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Neun Tage Schweiz für New Yorker Kids

Von der Bronx auf den Zürcher Uetliberg. swissinfo.ch

Während 9 Tagen besuchen 15 New Yorker Kids aus wenig begüterten Familien die Schweiz.

Auf sie wartet ein abwechslungsreiches aber traditionelles Besuchsprogramm durch das fremde Land im alten Europa.

Dass 15 Jugendliche aus dem tiefsten New York unverhofft zu einer Schweizerreise kamen, “verdanken” sie dem Swisspeaks-Kulturfestival, das noch bis Ende April im Big Apple über die Bühne geht.

Das Festival hat eine Partnerschaft mit dem amerikanischen “Fresh Air Fund” abgeschlossen. Der Fund ist eine gemeinnützige Organisation, die seit 1877 Ferienprogramme für Kinder aus der Grossstadt organisiert. Für einmal verliessen die Kinder nun die USA und reisten in die Schweiz “aufs Land”.

Bei Gastfamilien wohnen

Die Teenager sind alle im Raum Zürich bei Gastfamilien untergebracht. Dort müsse man der englischen Sprache mächtig sein, hiess es bei “Swiss Ping Pong”. Diese Organisation hat sich auf die Vermittlung von Auslandschweizer Jugendlichen spezialisiert, hat also Erfahrung mit Gastfamilien. Federführend für den Aufenthalt der Jugendlichen aus New York ist die ASO, die Auslandschweizer-Organisation in Bern.

Die Gastfamilien sind von den Jugendlichen aus New York begeistert. “Sie sind fröhlich, höflich, räumen alles weg. Sie sind sauber und bedanken sich für alles. Wir haben es toll zusammen”, sagten alle Familienmitglieder, welche mit den Jugendlichen auf den Ausflug zum Zürcher Hausberg, den “Uetliberg” kamen.

Da wo die Leute “ja,ja” sagen

Tom Morgenegg betreut die Aktion für die ASO. Er war früher in der Jugendarbeit einer Hilfsorganisation tätig. Das Reiseprogramm der jungen Leute aus New York ist happig. Bleibt da nicht etwas wenig Raum für Besinnung und Erholung?

“Wir wissen, dass das Besuchsprogramm nahrhaft ist”, sagt Morgenegg, “und deshalb ist für uns das Programm nicht allein massgebend. Wir sind flexibel”. Sollte es sich zeigen, dass weniger mehr ist, werde man auf einige Elemente verzichten.

Allein der Besuch auf dem Uetliberg zeigte, dass die Jugendlichen aus New York einiges gewohnt sind und wohl auch einiges verkraften können. Sie freuen sich auf all die Besuche im Land, erzählten sie swissinfo. Für sie ist die Schweiz ein Ort, wo alle immer “ja,ja” sagen würden.

Reise ist Weiterbildung

Das Reise-Programm wurde vom amerikanischen Fresh Air Fund so gewünscht. Bei der Organisation laufe der Besuch unter “Bildungsreise”.

“Die 15 Jugendlichen, die hier in der Schweiz sind, stammen alle aus armen Verhältnissen und die meisten auch aus zerrütteten Familien”, sagt Michael Clark, “Secondary schools coordinator”, von Fresh Air. “Die meisten wohnen in der Bronx oder im Stadtteil Queens.”

Der Fresh Air Fund betreut allein in New York rund 300 Kids und das drei Jahre lang. In regelmässig durchgeführten Camps werden die Jugendlichen auf die nicht einfache Zukuft vorbereitet.

“Die Erfolgsquote ist ausgezeichnet”, sagt Clark. Die meisten würden zu einem geregelten Leben finden, die Schule beenden und später auch einen Job finden. “Wir schauen, dass sie eine Ausbildung erhalten.”

Die Reise durch die Schweiz dient der Weiterbildung und auch dem zwischenmenschlichen Kontakt. Man kennt sich zwar aus New York, aus früheren Camps mit dem Fund. Doch so weit im Ausland, bei Gastfamilien, waren die Kids noch nie.

Imagepflege

Das Swisspeaks-Kulturfestival will noch bis Ende April den New Yorkern und New Yorkerinnen die Schweiz aus einer etwas anderen Seite als dem “Swiss Army Knife-Verständnis” näher bringen.

Ein ehrgeiziges Kulturprogramm zeigt das Alpenland als Zentrum der europäischen Avantgarde. Das reicht vom schizophrenen Outsiderkünstler Adolf Wölfli (1864 -1930) bis zu experimenteller Musik. Doch die folkloristische Alpenromantik wird nicht ganz aus dem Programm verbannt. Dafür ist das Schweizer Tourismusbüro zuständig.

Wenig beachtet

Das zwei Millionen Franken teure Schweizer Festival fiel in eine denkbar ungünstige Zeit. Lange Zeit war auch von Absage die Rede. Doch schliesslich entschied man sich, das Programm trotz des Irak-Krieg durchzuführen.

Die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit wurde in der 8-Millionen-Stadt allerdings nicht erreicht. Obwohl laut Generalkonsul Raymond Loretan “trotz widriger Umstände Akzente gesetzt wurden”, haben die New Yorker Medien das Festival weitgehend ignoriert.

Bundespräsident Pascal Couchepin war zur Eröffnung zwar kurz im Fernsehen zu sehen, wurde aber praktisch nur zur Situation in Irak befragt. Die “New York Times” berichtete bisher ein Mal über eine Veranstaltung, die andern Tageszeitungen brachten bestenfalls eine Vorschau.

Das kümmert unsere Schweizer-Reisenden wohl kaum. Zu Hause, da sind sie sich sicher, würden alle von ihrer unverhofften Reise berichten. Vom Uetliberg, vom Fondueplausch und von Luzern. Vom Schloss Thun und der Hauptstadt Bern, aber auch vom Rotkreuz-Museum in Genf.

Und wenn sie, ihre Herkunft lässt es vermuten, kaum je wieder in die Schweiz reisen können, hat es ihnen doch hier gut gefallen. “Eines ist mir sofort aufgefallen”, sagte ein Junge, “hier ist es verdammt ruhig und in der Nacht dunkel. Bei uns ist es nie so dunkel in der Nacht.”

swissinfo, Urs Maurer

Das Reiseprogramm der Jugendlichen aus New York

20.04. Ankunft in der Schweiz
21.04. Ruhetag (Family Day)
22.04. Family Morning und Wanderung vom Uetliberg
23.04. Luzern und Verkehrshaus. Am Abend Fondueplausch.
24.04. Zürich und Inlineskaten am See. Nachmittag mit Gastfamilie
25.04. Bern und Schloss Thun
26.04. Genf, Rotkreuz-Museum
27.04. Family Day
28.04. Rückreise nach New York

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