Vom Los eines Schweizer TV-Kochs

Zwiebeln schneiden und Sprüche klopfen - so kam Andreas C. Studer zu seinem ersten Fernsehjob. Heute gehört der Schweizer und Wahlberliner zu den erfolgreichsten und beliebtesten TV-Köchen im deutschsprachigen Raum.
Selbst Profiköche, die auf pochierten Seeteufel schwören, essen manchmal Currywurst. Andreas C. Studer bestellt sich seine mit Darm, viel Ketchup und einer Portion Pommes. Mit dem kleinen Pappkarton in der Hand stellt sich Studi, wie er als TV-Koch heisst, an einen der freien Stehtische.
Über ihm rattert eine U-Bahn auf dem Hochtrassee, links und rechts am Stehimbiss rauschen Autos vorbei. «Eigentlich esse ich lieber Fisch oder Gemüse. Die Berliner Küche ist mir zu deftig», sagt der 45-jährige Schweizer. All die Bouletten, Klöpse und Haxen – Studer schüttelt sich.
Doch eine Currywurst von Konopkes, das schmeckt sogar einem Gourmet ab und zu. Berlins legendäre Wurstbude unter dem U-Bahnbogen im Stadtteil Prenzlauer Berg lockt Touristen genauso an wie Einheimische und «Fast-Berliner».
Studer, er trägt raspelkurze Haare und Kinnbärtchen, lebt seit 16 Jahren in der deutschen Hauptstadt. «Berlin, das war Liebe auf den ersten Blick», sagt er. Kurz nach der Wende war der gebürtige Interlaker das erste Mal in Berlin – und fasziniert von der Aufbruchstimmung, die damals herrschte. «Berlin erfand sich neu, und das hat einen beflügelt, seine eigenen Träume zu verwirklichen.»
Aus 2000 Bewerbern auserwählt
Zu seinem Job als TV-Koch kam Studer indes mehr aus Zufall. Beim Zeitunglesen sei er damals über ein kleines Inserat gestolpert, erzählt er. Gesucht wurde ein Koch fürs Fernsehen, Studi bewarb sich mit einem Video. «Darin hackte ich ziemlich schnell Zwiebeln und klopfte dabei ein paar Sprüche.»
Die Mischung aus Witz, Charme und Können überzeugte – und der Schweizer wurde aus über 2000 Bewerbungen ausgewählt. Seit 1997 schwingt Studi den Kochlöffel für öffentlich-rechtliche und private Sender, unter anderem bei «Lanz kocht» und «Kocharena».
Fürs Schweizer Fernsehen hat der Sympathieträger über zehn Jahre die Koch- und Quizshow «al dente» moderiert, die bis heute zu den erfolgreichsten Kochsendungen gehört. Seit jeher dabei, wenn Studer in die Stuben flimmert, ist seine feuerrote «Dächlikappe», die er verkehrt herum mit dem Schild im Nacken trägt.
Gegen Einfallslosigkeit am Herd
«Easy cooking» nennt Studi seinen Kochstil: Einfache und trotzdem raffinierte Gerichte aus saisonalen, qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln, in kurzer Zeit zubereit. Zum Beispiel einen Rosmarin-Kartoffelstock: «Die Kartoffeln werden mit Rosmarin gekocht, was ihnen ein tolles Aroma verleiht. Ganz zum Schluss kommt noch fein gehackter frischer Rosmarin dazu», erklärt Studi.
Was der Küchenprofi nicht leiden kann, ist Einfallslosigkeit am Herd. In seiner wöchentlichen Kolumne in der Coop-Zeitung wettert Studi schon mal gegen die verbreitete Unsitte, jeden Teller mit Schörkeln von Balsamico-Crème zu verzieren. «Selbst vor Lachsravioli macht die braune Essigcrème keinen Halt», schimpft Studi, der lange in Mexiko gearbeitet hat, wo er seine Liebe zu Chili und Limetten entdeckte.
Vergangenes Jahr wurde Studer von den Deutschen zum attraktivsten TV-Koch gewählt. «Ich musste laut lachen, als ich das erfahren habe», sagt der Wahl-Berliner. Eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit gehöre zu seinem Job, so der Medienprofi. Ab und zu werde er auf der Strasse erkannt und angesprochen, «aber damit komme ich zurecht, den TV-Job habe ich mir ja ausgesucht». Zumal die Berliner sehr gelassen mit bekannten Gesichtern umgingen. «Sogar Frau Merkel kann ungestört im Restaurant essen.»
Das Pendeln zwischen der Schweiz und Berlin findet Studi spannend; in der Schweiz zu leben, kann er sich indes nicht mehr wirklich vorstellen. «Spätestens nach drei Wochen wird es mir in der Schweiz zu eng.»
Einkaufen geht Studer nach wie vor gern in seiner alten Heimat. Denn was die Qualität der Nahrungsmittel betreffe, sei die Schweiz ein Paradies, findet der Koch. Im Gegenzug seien Herr und Frau Schweizer auch bereit, für Essen tiefer ins Portemonnaie zu langen als viele Deutsche. «Es ist frustrierend, wenn die Leute mehr Geld für einen Liter Benzin ausgeben als für einen Liter Olivenöl.»
Rezepte für SBB-Reisende
Wie es schmeckt, wenn Studi hinter den Töpfen steht, davon können sich auch Schweizer Zugreisende überzeugen. Denn für die SBB hat er neue Rezepte kreiert. «Ein wenig moderner, etwas mehr Pfiff», sagt er. Auf der Menükarte stehen jetzt zum Beispiel eine Winterquiche mit Lauch und Speck, Tagliatelle mit Lachs und Safran oder ein handgemachter Christstollen.
Und wohin geht der Kochprofi am liebsten hin, wenn der Magen knurrt? Da gebe es in Berlin natürlich viele gute Adressen, so Studi. «Gerne koche ich auch zu Hause etwas.»
Von seinen Freunden werde er leider schon lange nicht mehr bekocht, bedauert er. «Die trauen sich nicht.» Das sei das Los eines jeden Profikochs: Sei man privat eingeladen, werde man garantiert früher oder später in die Küche gebeten, «um irgendwas zu retten, was gar nicht schiefgelaufen ist».
Kochen im Fernsehen hat eine lange Tradition. 1994 startete der deutsche Moderator Alfred Biolek mit «alfredissimo» die erste wirkliche Kochshow im deutschen Fernsehen.
Biolek und ein prominenter Gast bereiteten jeweils ein einfaches Gericht zu, das zum Nachkochen animieren sollte.
Zu den Markenzeichen der Sendung, die 2007 eingestellt wurde, gehörten laut Wikipedia die Weinprobe während des Kochens und Bioleks Standard-Küchentipps wie «Pfeffer nur aus der Mühle».
Heute gibt es zahllose Kochsendungen im Fernsehen. Zu den eher ausgefallenen Konzepten gehört «Hell’s Kitchen», in welcher der Luxemburger Koch Damien Klein in jeder Folge ein Menü vorstellt, das von einem Krimi oder einem Thriller inspiriert ist.
Der britische Starkoch Jamie Oliver wiederum setzt auf den pädagogischen Zeigefinger:
In der Sendereihe «Jamie’s School Dinners» zeigt er die schockierende Wahrheit über britische Schulküchen: Das schlecht ausgebildete Personal muss mit einem extrem kleinem Budget auskommen und in heruntergekommenen Kantinen das Schulessen meist nur noch aufwärmen, statt es selber zuzubereiten.
Bei «Wissenshunger» wiederum erfahren die Zuschauer, woher Lebensmittel kommen und wie sie verarbeitet werden. Die Reporter schauen sich in Grossküchen und Fabriken um und sprechen mit Wissenschaftlern und Medizinern.

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