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Grauzone Cannabis

Cannabisanbau ist eine gute Einnahmequelle - und oft Rettung für manch einen Bauern. Keystone Archive

Trotz Repression auf kantonaler Ebene geht die Schweiz in Sachen Cannabis den Weg der Entkriminalisierung. Im Inland unterstützt - im Ausland mit Skepsis beobachtet.

Um der gesellschaftlichen Realität Rechnung zu tragen (die Zahl der Cannabis-Konsumierenden wird auf etwa 500’000 geschätzt), will die Schweizer Regierung Cannabis-Konsum, Beschaffung und Anbau zum Eigengebrauch legalisieren.

Damit wird das Land jedoch nicht zum Paradies für Kiffer, denn die Schweiz steht mit der Liberalisierung des Cannabis-Konsums nicht alleine da. Wo sie eine Vorreiterrolle spielt, ist bei der Regelung von Anbau und Handel.

Genaue Regeln

Der Anbau von Drogenhanf bleibt strafbar, soll aber nicht mehr in allen Fällen verfolgt werden. Konkret nicht, wenn die Produkte keine erhöhten Gesundheits-Risiken bergen und nur in geringen Mengen an über 18-Jährige abgegeben werden.

In diesem Rahmen kann auch der gewerbsmässige Verkauf toleriert werden. Dabei darf jedoch die öffentliche Ordnung nicht gefährdet werden. Werbung für die Produkte ist verboten, und sie dürfen weder ein- noch ausgeführt werden. Damit trennt die Schweiz die Märkte für harte und weiche Drogen.

Als flankierende Massnahmen zur Legalisierung sollen gezielte Impulse im Bereich der Prävention gesetzt werden. Die Schweizer Drogenpolitik ist eine der liberalsten in ganz Europa. Sie basiert auf den vier Säulen Prävention, Repression, Therapie und Überlebenshilfe. Diese werden im revidierten Betäubungsmittel-Gesetz (BtmG) verankert und sind in der Schweiz breit gestützt.

Nicht banalisieren, aber auch nicht verbieten

International wird die Schweiz für ihre Drogenpolitik insgeheim bewundert. Immer häufiger erhalten Spezialisten Anfragen, reisen in der Welt herum, um das Schweizer Modell vorzustellen. Viele Länder streben zunehmend ausgewogene Ansätze bei Prävention und Schadensverminderung an.

Gesundheitsministerin Ruth Dreifuss betont immer wieder, sie wolle Cannabis nicht banalisieren. Es zeige sich jedoch, dass man die Jugend mit Repression allein nicht erreichen könne. In der Westschweiz, wo die Repression stark ist, wird gar mehr gekifft als in den anderen Landesteilen.

Die Repression basiert auf dem zur Zeit noch geltenden Gesetz aus dem Jahre 1951 und ist weit verbreitet. Noch vor 10 Tagen wurden in Zürich 30 kg Marihuana beschlagnahmt und sechs Personen verhaftet.

Vermehrt Repression

“In den letzten Monaten hat sich die Repression verstärkt”, beobachtet Andrea Demarmels, Jurist und Mitglied der Hanf-Koordination Schweiz. “Vielleicht wollen die kantonalen Behörden noch Zeichen setzen, bevor das Gesetz revidiert wird.”

Christian Buschan vom Bundesamt für Polizei bestreitet, dass die Anzahl der Eingriffe zugenommen hat. Die baldige Liberalisierung “macht Vielen, vor allem Konsumenten, Hoffnung”, doch in Realität bleibe der Verkauf verboten.

Regionale Unterschiede

Die Kompetenz für Massnahmen obliegt den Kantonen. Statistiken zeigen auf, dass vor allem in der Romandie das Gesetz restriktiv gehandhabt wird. Im Gegensatz zu Basel-Stadt, wo die Entkriminalisierung laut revidiertem BtmG bereits vorne weg genommen wurde. Hanfläden wurden Regeln vorgegeben: Halten sie sich daran, werden sie nicht behelligt.

In Bern hingegen werden vermehrt Razzien in Hanfläden durchgeführt. Ziel: Den illegalen Verkauf des getrockneten Krautes und den Hanftourismus bremsen. Vermehrt beobachten die Berner Behörden Konsumierende aus der Romandie oder dem grenznahen Ausland in Bern.

Ähnliche Erfahrungen macht das Tessin. Dort ist der Hanfanbau eine wichtige Einnahmequelle und der Handel über die Grenze zu Italien blüht. Der italienische Zoll hat die Kontrollen verschärft, doch die Konsumentinnen und Konsumenten sind erfinderisch und finden immer neue Wege, das Kraut zu schmuggeln.

Skepsis im Ausland

Regelmässige Kritikerin der Schweiz in Sachen Drogenpolitik ist der Internationale Suchtstoff-Kontrollrat (INCB), eine UNO-Behörde. Der Vorwurf: Die Schweiz halte die Konvention gegen Drogen aus dem Jahre 1961 nicht ein. Wie übrigens die Niederlande mit ihren Coffee-Shops auch nicht.

In einem Bericht vom Februar hält der Kontrollrat fest, dass die Gleichstellung von Cannabis mit Alkohol und Tabak ein “historischer Fehler” wäre. Würde die Schweiz ihr Gesetz ändern, so Herbert Schäpe, Sekretär des Kontrollrates, “wäre dies inakzeptabel, weil die Nachbarländer der Schweiz nicht denselben Weg gehen”.

Könnte die Schweiz ihre Nachbarn überzeugen, am selben Strick zu ziehen, könnte auch der Kontrollrat “vielleicht eine Änderung der Konvention in Betracht ziehen”, so Schäpe gegenüber swissinfo.

Weltweit hat der Konsum weicher Drogen zugenommen. Italien, Luxemburg, Portugal und Spanien haben den Eigenkonsum von Cannabis entkriminalisiert, Belgien überlegt sich den Schritt noch. England toleriert den Konsum, Besitz ist jedoch illegal.

swissinfo

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