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Basler Pharma-Giganten in Form

Das Pharmageschäft von Roche und Novartis läuft gut. Keystone Archive

Anfang Woche erfreute Novartis die Anleger-Gemeinde mit guten Semesterzahlen, am Mittwoch überraschte Roche positiv.

Beide Unternehmen geben sich zuversichtlich für die Zukunft und wollen weiterhin schneller wachsen als der Markt – alleine.

Nachdem die beiden Pharmariesen ihre Semester-Zahlen auf den Tisch gelegt haben, ist klar: Novartis liegt zwar immer noch vorne, was den Reingewinn und die Profitabilität betrifft. Doch Roche ist offensichtlich dabei, nach einer Durststrecke wieder zur Konkurrentin aufzuschliessen. Das Unternehmen wies praktisch das gleiche Wachstum beim operativen Gewinn (+15%) auf wie Novartis.

Die zwei Unternehmen lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen. So weist Novartis ihre Zahlen neuerdings in Dollar aus, um den negativen Effekt des starken Schweizer Frankens zu eliminieren und die Vergleichbarkeit mit der amerikanischen Konkurrenz zu erleichtern.

Roche ihrerseits präsentierte zwei Zahlenreihen, einmal ohne das verkaufte Vitamingeschäft und einmal mit. Der Grund: Zum Zeitpunkt des Halbjahresabschlusses war noch nicht klar, ob die europäische Wettbewerbsbehörde dem Verkauf der Vitaminsdivision an die niederländische DSM zustimmen wird.

Wie Phönix aus der Asche

Beide Unternehmen haben starke Pharmadivisionen, die mit +9% bei Roche und mit +18% bei Novartis schneller als der Markt (7,2%) gewachsen sind.

“Laut Roche-Pharma-Chef William Burns hat Roche im Pharma-Bereich Novartis sogar leicht übertroffen”, weiss Martin Flückiger, Pharma-Analyst bei der Bank Leu. “Damit wird das Sprichwort ‘wie Phönix aus der Asche’ für Roche Realität.” Roche könne tatsächlich im Moment als dynamischer bezeichnet werden.

In den letzten drei, vier Jahren hätten beide Konzerne eine Neuorientierung mit Fokus auf das Kerngeschäft Pharma – rezeptpflichtige Medikamente – vorgenommen.

Dazu Flückiger: “Während Novartis sich auf Medikamente für die allgemeine Medizin konzentriert, gilt Roche als Spezialistin in den Bereichen Onkologie (Krebs), Transplantation und Virologie (Hepatitis und HIV).”

Roche hat spannendere Pipeline

Noch vor nicht langer Zeit schwärmten die Experten von der Produkte-Pipeline (Neue Medikamente) von Novartis. Unterdessen hat sich der Spiess zugunsten ihrer Basler Konkurrentin umgekehrt.

“Roche hat zur Zeit definitiv die spannendere Pipeline”, ist Flückiger überzeugt. Den Anfang hätten Pegasys gegen Hepatitis C und das Aids-Medikament Fuzeon gemacht. “Beide Medikamente sind seit kurzem in den USA und in Europa zugelassen.”

Ausserdem stünden weitere wichtige Marktzulassungen bevor: Pegasys in Japan, das Asthma-Mittel Xolair in den USA und das Krebsmedikament Avastin in den USA und in Europa.

Novartis profitabler

Die Gewinnmarge beider Unternehmen liegt bei über 20%. Sie ist eine wichtige Kennzahl zur Messung der Profitabilität.

Aufgrund gestiegener Forschungsausgaben und höherer administrativer Kosten erlitt Novartis einen Rückgang der Gewinnmarge. Roche hingegen konnte ihre Profitabilität deutlich verbessern.

Allerdings, so Flückiger: “Es geht nicht nur um das Wachstum, es geht auch um das Niveau. Und dieses ist bei Novartis eindeutig höher als bei Roche. Auch erwirtschaft Novartis immer noch einen höheren Gewinn.”

Unterschiedliche Performance im Nebengeschäft

Das zweite Standbein von Roche ist “Diagnostic”, das von Novartis “Consumer Health” mit der Generika-Sparte. Im ersten Halbjahr war Novartis eindeutig erfolgreicher im Nebengeschäft als Roche. Das Generika-Geschäft explodierte förmlich mit einem Umsatzwachstum von fast 130% aufgrund der Übernahme der slowenischen Lek.

Roche hingegen enttäuschte mit ihrem Diagnostik-Bereich, dessen Umsatz gegenüber dem Vorjahr um ein Prozent sank. Tatsache ist jedoch: Roche ist Weltmarktführerin in diesem Bereich und wächst weiterhin schneller als der Markt. Am Freitag gab der Pharmakonzern zudem bekannt, er habe den sechsjährigen Streit um Lizenzrechte mit der amerikanischen Biotech-Firma Igen beigelegt und werde diese für knapp 2 Mrd. Franken übernehmen.

Vor allem die Sparte “Diabetes Care” ist äusserst erfolgsversprechend: Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht von einer starken Zunahme von Diabetes-Erkrankungen aufgrund von Übergewicht und mangelnder Bewegung der Menschen in den Industrieländern aus. Dies war einer der Gründe für Roche, kürzlich die in diesem Bereich tätige Schweizer Disetronic zu erwerben.

Kritisch: Finanzergebnis von Roche

Beide Unternehmen hatten Wertberichtigungen zu verkraften. Novartis musste wegen ihrer Beteiligung an Roche einen Verlust von 310 Mio. Dollar verbuchen, konnte aber den Reingewinn trotzdem um 20% steigern.

Roche musste ihrerseits einen Verlust von 349 Mio. Franken im Finanzresultat zu hinnehmen und meldete einen Rückgang des Reingewinns um 24%.

Roche-Finanzchef Erich Hunziker machte ausserdem keinen Hehl daraus, dass das Finanzergebnis von Roche frühestens wieder im Jahr 2004 ausgeglichen sein werde. Zudem könne es Ende Jahr zu einer weiteren Wertberichtigung von 175 Mio. Franken kommen.

Optimismus in Basel

Beide Unternehmen sind optimistisch, was den Ausblick für das laufende Jahr betrifft.

Auch scheint sich Roche Novartis insofern weiter anzunähern, als dass sich das Unternehmen zunehmend transparenter und kommunikativer nach aussen gibt.

Obwohl beide Unternehmen über 11 Mrd. Franken in der “Kriegs-Kasse” haben, scheinen sie in naher Zukunft keine weiteren Akquisitionen zu beabsichtigen. Stattdessen seien vielmehr Kooperationen geplant.

Und: Ob und wann sich die zwei Unternehmen zusammentun werden, bleibt weiterhin Grund für Spekulationen. In diesem Jahr wird wohl keine Fusion stattfinden.

swissinfo, Elvira Wiegers

Roche und Novartis präsentierten solide Halbjahreszahlen.

Roche scheint ihre Durstrecke überwunden zu haben und schliesst wieder zur Basler Konkurrentin auf.

Allerdings ist Novartis immer noch profitabler.

Dafür ist die Produktepipeline (neue Medikamente) von Roche spannender.

Beide Unternehmen streben zur Zeit keine Fusion an.

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