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Die Polizei – dein Freund und Helfer?

Polizei in Costa Rica: auch per Motorrad unterwegs. Melanie Fluri

Polizisten am Zeitunglesen, am Schwatzen, auf einem Bootsausflug oder beim "agua de pipa" trinken. Ich will die Polizisten in Costa Rica keineswegs in ein schlechtes Licht stellen, sondern lediglich ein paar Anekdoten schildern, die ich erlebt habe.

Als zwei Polizisten zum ersten Mal mit dem Dienstfahrzeug in Playa Hermosa vorfuhren, dachte ich, sie hätten eine amtliche Angelegenheit zu erledigen. Zu diesem Zeitpunkt war ich wohl noch sehr naiv.

Schnell fand ich nämlich heraus, dass die Staatsangestellten aus einem anderen Grund bei uns im Schildkröten-Refugio auftauchten: Sie hatten genug von Drogen, Prostitution und Kriminalität, die in Jacó zum Alltag gehören. Da fahren sie lieber eine halbe Stunde bis ans Ende der Strasse in Playa Hermosa, lesen gemütlich Zeitung und schwatzen mit den anwesenden Männern. Frauen wie ich werden nicht beachtet. Der Machismo lässt grüssen.

Die Polizei – dein Trinkgeselle

Eine andere Polizeieinheit ist per Motorrad unterwegs. Auch diese entflieht gerne dem Arbeitsalltag und stattet der Playa Hermosa einen Besuch ab. Allerdings auf eine andere Art und Weise als die oben genannten Ordnungshüter.

Diese hier kamen jeweils zu zweit oder zu dritt und verlangten von uns einen langen Bambusstab sowie eine Machete (Buschmesser). Damit ausgerüstet machten sie sich auf den Weg, um in Ruhe eine agua de pipa (Wasser einer jungen Kokosnuss) zu trinken. Der Blick auf Strand und Meer war wohl das Tüpfchen auf dem i, um die Arbeit zu vergessen.

Die Polizei – dein Ausflugspartner

Während mehreren Tagen hatten wir im Refugio beobachtet, dass etliche Männer illegalerweise bei der Flussmündung des Tulíns fischten. Sämtliche Zurufe oder Pfiffe blieben erfolglos. Die Täter profitierten von ihrer Stellung am gegenüberliegenden Flussufer. So verlangte der Administrator des Refugios eines Tages Verstärkung von drei Polizisten.

Hinter dem Refugio befindet sich der Bootssteg. Wir mussten bei Ebbe zur Flussmündung fahren, um nachher mit der steigenden Flut mit dem Strom flussaufwärts wieder zurückkehren zu können.

Zum Zeitpunkt des Einstiegs stand das Wasser des Flusses etwa zwei Meter tiefer als der Bootssteg, und das Bord war eine dicke Schlammschicht. An Lianen mussten wir uns abseilen, um in das Ruderboot zu gelangen.

Kaum im Boot installiert merkten wir, dass der Wasserstand zu tief war und das Vorwärtskommen ein Ding der Unmöglichkeit. So wateten ein Freiwilliger und ich durch Wasser und Schlamm zum Bootssteg zurück, um dem Strand entlang joggend zur Flussmündung zu gelangen.

Heikler gestaltete sich der Ausstieg aus dem Boot bei den Polizisten. Deren grösste Sorge war nämlich, dass ihre Arbeitskleidung inklusive Schuhe nass oder schmutzig werden könnte. So musste tatsächlich ein weiterer Freiwilliger einen Polizisten nach dem andern im Huckepack ans Ufer tragen. Auf einem Gang ist er samt Ladung ausgerutscht.

Die drei Polizisten fuhren anschliessend mit ihrem Pick-up durchs Dickicht an die Flussmündung. Ich dachte, die Fischer würden – durch die Polizeipräsenz eingeschüchtert – ihre Angelschnüre zusammenpacken. Doch nichts desgleichen passierte, im Gegenteil.

Um die Polizisten zu provozieren, gingen sie sich immer weiter vor. Sie wussten genau, dass die Polizisten sich aufgrund der vielen Krokodile nicht ins Wasser wagen würden. Kaum war jedoch das Ruderboot in Sicht, packten sie ihre sieben Sachen und stoben davon.

Wir versuchten trotzdem, sie mit dem Boot zu verfolgen. Doch diese Aktion erwies sich als Ding der Unmöglichkeit. Sowohl den Polizisten als auch mir wird diese Flussinspektion als amüsanter Bootsausflug in Erinnerung bleiben.

Die Polizei – dein Helfer

Wie bereits erwähnt mögen die Ordnungshüter das Patrouillieren im Ort Jacó aus verschiedenen Gründen nicht. So beschlossen einige dieser Staatsangestellten kurzerhand, ihre Patrouillen auf den Strand zur Suche von Schildkröteneiern zu erweitern. Bis anhin war diese Einheit lediglich dafür verantwortlich, konfiszierte Eier der Eierdiebe ins Refugio zu bringen.

Letzte Saison jedoch tauchte das Dienstfahrzeug allnächtlich ein- bis dreimal auf, um uns die kostbare Ware abzugeben. Wir, meist kurz zuvor eingeschlafen, vergruben die Eier sorgfältig in der Brutstätte, dem so genannten Vivero.

Für allfällige Skeptiker: Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass die Schlüpfrate dieser Nester kaum bis gar nicht geringer ausfällt als bei denjenigen, die wir von den nächtlichen Patrouillen am Strand zurückbrachten.

Die Polizei – dein Beschützer

Wenn man nichtsahnend am helllichten Tag mit einem ortskundigen Freund durch die Hauptstadt San José spaziert und von zwei Polizisten angehalten wird, staunt man nicht schlecht. So erging es meiner Kollegin Magi und mir, als die Polizisten meinten, wir sollten unter keinen Umständen diesem “Tico” folgen.

Aufmerksam wurden die Polizisten wohl, weil unser Kollege in harschem Befehlston die Überquerung der stark befahrenen Strassen “organisierte”. Von unserem Lotsen verlangten die Staatsangestellten die ID und wollten wissen, wohin wir unterwegs seien. Zur Nationalbank, war die Antwort.

Dabei hat unser Begleiter wohl den Namen der Bank verwechselt, die in der entgegengesetzten Richtung lag. Ein weiteres Indiz für die Polizisten, um uns klarzumachen, dass wir besser mit ihnen statt mit unserem Freund weitergehen sollten.

Es war nicht einfach, die Ordnungshüter davon zu überzeugen, dass wir keine Entführungsopfer waren, sondern vorübergehend in der Wohnung dieses “Ticos” hausten.

Falls jemand auf die absurde Idee kommen sollte, die Polizisten in Costa Rica täten nichts: Hiermit wurde soeben bewiesen, dass sie zumindest europäische Touristinnen bestens beschützen.

Immer häufiger reisen auch junge Leute für längere Zeit ins Ausland, sei das zum Studieren, Forschen, für ein Stage oder zum Arbeiten.

Zu ihnen gehört auch Melanie Fluri, die zur Zeit in Costa Rica weilt. 

Bis im Sommer 2011 berichtet sie für swissinfo.ch über ihre Erfahrungen und Beobachtungen in Costa Rica.

Melanie Fluri ist 1985 geboren und von Beruf Primarlehrerin.

Von 2008-2010 arbeitete sie auf ihrem Beruf in Zuchwil, Kanton Solothurn.

Von Februar 2004 bis Oktober 2005 lebte sie in Costa Rica. Eigentlich kam sie nur für 5 Monate her, um einen Sozialeinsatz in einer Primarschule mit behinderten Kindern zu leisten.

Sie verlängerte ihren Aufenthalt jedoch und arbeitete unter anderem als Freiwillige für das Rote Kreuz und unterrichtete in einer Privatuniversität Englisch.

Seit Juli 2010 ist sie in Costa Rica wieder als Freiwillige in verschiedenen Projekten tätig: So arbeitet sie etwa auf einer Schildkrötenfarm, für kurze Zeit bei der Waldfeuerwehr.

 
Neben Deutsch spricht sie Spanisch, Französisch und Englisch.

Sie reist, fotografiert und liest gerne und mag Aktivitäten in der Natur.

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