Keine Militarisierung der inneren Sicherheit
Die Gruppe "Schweiz ohne Armee" (GSoA) wehrt sich dagegen, dass die Armee vermehrt Polizei-Aufgaben übernehmen soll. Dies verletze die Verfassung.
Das Feindbild der Roten Armee werde heute vom Schwarzen Block abgelöst, um der Armee eine neue Legitimation zu verschaffen.
«Die zunehmende Militarisierung der inneren Sicherheit dient vor allem der Legitimation der Armee, welcher der Feind abhanden gekommen ist», sagte Nationalrat Josef Lang von der Zuger Sozialistisch-Grünen-Alternative (SGA) am Donnerstag in Bern.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) wirft dem Bundesrat vor, die innere Sicherheit zunehmend zu militarisieren. Damit verletze die Landesregierung die Verfassung.
Sieben Mal mehr Einsätze im Innern
Noch 1999 hätten die Verantwortlichen im Verteidigungs-Departement mit einem starken Ausbau der Auslandeinsätze gerechnet und deshalb einen völligen Rückzug aus der inneren Sicherheit erwogen, sagte Lang, der auch Mitglied des GSoA-Vorstandes ist.
Nun werde die Armee aber wieder vermehrt zur Bewachung von Botschaften, zur Sicherung der Grenzen oder zu privaten Veranstaltungen hinzugezogen. Laut Lang hat sich die Zahl der Einsätze seit 2001 versiebenfacht.
Anlass zu Kritik bot auch der Entscheid des Bundesrates von vergangener Woche, die traditionellen Verteidigungs-Kapazitäten der Armee zu Gunsten ziviler Einsätze zu reduzieren. Gleichzeitig wird ein Krisenstab für die innere Sicherheit ins Leben gerufen. Dieser soll die sicherheitspolitische Führung auf Bundesebene effizienter gestalten.
Gewaltentrennung gefährdet
Die GSoA und ein Teil der Kantone sehen darin weitere Schritte in Richtung Militarisierung der inneren Sicherheit und ein unerwünschtes Vordringen der Armee in polizeiliche Aufgaben.
Einsätze der Armee zur Unterstützung der zivilen Behörden wie der Polizei seien in der Verfassung nur ausserordentlich und subsidiär bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen vorgesehen, sagte Langs Parteikollege, der Zuger Sicherheitsdirektor Hanspeter Uster. Uster gehört der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren an.
Der dauerhafte Einsatz von Soldaten in normalen Situationen – wie etwa zur Bewachung von Botschaften – sei verfassungswidrig. Hinzu komme, dass die Soldaten für diese Aufgabe nicht ausreichend qualifiziert seien.
Diese Einschätzung wurde von einem ebenfalls anwesenden jungen Miliz-Soldaten bestätigt, der in Zürich eine diplomatische Vertretung bewachen sollte. Er als Informatiker fühle sich dieser Aufgabe auch nach einem einführenden «Crash-Kurs» nicht gewachsen.
Ähnliche Aufgaben wie die Botschaftsschützer im Wiederholungskurs müssen auch die 6500 Soldaten und Soldatinnen übernehmen, welche der Bundesrat zum Schutz des World Economic Forum (WEF) in Davos im Januar abkommandiert hat.
Neues Feindbild: Schwarzer Block statt Rote Armee
Offenbar müsse der Schwarze Block den «Platz ausfüllen, den früher die Rote Armee besetzt hat» sagte Lang. Für ihn verbinde sich die militärische Flucht nach vorn in die inneren Einsätze nämlich auch mit einer ideologischen Hetze gegen Andersdenkende.
So würden beispielsweise Kritiker des World Economic Forum (WEF) in die Nähe von Terroristen gerückt, um die Armee-Einsätze zusätzlich zu rechtfertigen.
«No Comment» beim VBS
Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) wollte gegenüber swissinfo die Kritik der GSoA nicht kommentieren.
swissinfo und Agenturen
Das World Economic Forum (WEF), eine private Veranstaltung, sollen nebst der Polizei 6500 Soldaten schützen.
Botschaften und Konsulate in Schweizer Städten werden seit längerem von Milizsoldaten bewacht.
Über 1000 Soldaten möchte die Armee-Führung permanent für die innere Sicherheit einsetzen.
Die Armee darf grundsätzlich keine Polizei-Aufgaben übernehmen – das fordert die Gewaltentrennung in der Verfassung.
Nur bei der «Abwehr schwerwiegender Gefahren» oder «zur Bewältigung ausserordentlicher Lagen» dürfen Soldaten die zivilen Behörden unterstützen.
In den letzten Jahren hat die Armee vermehrt Sicherheits-Aufgaben übernommen – beispielsweise am WEF in Davos oder am Rande des G8-Gipfels im französischen Evian.
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