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Sorgentelefon hilft Kindern in Not

147 - die Nummer für den Liebeskummer nach der grossen, jungen Liebe. Keystone

Kinder und Jugendliche fühlen sich mit ihren Problemen oft allein - und finden nicht immer jemanden, der ihnen zuhört, sich ihrer Probleme annimmt.

In diese Lücke springt die Telefon-Hotline 147. Sie hört bei kleinen und grossen Problemen zu und gibt Rat, neu auch mit einem SMS-Dienst. Ein swissinfo-Beitrag zum Uno-Weltkindertag.

“Ich habe mit meinem Freund ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt, aber nicht während der fruchtbaren Tage. Jetzt habe ich so komische Bauchschmerzen. Kann es trotzdem sein, dass ich schwanger bin?”

“Ich (17) bin Albanerin und mein Vater ist sehr streng. Ich darf keinen Freund haben, keine schönen Kleider tragen, fast nie in den Ausgang. Nach seiner Meinung darf ich nur in die Schule gehen und muss sonst zu Hause bleiben. Dort muss ich entweder für die Schule arbeiten oder im Haushalt helfen. Ich bin doch keine Sklavin. Reden kann ich mit dem Vater nicht, er rastet immer gleich aus und wird jähzornig.”

“Könnte es sein, dass Amphetamine an meinen Pickeln im Gesicht schuld sind?”

Solche und andere Fragen möchten Kinder und Jugendliche rund um die Uhr vom Pro-Juventute-Telefondienst 147 beantwortet haben.

Leben und Tod

Immer wieder geht es auch um Leben und Tod. Junge Menschen, die als letzten Ausweg den Freitod sehen, suchen Trost und Rat bei den Beraterinnen und Beratern des Telefondienstes 147.

“Bei Suizidabsichten versuchen wir, ausführlich mit dem oder der Betroffenen zu sprechen. Wenn jemand anruft, zeigt dies, dass sie oder er noch nicht ganz aufgegeben hat”, erklärt Urs Kiener, Leiter des Telefondienstes 147 gegenüber swissinfo.

“Wir versuchen Abmachungen mit ihnen zu treffen, dass sie etwas Bestimmtes tun und dann zurückrufen. Für solche Fälle sind unsere Mitarbeitenden besonders geschult.”

Beschränkte Möglichkeiten

Die Betreuenden des Sorgentelefons versuchen die Beratungen in der Regel möglichst kurz zu halten, damit Zeit für andere Notfälle bleibt.

Pro Juventute bietet den Telefondienst 147 in drei regionalen Leitstellen (im Tessin, in der Romandie und der Deutschschweiz) rund um die Uhr an. “Im deutschsprachigen Landesteil verzeichnen wir fast 90 Prozent der Anrufe. Wir beschäftigen dort ein professionelles Team aus 18 teilzeitangestellten Mitarbeitenden”, sagt Kiener.

Triage

Zwischen 12.30 und 17 Uhr verzeichnet der Telefondienst die meisten Anrufe. Dann flacht der Andrang ein wenig ab; ab 18.30 bis 22 Uhr steigt die Zahl wieder an. Diesen Gegebenheiten passt der Telefondienst seine Arbeitszeiten an.

“Natürlich wissen wir, dass man grosse Probleme nicht innerhalb von drei bis vier Minuten lösen kann. In solchen Fällen versuchen wir, die Kinder und Jugendlichen an Fachstellen weiter zu vermitteln”, sagt Kiener.

“In Notfällen können wir zu rund einem Dutzend Institutionen in der Schweiz eine direkte Verbindung herstellen oder eine Konferenzschaltung mit dem Kind, der Organisation und dem Berater aufbauen.”

Pro Juventute führt eine so genannte “Triage-Datenbank” mit rund 1100 Organisationen, mit denen sie schweizweit zusammenarbeitet.

Anonymität

Wer den Telefondienst 147 wählt, dem gewährleistet Pro Juventute Anonymität.

“Kann aber ein Betreuer mit grosser Wahrscheinlichkeit sagen, dass es sich um einen Notfall handelt, um eine unmittelbare Bedrohung, dann haben wir sogar die Pflicht, die Polizei um eine Intervention zu bitten”, sagt Kiener.

Grosse Herausforderungen

Die Erfolgsgeschichte des Sorgentelefons ist seine grösste Herausforderung: 1999 wurden rund 18’000 Anrufe entgegengenommen, 2006 waren es 265’000 und in diesem Jahr werden es rund 280’000 sein.

“Angesichts der vielen Anrufe wird es immer schwieriger, eine unserer Kernaufgaben, den Notruf, zu erfüllen”, sagt Kiener. “Deshalb haben wir neu auch ein SMS-Angebot im Programm. Damit wollen wir Ratsuchende ansprechen, die auf eine Antwort ein, zwei Tage warten können. Damit gewinnen wir Zeit für Notfälle.”

Der Service 147 kann nicht direkt intervenieren, wie zum Beispiel die Polizei. Seine Instrumente sind Telefon, der neue SMS-Dienst und die Homepage. Auf der Homepage werden die meistgestellten Fragen und Antworten publiziert. Anrufende in der Warteschlaufe werden darauf hingewiesen.

“Wir wollen ein integrales Beratungsangebot bieten, die jeweiligen Fragen sollen mit den richtigen Instrumenten beantwortet werden”, sagt Kiener.

Aus diesem Grund hat Pro Juventute auch bei tschau.ch mitgearbeitet, einem Projekt, das E-Mail-Beratungen anbietet.

swissinfo, Etienne Strebel

Pro Juventute bietet den Telefondienst 147 seit 1999 an.
Budget: 2 Mio. Fr./Jahr
Finanzierung: Bund und Kantone (je ¼),
Rest: Pro Juventute (Spenden, Sponsoring)
Drei Standorte: Deutschschweiz, Westschweiz und Tessin

Die Uno feiert am 20. November den Weltkindertag. Es ist das Datum, an dem sie 1959 die Erklärung der Kinderrechte und 1989 die Konvention der Kinderrechte beschlossen hat.

Am Montag hat Jean Zermatten, Vize-Präsident des Uno-Komitees für Kinderrechte, das neue Schweizer Asylgesetz kritisiert. Er sagte, dass die Schweiz beim Recht auf Familienzusammenführung für Ausländer einen Vorbehalt mache, sei nicht im Einklang mit der Kinderrechtskonvention.

Die Staaten, die die Konvention unterzeichnet haben, werden regelmässig vom Uno-Komitee unter die Lupe genommen. 2009 ist die Schweiz an der Reihe. “Sie wird sich bestimmt an den Ohren ziehen lassen müssen”, sagte Zermatten.

Die Schweiz hatte die Konvention erst 1997 ratifiziert – als einer der letzte Staaten weltweit.

Seit 1920 ist in der Türkei der 23. April der “Tag des Kindes”. Kemal Atatürk, der erste Ministerpräsident der Türkei, widmete den Kindern diesen Tag unter dem Motto “Kinder von heute, Regierende von morgen”.

In Deutschland fand der Kindertag während des kalten Krieges in Ost und West zu verschiedenen Terminen statt (DDR: 1. Juni, BRD: 20. September).

In Indien feiert man am 14. November den Geburtstag Jawaharlal Nehrus als Kindertag.

Schweizerische Bundesverfassung, Artikel 11 Schutz der Kinder und Jugendlichen:

1. Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung.
2. Sie üben Ihre Rechte im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit aus.

Die Schweiz hat die Uno-Konvention über die Rechte des Kindes im Februar 1997 ratifiziert. Am 26. März 1997 trat diese für die Schweiz in Kraft.

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