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Keine Altersbeschränkung in der Politik

In der Mitgliedschaft politischer Behörden soll es laut Bundesrat keine Alterslimite geben. Keystone

Die Schweizer Regierung spricht sich gegen eine Alterslimite für Leute aus, die in Exekutiven oder Parlamenten aktiv sein wollen.

Diese Empfehlung folgt auf einen Entscheid der Berner Gemeinde Madiswil, die über 70-Jährige von politischen Ämtern hatte ausschliessen wollen.

Auch Senioren und Seniorinnen sollen politische Ämter bekleiden dürfen: Der Bundesrat erachtet Altersschranken für Mitglieder politischer Behörden (Exekutive und Legislative) als untauglich und verfassungsrechtlich fragwürdig. Er empfiehlt Kantonen und Gemeinden daher, auf diese “Seniorendiskriminierung” zu verzichten.

Madiswil als Auslöser

Ausgelöst worden war die Diskussion im Sommer 2002 durch die bernische Landgemeinde Madiswil, die für die Mitwirkung in den Gemeindeorganen eine Alterslimite von 70 Jahren eingeführt hatte. Nachdem der Entscheid bekannt geworden war, gab es landesweit Schlagzeilen.

Die Verfassungsmässigkeit der Alterslimite wurde in der Folge vom Schweizerischen Seniorenrat in Frage gestellt, was über die Gemeindegrenzen hinaus für hitzige Diskussionen gesorgt hatte. Im Sommer 2003 schaffte Madiswil die Alterschranke wieder ab.

Das Thema wurde auch vom eidgenössischen Parlament aufgegriffen: Mit einer zum Postulat umgewandelten Motion der freisinnigen Nationalrätin Christine Egerszegi forderte das Parlament vom Bundesrat einen Bericht zu diesem Problem.

Der Bundesrat schreibt nun in seinem am Mittwoch erschienenen Bericht, aus gesellschafts- und rechtspolitischer Sicht seien Altersschranken unnötig und untauglich. Seit 1880 sei die Lebenserwartung schliesslich von 42 auf 80 Jahre gestiegen. Das schweizerische Milizsystem lebe von der Bereitschaft aller, Aufgaben für das Gemeinwesen zu übernehmen.

Ehren- oder vollamtlich

Anfang 2003 hatte der Schweizerische Seniorenrat eine Tagung organisiert, bei der Fragen wie Altersdiskriminierung und politische Rechte der älteren Menschen im Zentrum standen. Die Rechtsprofessoren Markus Schefer und René Rhinow unterschieden in einem vom Seniorenrat in Auftrag gegebenen Gutachten bei den Grundrechten zwei Aspekte: Die Arbeit in Freizeit- und jene in Vollzeitämtern.

“Verfassungsrechtlich bedenklich ist laut diesem Gutachten der Ausschluss von älteren Menschen vor allem im Bereich Freizeitämter”, sagt Kurt Seifert, Pro Senectute Schweiz, gegenüber swissinfo.

“In der Medienmitteilung des Bundesrates wird darüber hinweggegangen und kein Unterschied gemacht zwischen Freizeit- und Vollzeitamt”, so Seifert weiter.

Der Pro Senectute-Sprecher begrüsst dies, denn “Alterslimiten sind ganz allgemein untauglich. Wenn jemand mit 70 Jahren vollamtlich arbeiten kann und seine Wähler ihm das zutrauen, soll er das auch dürfen.”

Alterslimiten: Kantonal unterschiedlich angewendet

Die Regierung kann den Kantonen und Gemeinden nur empfehlen, keine Alterslimiten anzuwenden, verfügen kann sie es nicht. Denn auf Bundesebene kann die Frage der Alterschranke nicht pauschal für Kantons- und Gemeindebehörden geregelt werden, da dies der Organisationsautonomie widersprechen würde.

Eine vom Bundesrat veranlasste Umfrage ergab unter anderem, dass die vier Kantone Bern, Glarus, Appenzell-Innerrhoden und Appenzell-Ausserrhoden ein Höchstalter von 65 Jahren für die Wählbarkeit in die Kantonsregierung bzw. eine Alterslimite von 65 Jahren für das Ausscheiden aus dem Amt kennen.

Der Kanton Appenzell Innerrhoden beachtet in der Praxis ein Höchstalter und eine Alterslimite von 65 für kantonale Parlamentsabgeordnete.

In Gemeinden der drei Kantone Bern, Luzern und St. Gallen gibt es für hauptamtliche Mitglieder der Exekutive eine Alterslimite. Sie liegt je nach Gemeinde zwischen 64 und 74 Jahren.

In 17 Kantonen gibt es eine Alterslimite zwischen 64 und 75 Jahren für den Einsitz in aussenparlamentarische Kommissionen.

swissinfo und Agenturen

Alterslimiten werden in der Schweiz föderalistisch unterschiedlich angewendet.

Die Kantone Bern, Glarus, Appenzell-Innerrhoden und Appenzell-Ausserrhoden kennen ein Höchstalter für die Wählbarkeit in die Kantonsregierung bzw. eine Alterslimite für das Ausscheiden aus dem Amt.

Appenzell-Innerrhoden beachtet in der Praxis für das Kantons-Parlament ein Höchstalter und eine Alterslimite.

In Gemeinden der drei Kantone Bern, Luzern und St. Gallen gilt für hauptamtliche Exekutiv-Mitglieder eine Alterslimite.

In 17 Kantonen existieren Limiten für ausserparlamentarische Kommissionen.

Laut Bundesrat sind Altersschranken in Exekutive und Legislative untauglich und verfassungswidrig.

Der Bericht des Bundesrat geht auf die “Affäre Madiswil” im Jahre 2002 zurück.

Über 1,1 Mio. Einwohner und Einwohnerinnen der Schweiz sind nach offiziellen Angaben mehr als 65 Jahre alt.

Dieser Anteil hat sich seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts verdoppelt.

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