
Bern ehrt erbitterten Feind

Karl der Kühne steht im Fokus einer umfangreichen Ausstellung im Historischen Museum Bern - der Herzog, der sich geschworen hatte, die "brutalen" Eidgenossen zu vernichten. Mit diesem Feind hätte er sich allerdings besser nicht eingelassen.
Jedes deutschsprachige Kind in der Schweiz kennt den Spruch, dass Karl der Kühne «bei Grandson das Gut, bei Murten den Mut, bei Nancy das Blut» verloren hat.
Die Kostbarkeiten von Karl dem Kühnen, welche die Eidgenossen in den Schlachten von Grandson und Murten 1476 erbeutet haben, gehören zu den wertvollsten Kriegsbeuten der Geschichte. Die Tapisserien zählen noch immer zum Grundbestand der Sammlung des Historischen Museums Bern.
Vieles wurde aber verloren, zerstört oder eingeschmolzen. So ist es vielleicht nicht erstaunlich, dass Karl der Kühne die Eidgenossen als «brutal» bezeichnete.
«Die Schweiz hatte nie eine Hofkultur», sagt Kunsthistorikerin Elke Jezler vom Historischen Museum Bern gegenüber swissinfo.
«Viele der Soldaten hatten noch nie Silber gesehen und hielten es für Zinn.» Es gibt Geschichten über Bauern, die unbezahlbare Juwelen wegwarfen, weil sie diese mit farbigem Glas verwechselten.
«Die Schweizer betrachten Karl den Kühnen aus der Perspektive der Sieger. Burgund ist wegen seiner Beute bekannt, weniger wegen seiner kulturellen Errungenschaften.»
Imponiergehabe
Die Ausstellung will dies klarstellen. Burgund war vom kulturellen Standpunkt her gesehen im damaligen Europa einzigartig, und der Glanz von Karls Hof verzauberte auch seine Zeitgenossen.
Ein Höhepunkt der Ausstellung bilden die Exponate vom Treffen in Trier zwischen Karl dem Kühnen und dem römisch-deutschen Kaiser, Friedrich III. im Jahr 1473. Obwohl er nur ein Herzog war, wollte Karl, dass ihn Friedrich zum König machte – ein Ziel, das er nicht erreichen sollte.
Um zu imponieren, setzte Karl auf Prunk: Museumsbesucher können eine Rekonstruktion seines Throns bewundern, mit originalem Hintergrund und Thronhimmel, sowie wertvolles Tafelgeschirr und verzierte Textilien, das er zum Kaiser mitgebracht hatte.
Mit nach Trier nahm er auch eine Armee von 6000 Mann – und eine zahme Löwin. Für die Gewänder seiner Gefolgschaft soll er ein Vermögen ausgegeben haben.
Entwicklungen in der Kunst
Obwohl Karl der Kühne sich gerne in Szene setzte, war er ein gläubiger Mann und ein Meister der Künste, die unter seiner Herrschaft florierten. Einige der grossten Künstler dieser Zeit, so Hans Memling und Rogier van der Weyden, waren an seinem Hof tätig. Er gab zahlreiche Werke für sich selber und für die Kirche in Auftrag.
Es war aber nicht nur der Hof, der die Künste unterstützte. Auch die Städte und Privatpersonen spielten eine wichtige Rolle. Auch dies kommt in der Ausstellung zum Ausdruck.
Ein herausragendes Stück ist ein Altarretabel, gezeichnet von Memling für den reichen Kaufmann Willem Moreel von Brügge. Es zeigt Porträts von Moreel und dessen Familie. Der Hintergrund ist ein Meisterstück flämischer Landschaftsmalerei des 15. Jahrhundert.
«Er wollte zeigen, wie sich unterschiedliche künstlerische Genres und Kunstgeschmack gegenseitig beeinflussen», sagt Jezler. Gesten werden in Schnitzereien und Gemälden ähnlich wiedergegeben. Auf Stickereien und Teppichen sieht man fast identische Bilder.
Illuminierte Handschriften
Illuminierte Handschriften sind ein weiterer Höhepunkt burgundischer Kultur. Besucherinnen und Besucher können auf einem Bildschirm ein Faksimile von Karls Gebetsbuch durchblättern. Sie können aber auch das Original anschauen und Beispiele anderer auserlesener Gebetsbücher.
Der Anstoss für die Ausstellung in Bern kam vom Faksimile Verlag in Luzern, welche das Gebetsbuch Karls des Kühnen reproduziert hatte, das nun im Besitz des Getty Museums in Los Angeles ist. Der Verlag hatte dem Museum vorgeschlagen, das Faksimile doch zusammen mit den Tapisserien auszustellen.
Das Museum nahm die Idee auf und beschloss, weiterzugehen und zu versuchen, das Original auszuleihen. Die Verantwortlichen realisierten, dass die Besitzer eher einverstanden wären, wenn andere hochkarätige Leihgeber involviert würden.
So stellte das Museum in Bern zusammen, was es als «die bisher wichtigste Ausstellung über die Geschichte europäischer Kunst in der Schweiz» bezeichnet.
Karl der Kühne im Krieg
Karl verbrachte viel Zeit im Krieg, und diese Seite seiner Persönlichkeit ging auch in Bern nicht vergessen.
Ausgestellt sind Überreste von Waffen und Rüstungen, die auf Karls Schlachtfeldern ausgegraben worden waren. So auch am Murtensee, wo viele seiner Soldaten ertrunken waren, als sie von den siegreichen Eidgenossen verfolgt wurden.
Ein weiteres Prunkstück der Ausstellung ist ein riesiger Ritter auf einem Pferd, der ein Gewand trägt, das für Friedrich III. angefertigt worden war.
Die Familie des Herzogs, seine Persönlichkeit, seine Politik und sein fataler Zusammenstoss mit den Eidgenossen und deren Verbündeten – all das wird erklärt. Karten und Animationen führen den Besucher, die Besucherin durch die komplexe Geschichte des Burgunds.
Prächtige Gemälde, Skulpturen, Teppiche, Juwelen, Gold- und Silbertafeln, wunderbare Textilien, Waffen und Rüstungen widerspiegeln den wahren Glanz des Burgunds, das 1477 zusammenbrach.
«Es ist das erste Mal, dass all diese Objekte seit Karls Tod zusammen zu sehen sind», sagt Elke Jezler.
swissinfo, Julia Slater
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)
Karl der Kühne (1433-77) war der letzte Herzog von Burgund und einer der reichsten Fürsten Europas.
König Johann II. von Frankreich hatte 1363 das Herzogtum seinem jüngsten Sohn, Philipp dem Kühnen, übergeben. Philipp war Karls Urgrossvater.
Das ursprüngliche Burgund lag in Ostfrankreich, die Fürsten häuften mit der Zeit mehr Land an, vorallem durch Heiraten. Sie wurden Rivalen Frankreichs.
Karl der Kühne wollte sein zersplittertes Gebiet vereinen. Der heutige Nordwesten der Schweiz war ihm im Weg.
Karl hatte nur ein einziges Kind, Maria von Burgund. Er arrangierte ihre Hochzeit mit Maximilian, dem Sohn des Kaisers. Die Vermählung erfolgte nach seinem Tod.
Karl der Kühne unterlag in den Schlachten von Grandson und Murten 1476 dem Heer der Eidgenossen. In der Schlacht bei Nancy 1477 verlor er sein Leben.
Marias Sohn Philipp heiratete die Erbin des spanischen Throns. Das Haus Habsburg herrschte über Spanien bis 1700.
Die Ausstellung im Historischen Museum Bern dauert bis am 24. August 2008.
Sie zeigt Leihgaben aus renommierten Museen in Belgien, Österreich, den USA, Grossbritannien, Frankreich und der Schweiz.
Die Exponate werden auf Deutsch, Französisch und Englisch erläutert.
Rund um die Ausstellung finden verschiedene Veranstaltungen statt, so auch ein grosses Mittelalter-Spektakel vom 30. Juli – 10. August 2008.
Die Ausstellung ist 2009 auch im Groeningemuseum in Brügge, Belgien, zu sehen.

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