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Nachhaltige Entwicklung und die Rolle der Firmen

Ohne Wasser kein Leben. Trotzdem gehen die Menschen vor allem in industrialisierten Ländern verschwenderisch damit um. © Thomas Kern/swissinfo

Soll Wasser eine Ware sein oder ein grundlegendes Menschenrecht, haben wir eine Wasserkrise und was muss dagegen unternommen werden? Mit diesen Fragen befasste sich ein von Nestlé, dem UNO-Büro für Partnerschaften und der Schweizer UNO-Mission in New York organisiertes Forum.

Ohne Wasser gibt es kein Leben. Aber die Menschen vor allem in westlichen Ländern verbrauchen zu viel Wasser, insbesondere zur Produktion von Nahrung.

Rund 90% des weltweiten Wasserverbrauchs entfallen auf die Landwirtschaft. Mit effizienterer Bewässerung liesse sich der Frischwasserverbrauch schätzungsweise um etwa die Hälfte reduzieren.

Bei den Diskussionen, an denen Fachleute aus der ganzen Welt teilnahmen, ging es neben dem Wasser im weiteren Sinne um ländliche Entwicklung und Nahrungsmittelproduktion, und um die Frage, wie die Interessen privater Unternehmer zur Erreichung der Millenniumsziele der UNO genutzt werden können.

Alle stehen in der Pflicht

Der Schweizer UNO-Botschafter in New York, Peter Maurer, sagte, die globale Wirtschaftskrise habe in den letzten Monaten schmerzlich gezeigt, wohin unverantwortliches Handeln führen könne.

“Wir glauben, dass nicht nur die Regierungen eine Verantwortung haben, sich um die drängenden globalen Probleme zu kümmern, sondern auch private Unternehmen ihren Teil beitragen müssen.”

Wasser und ländliche Entwicklung seien ausschlaggebend zum Erreichen der Millenniums-Ziele der UNO. Partnerschaften zwischen Regierungen, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und dem Privatsektor seien wichtig, um innovative Lösungen für die globalen Probleme zu finden.

Maurer fand lobende Worte für die Bemühungen von Nestlé und anderen Unternehmen, die sich vermehrt für sozial verantwortliches Handeln einsetzten und so neue Verantwortung übernähmen.

Der Privatsektor dürfe aber nicht suggerieren, dass er alle Probleme lösen könnte und seinen Einsatz für das öffentliche Wohl auch nicht einfach zu billiger Werbung missbrauchen, sagte Maurer gegenüber swissinfo.

“Wenn wir die Millenniumsziele der UNO erreichen wollen, müssen alle mehr tun.” Das Forum biete eine Gelegenheit, unterschiedliche Verantwortlichkeiten und Gemeinsamkeiten weiter zu eruieren.

Fazit: Keine einfachen Antworten

Antworten auf die drängenden Fragen sind nicht einfach zu finden. Wasserprobleme müssten in erster Linie lokal und regional gelöst werden (Stichworte Dürren und Überschwemmungen), es gebe aber auch Bereiche, für die es globale Ansätze brauche.

Firmen seien nicht nur ihren Aktionären, sondern auch dem öffentlichen Wohl verpflichtet, wenn sie langfristig Erfolg haben wollten, erklärte Peter Brabeck-Letmathe, der Verwaltungsrats-Präsident von Nestlé. “Wir nennen dies gemeinsame Wertschöpfung und betrachten es als Kernprinzip unserer Geschäftsführung.”

Anhand von drei neuen Projekten in den Bereichen Wasser, Ernährung und Entwicklung ländlicher Gebiete skizzierte er das entsprechende Engagement des Nahrungsmittel-Multis.

Geht uns das Wasser vor dem Öl aus?

Seit einiger Zeit warnt Brabeck davor, das Wasser werde vor dem Erdöl ausgehen, wenn nicht viel sparsamer damit umgegangen werde. Wasserknappheit sei in vielen Regionen der Welt schon Realität.

Noch immer hätten viel zu viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser, Frauen in Entwicklungsländern müssten pro Tag bis zu sechs Stunden aufwenden, nur um zum lebensnotwendigen Wasser zu kommen.

Sparen müsse man bei der Landwirtschaft, angefangen mit effizienteren Bewässerungssystemen. Und die Industrie müsse ihre Produktionsprozesse verbessern, sagte Brabeck. Handlungsbedarf ortete er auch bei der Infrastruktur. In Industriestaaten versickerten 30 bis 40% des Leitungswassers, in Entwicklungsländern 70 bis 80 Prozent.

Weltweit bräuchte es pro Jahr schätzungsweise 1040 Milliarden Dollar, um die Wasser-Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Ausgegeben würden aber nur etwa 580 Millionen, erklärte Brabeck am Rande des Forums gegenüber swissinfo.

Eine Antwort auf die Herausforderungen sieht Brabeck darin, Wasser einen gerechten Preis zu geben. Dabei dürfe man politische und ethische Dimensionen nicht aus den Augen verlieren. So brauche es Ausnahmen für die Ärmsten.

Wasser sei ein Menschenrecht, jedem stünden täglich 25 Liter zu. Doch wer mehr verbrauche, sollte dafür entsprechend bezahlen.

Wenn das Wasser nicht als Gut geschätzt werde, das seinen Wert habe, werde es verschwendet. Brabeck war mit diesem Ansatz nicht allein, doch bei der Frage nach der Umsetzung gingen die Ansichten auseinander.

Milliarden ohne Wasser

Der Ökonom Jeffrey Sachs, der die UNO in Entwicklungsfragen berät, erklärte, man könne zwar über den Preis von Wasser reden, doch sei dies keine Lösung für die Ärmsten dieser Welt. Die Frage müsse lauten, “welchen Preis wir einem Menschenleben zumessen”.

Milliarden Menschen hätten kein Recht auf Wasser, auch wenn man es ihnen auf dem Papier zugestehe. “Der Hunger ist da, Milliarden Menschen haben kein oder nicht genug Wasser, die Grundwasser-Pegel sinken, die Weltbevölkerung wächst weiter.”

Nicht beherzter zu handeln, führe zu noch gravierenderen Entwicklungen. Schon heute seien wir Zeugen von Wasserkriegen, so in Darfur und Somalia.

swissinfo, Rita Emch, New York

10% des entnommenen Frischwassers entfallen auf Haushalte, 20% auf die Industrie, 70% kommen in der Landwirtschaft zum Einsatz.

Wenn man miteinbezieht, dass das Wasser gewisser Sektoren nach der Verwendung gereinigt und dem Wasserkreislauf wieder zugefügt wird, entfallen 90% des effektiven Verbrauchs auf die Landwirtschaft.

Um eine Kalorie aus Getreide zu gewinnen, braucht es etwa einen Liter Wasser, beim Fleisch sind es zehnmal mehr. Europäer und Amerikaner konsumieren pro Tag und Kopf bis zu 6000 Liter Wasser, in Entwicklungsländern sind diese Werte viel tiefer, da kaum Fleisch als Nahrung zur Verfügung steht.

Nestlé hat in seinen Betrieben die Wasserentnahme per Produkt-Tonne nach eigenen Angaben seit 1999 um 58% gesenkt. In den nächsten fünf Jahren sollen nochmals 10% eingespart werden.

Zur Produktion eines Liters Flaschenwasser, ein Konzernbereich, der immer wieder in der Kritik von Umweltschützern und anderen NGOs steht, braucht Nestlé nach eigenen Angaben heute noch 1,76 Liter Wasser, 26% weniger als 1999.

Der Anteil von abgefülltem Wasser am weltweiten Verbrauch liege bei 0,0009%.

Nestlé ist eines von über 5000 Unternehmen in 135 Staaten, die heute beim UNO-Global Compact mitmachen. Aus der Schweiz haben derzeit 58 Unternehmen den Pakt unterzeichnet, darunter weitere internationale Konzerne wie ABB, Credit Suisse, Holcim, Swiss Re und die UBS.

Der Global Compact, eine Partnerschaft von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, war 1999 am Weltwirtschaftsforum in Davos vom damaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan lanciert worden.

Die Initiative will die Wirtschaft zu verantwortlichem Handeln punkto Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit bewegen.

Um teilzunehmen, muss ein Unternehmen schriftlich erklären, sich freiwillig um die Einhaltung bestimmter sozialer und ökologischer Mindeststandards zu bemühen, die in zehn Prinzipien festgehalten werden.

Die Unternehmen müssen einmal pro Jahr in einem Bericht ihr Engagement ausführen. Wer diese Berichte nicht abgibt, wird aus dem Pakt ausgeschlossen. Andere Sanktionierungsmassnahmen gibt es nicht, es gibt keine rechtlich verbindlichen Vorgaben.
Verschiedene Nichtregierungs-Organisationen kritisieren daher die Engagements von Konzernen im Rahmen des Global Compact oft als Lippenbekenntnisse, mit denen Firmen ihr Image aufpolieren wollten.

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