht.

Der Bundesrat hat einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der die Anwendung von Zwangsmassnahmen der Polizisten bei der Rückführung von Ausländern klar und einheitlich regeln soll.

Es geht bis im Februar des kommenden Jahres in die Vernehmlassung, wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am Mittwoch mitteilte.

Tote bei Ausschaffungen

Bei Ausschaffungen von Ausländern in ihre Heimatländer kam es mindestens zweimal zu Todesfällen.

1999 erstickte in einem Aufzug im Flughafen Zürich-Kloten ein 27-jähriger Palästinenser – Polizisten hatten ihn gefesselt, geknebelt und seinen Mund mit Klebeband zugeklebt, um ihn am Schreien zu hindern.

Zwei Jahre später starb im Gefängnis von Granges im Wallis ein Ausschaffungshäftling aus Nigeria. Er musste sich auf den Bauch legen, die Hände wurden ihm auf dem Rücken gefesselt, und ein Polizist setzte sich auf seinen Rücken, was seine Atmung behinderte.

OK für Handschellen, Elektroschocker und Windeln

Der nun vorliegende Gesetzesentwurf soll sicherstellen, dass Zwangsmassnahmen verhältnismässig angewandt und den Umständen angepasst sind. Die Integrität der Betroffenen müsse so weit wie möglich gewahrt werden.

Erlaubt sind Handschellen, Fussfesseln und Fesselungsbänder. Nur als äusserstes Mittel sollen Elektroschockgeräte – so genannte Taser – sowie Schlagstöcke eingesetzt werden.

Windeln sind gemäss Gesetzesentwurf nur auf langen Flügen zulässig, wenn erwartet werden muss, dass die transportierte Person beim Gang zur Toilette Widerstand leistet.

Diese Mittel sollen auch für zwangsweise Inland-Transporte im Auftrag von Bundesbehörden gelten.

Nein für Helme, Knebel und Medi-Missbrauch

Verboten sind dagegen Integralhelme, Knebel und andere Mittel, die die Atemwege beeinträchtigen können.

Ebenso ist es gemäss Gesetzesentwurf nicht erlaubt, Personen so festzuhalten, dass ihre Atmung behindert wird. Auch andere Haltetechniken, die die Gesundheit erheblich beeinträchtigen, sollen untersagt werden.

Medikamente dürfen gemäss Entwurf nicht zweckentfremdet werden, etwa um jemanden ruhig zu stellen.

SFH fordert Beobachter

Bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) stösst der Gesetzesentwurf auf herbe Kritik. “Die Ausschaffungen betreffen abgewiesene Asylbewerber ganz zentral, es geht um heikle Menschenrechts-Fragen”, sagt SFH-Sprecher Jürg Schertenleib gegenüber swissinfo.

Er bedauert, dass die SFH nicht von den Experten des EJPD angehört wurde, welche den Gesetzesentwurf ausarbeiteten. “Wir haben gefordert, dass bei Zwangs-Ausschaffungen unabhängige Menschenrechts-Beobachter dabei sind. Das taucht nirgends auf.”

Dabei wäre dies, so Schertenleib, für die Schweiz, die Ausschaffungs-Staaten und die Betroffenen wichtig. “Wir werden diesen Vorschlag jetzt in der Vernehmlassung wieder einbringen.”

Amnesty gegen Elektroschocker

Amnesty International zeigt sich schockiert darüber, dass Elektroschocker weiterhin zugelassen werden sollen. Es beständen noch viele offene Fragen bezüglich der Auswirkungen dieser Geräte auf die Gesundheit, sagte Denise Graf von Amnesty Schweiz.

In den USA sei es zu elf Todesfälle mit Elektroschockgeräten gekommen. Unmenschlich seien bei Ausschaffungen auch Fussfesseln und Windeln, sagte Graf weiter.

swissinfo und Agenturen

Der Palästinenser Khaled Abuzarifeh erstickte 1999 bei seiner Ausschaffung in Zürich-Kloten. Polizisten hatten ihn geknebelt, um ihn am Schreien zu hindern.
Der Nigerianer Samson Chukwu starb 2001 bei seiner Ausschaffung in Granges im Wallis, weil ein Polizist seine Atmung blockierte.
Das Justiz-Verfahren im Wallis wurde eingestellt, die Polizisten im Fall von Abuzarifeh frei gesprochen.
In der Schweiz sind die einzelnen Kantons-Polizeien für die Ausschaffung abgewiesener Asylbewerber zuständig.

Laut Gesetzesentwurf sind Handschellen, Fussfesseln und Fesselungsbänder bei Ausschaffungen erlaubt.

Notfalls auch Elektroschockgeräte und Schlagstöcke.

Nicht mehr erlaubt sollen Integralhelme sein, sowie Knebel und Knebelungen.

Auch gewisse Festhaltetechniken und Medikamente zur Ruhigstellung sollen verboten werden.

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