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Kriegsverbrecher muss die Schweiz verlassen

Keystone

Ein Ruander, der in der Schweiz wegen Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Genozid in Ruanda eine mehrjährige Strafe im Zuchthaus abgesessen hat, muss das Land verlassen.

Das Bundesgericht hat dies kürzlich bestätigt. swissinfo sprach mit Philip Grant über den Fall. Er ist Präsident der Gesellschaft gegen Straflosigkeit (TRIAL), welche die Verfolgung schwerer Verbrechen fordert.

swissinfo: Ist die Bestätigung der Ausweisung des ruandischen Kriegsverbrechers durch das Bundesgericht ihrer Meinung nach korrekt? Hat man da eine gerechte Lösung gefunden?

Philip Grant: Wir sind nicht dafür, dass eine Person in ein Land ausgeschafft wird, wo sie riskiert, gefoltert oder zum Tode verurteilt zu werden.

Falls der Mann beweisen kann, dass er bei seiner Rückkehr verfolgt wird, wird der Entscheid zur Ausschaffung suspendiert, und er dürfte provisorisch in der Schweiz bleiben.

Falls für ihn kein Risiko besteht, scheint der Entscheid des Bundesgerichts korrekt. Es entspricht der gewohnten Praxis bei solch schweren Verbrechen.

Häufig wird jemand des Landes verwiesen, um die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden oder bei Rückfallgefahr, wenn sehr schwere Verbrechen in der Schweiz begangen worden sind.

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Bundesgericht

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Das Schweizerische Bundesgericht (BGer) in Lausanne wurde 1848 bei der Umwandlung der Schweiz in einen föderalistischen Bundesstaat errichtet. Bei der Totalrevision der Bundesverfassung 1874 wurde der Aufgabenkreis des Gerichts erweitert. Das Bundesgericht ist im Wesentlichen eine Rekursstelle, welche die Einhaltung des Bundesrechts überwachen muss. Das BGer prüft auch, ob die kantonalen Gesetzgebungen konform mit dem…

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swissinfo: Hier wurden die Verbrechen aber im Ausland begangen.

P.G.: Ja, aber man kann sich vorstellen, dass die Anwesenheit dieses Mannes in der Schweiz die öffentliche Ordnung weiterhin stören könnte, vor allem in Kreisen der Opfer des Genozids.

Und dass seine Anwesenheit, wie es die Freiburger Behörden bereits betont haben, ein schlechtes Bild auf die Schweiz werfen könnte als Land, das Kriegsverbrecher auf seinem Boden duldet.

swissinfo: Es war das erste Mal, dass ein nicht-ruandisches Gericht ein Verfahren mit einer Verurteilung beendete. Und nun die Ausweisung. Könnte dies zu einem Präzedenzfall werden?

P.G.: International werden sicher andere Länder folgen. In verschiedenen Ländern sind seither einige Personen verurteilt worden, wie in Belgien, wo mehrere im Gefängnis sitzen. Da wird sich die gleiche Frage stellen.

Was auch noch interessant ist: Die Schweiz ist im Zusammenhang mit Ruanda in einem anderen Fall ganz anders vorgegangen. Félicien Kabuga, der Hauptgeldgeber des Genozids, kam zwei, drei Monate vor dem Verurteilten in die Schweiz.

Statt ihn jedoch zu verhaften und zu verurteilen, wurde er gleich des Landes verwiesen. Seit August 1994 ist er dem internationalen Gerichtshof immer wieder entwischt.

Im Fall des ruandischen Bürgermeisters war die Schweiz konsequent und hat ihm den Prozess gemacht, bevor sie den Landesverweis ausgesprochen hat. Das war sowohl moralisch wie auch juristisch korrekt.

Die Genfer Konventionen verpflichten die Schweiz dazu, eine solche Person vor Gericht zu bringen.

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Genfer Konventionen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle sind das Herzstück der internationalen Menschenrechte. Sie schreiben die Behandlung von Zivilpersonen und Armeeangehörigen in Kriegszeiten und in besetzten Gebieten fest. Die Schweiz ist Depositärstaat der Konventionen. Henri Dunant, der Gründer des internationalen Komitees vom Roten Kreuz, stand am Beginn der ersten Konvention von 1864. Dabei ging es nur…

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swissinfo: Denken Sie, die Schweiz wollte damit ein Zeichen setzen um zu zeigen, dass sie Kriegsverbrechern kein Asyl gewährt?

P.G.: Das entspricht in etwa der aktuellen Tendenz. Man weiss, dass sich in der Schweiz eine gewisse Anzahl Personen aufhalten, die verfolgt werden könnten. Ich denke, die Behörden sind sich dessen bewusst und möchten diese Art von Prozess verhindern.

Darum sagen sie laut und deutlich, dass solche Menschen so schnell wie möglich ausgewiesen werden sollen. Das könnte eine gewisse präventive Wirkung haben.

Doch das reicht nicht. Wir sind dafür, dass solche Leute nicht Asyl und Zuflucht in der Schweiz erhalten. Doch falls sie sich trotzdem in der Schweiz aufhalten, dürfen die Behörden sie nicht gehen lassen.

swissinfo: Was fordert TRIAL?

P.G.: Den Willen der Strafverfolgungs-Behörden, diese Leute zu verfolgen, oder sie in ein Land auszuschaffen, das über sie richten wird. Man kann sie nicht einfach ausweisen und damit die Verantwortung im Kampf gegen Straflosigkeit abschieben.

Der Fall Kabuga ist vermutlich der Extremste. Die Schweiz hatte diesen Mann, vermutlich einer der drei oder vier Hauptverdächtigen des Genozids in Ruanda, und hat entschieden, ihn auszuweisen. Zwölf Jahre später ist er immer noch auf freiem Fuss, derzeit in Kenia. Es ist nicht sicher, ob er überhaupt einmal vor Gericht kommt.

Das war eine ganz schlimme Angelegenheit. Wie wenn Sie Mladic oder Karadzic im Land hätten, und diese ausweisen würden, statt zu verhaften. Das ist die Art von Persönlichkeit, welche die Schweiz hat ziehen lassen.

swissinfo: Also hat die Schweiz es diesmal besser gemacht?

P.G.: Alle sind sich einig, dass dieser Fall gut und gerecht durchgeführt wurde, und dass die Schweiz auf internationalem Niveau eine wichtige Rolle gespielt hat, um zu zeigen, dass es keine Straflosigkeit gibt.

swissinfo, Christian Raaflaub

Ein ruandischer Kriegsverbrecher muss die Schweiz für 15 Jahre verlassen. Das Bundesgericht hat dessen Ausweisung im September bestätigt, wie kürzlich bekannt geworden ist.

Der 42-jährige Hutu war 2000 vom Militärappellations-Gericht zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Nach Anrechnung von rund 4 Jahren Untersuchungshaft wurde er im Dezember 2005 bedingt entlassen.

Der frühere Bürgermeister des Dorfes Mushubati war 1994 geflüchtet und hatte mit seiner Familie in der Schweiz Asyl erhalten. Die Militärrichter hatten ihn für schuldig befunden, seine Untergebenen zu Massakern gegen Tutsis aufgerufen zu haben.

Der Fall war das erste Verfahren wegen des ruandischen Genozids, das vor einem nicht-ruandischen Gericht mit einer Verurteilung endete. Erstmals wurde damit eine Person vor einem Schweizer Gericht wegen Verletzung des humanitären Völkerrechts verurteilt.

“Track Impunity Always” ist die Schweizerische Gesellschaft gegen Straflosigkeit in Genf.

Sie versteht sich als Teil einer weltweiten Dynamik, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Verfolgung von schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzufordern.

Die Organisation bietet auf ihrer Website eine umfassende Datenbank mit über 400 verurteilten, verdächtigten und flüchtigen Kriegsverbrechern aus den verschiedensten Konflikten dieser Welt.

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