Frauen entdecken die Fussball-Regeln
Wie manche Frau weiss, was ein Abseits ist? Im Hinblick auf die Euro 08 können sich Frauen in der Schweiz in Kursen zu Fussball-Expertinnen ausbilden lassen.
Wenn es um den schönsten Sport der Welt geht, schreien die Frauen an der Seite ihrer Männer oft einfach mit. Aufgrund der anstehenden Fussball-Europameisterschaft wollen sie nun aber auch die Spielregeln kennen. Klubs und Vereine bieten Crash-Kurse an, damit Frauen beim Fachsimpeln mit den Männern mithalten können.
«Männer kennen die Fussball-Regeln auch nicht bis ins letzte Detail. Sie schreien einfach etwas lauter», weiss Meta Berger, die einen dreistündigen Kurs bei der Klubschule Migros in Basel besucht hat.
«Dieser Kurs gab mir eine ausgezeichnete Grundlage, um das Spiel zu verstehen. Die Fussballspiele sind für mich viel interessanter geworden, und ich verfolge sie nun mit anderen Augen, besonders wenn der Schiedsrichter pfeift.»
Der Abendkurs «Fussballregelkunde für Frauen», Kostenpunkt 50 Franken, wurde von 13 Frauen und einem Mann besucht. Kursleiter war der Schiedsrichter-Instruktor Stephan Dünner, der in Basel und Bern unterrichtet. In Biel, Thun, Aarau und Olten geben seine Kollegen ihr Fachwissen weiter.
In den Kursunterlagen sind die 17 Fussball-Regeln erklärt, zudem dienen sie als Spickzettel, wenn es auf dem Spielfeld zu umstrittenen Szenen kommt. Erläutert werden die verschiedenen Spielsituationen für einen Elfmeter, Freistoss, Eckball und ein Foul und selbstverständlich die ganz wichtigen und vieldiskutierten Abseitsregeln.
Durchmischte Klassen
Die Frauen in Dünners Kurs sind zwischen 20 und 65 Jahre alt und stammen aus allen Schichten.
«Es ist eine willkommene Abwechslung, Frauen zu instruieren, denn 95% der Schiedsrichter, die ich ausbilde, sind Männer», so Dünner. «Meine Schülerinnen in der Migros-Klubschule sind motiviert, nehmen lebhaft am Unterricht teil und möchten mehr über Fussball erfahren.»
Viele der eifrigen Kursteilnehmerinnen wurden von ihrem Freund oder Ehemann zu einer Teilnahme ermuntert. Offenbar behagt ihnen der Gedanke, eine Frau zur Seite zu haben, die zu diesem bislang typischen Männerthema nun auch etwas zu sagen hat.
«Ich schaue mir jeweils die wichtigen WM- und EM-Spiele mit meinem Freund an. Künftig wird meine Aufgabe nicht mehr nur darin bestehen, ein kühles Bier aus dem Kühlschrank zu holen», sagt Michelle Jauslin, die den Migros-Kurs in Basel sehr hilfreich fand.
«Immer öfter besuchen auch Frauen Fussballspiele. Früher gingen wir hin, um Männer zu begutachten, heute, weil wir uns das Spiel ansehen wollen.»
Wachsendes Selbstvertrauen
Ausser den verschiedenen Schiedsrichter-Handzeichen eignen sich die Kursteilnehmerinnen allgemeines Fussballwissen an und kennen nun die Grösse des Spielfelds oder des Fussballtors. Zudem erfahren sie mehr über die Anfänge und die Geschichte des Fussballs. Wer weiss schon, dass Fussball ursprünglich aus China kommt?
Zur Einstimmung beginnt der Kurs mit einer typischen Fussballszene. Jede Teilnehmerin wählt und vertritt während des Kurses ein Land. Am beliebtesten ist gemäss Dünner Italien, es wird in sieben von zehn Fällen zuerst gewählt.
Dünner vermutet, dass die Abseitsregel am meisten Verwirrung stiftet. Die Frauen wollen aber auch mehr über die Bedeutung der gelben und roten Karte erfahren und wissen, was für Konsequenzen sie für einen Spieler hat, der sie erhält.
Es ist nicht einfach, die 17 Regeln und die vielen Ausnahmen in nur drei Stunden zu erklären, doch die Reaktionen der Frauen nach dem Kurs sind durchwegs positiv, und sie fühlen sich gewappnet für hitzige Fussball-Diskussionen mit den Männern. Dass letztere meist nicht zugeben, wenn sie etwas nicht wissen oder verstehen, gehört zu einem anderen Kapitel.
Grillabend
«Die Regeln sind nicht besonders schwierig», so Jauslin. «Die grosse Herauforderung besteht vielmehr darin, das ganze Geschen auf dem Spielfeld mitzukriegen. Ein wirklich schnelles Spiel muss man mit höchster Konzentration verfolgen.»
Nicht nur die Migros bietet Frauen die Möglichkeit, sich in die Geheimnisse des Fussballs einweihen zu lassen. Verschiedene Organisationen, vom Blindenzentrum Zürich bis zum Frauenverein von Grosshöchstetten im Kanton Bern, bereiten sich auf die EM 2008 vor und bieten Kurse an.
Die Frauengruppe organisiert mit dem lokalen Fussballklub eine Grillparty, an der ein Schiedsrichter-Profi die Fussballregeln erklären wird. Die Theorie wird gleich in die Praxis umgesetzt, da Mitglieder des Fussballklubs live auf dem Spielfeld die verschiedenen Situationen nachstellen werden.
Männer aufgepasst: Die Frauen kommen!
swissinfo, Claudia Spahr, Basel
(Übertragung aus dem Englischen: Caroline Flubacher)
Abseits (Offside) heisst: Beim Pass steht der ballannehmende Spieler vor allen gegnerischen Feldspielern. Wird dieser Spieler jedoch nicht angespielt, besteht kein Abseits.
Die Abseitsposition an sich ist also noch kein Regelverstoß. Ein solcher wird sie erst, wenn der im Abseits stehende Spieler aktiv in das Spielgeschehen eingreift. Als Eingriff gilt das Spielen/Berühren des Balles, das Beeinflussen eines Gegners in der aktuellen Spielsituation (z. B. Sichtbehinderung) und das Ziehen eines Vorteils aus der Abseitsstellung, wenn ein von Latte, Pfosten oder Gegner abprallender Ball gespielt wird.
Der angreifende Spieler begeht keine Regelübertretung, wenn seine Mannschaft einen Eckstoß, Einwurf oder Abstoß ausführt. Sobald aber der Ball danach von einem weiteren Mitspieler gespielt wird, kann der Angreifer sich wieder im Abseits befinden.
Bei einem Regelverstoß spricht man von Abseits, ansonsten liegt kein Abseits vor. Die alte Sprachregelung, in der von aktivem und passivem Abseits gesprochen wurde, entfällt.
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