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Fünf Sozial- und Wirtschaftsthemen an der Urne

Das Schweizer Volk wird jedes Jahr bis zu vier Mal an die Urne gerufen, um über Sachthemen von nationaler Tragweite zu entscheiden. Keystone

Zweitwohnungen, Bausparen, Ferien, Glücksspiel und Buchpreisbindung – darüber stimmt das Schweizer Volk am Wochenende ab.

Nach einem Wahljahr wie 2011 bleibt traditionsgemäss eine Reihe von Vorlagen der eidgenössischen Politik pendent. So kommt es, dass an diesem Wochenende ganze fünf Vorlagen zur Abstimmung kommen.

Es ist die höchste Zahl an Abstimmungen seit dem Jahr 2008.

Trotz der Vielfalt der Themen dürfte die Stimmbeteiligung kaum 40 Prozent erreichen. Dabei geht es um Themen, welche die Stimmbürger direkt betreffen – von der Anzahl der Ferienwochen über die Einführung des steuerbegünstigten Bausparens bis zur Buchpreisbindung.

Keines dieser Themen vermochte aber im Vorfeld des Abstimmungssonntages wirklich tiefe Emotionen zu schüren. Einzig die Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!“ hat die Gemüter in den letzten Wochen erhitzt, doch die Debatte beschränkte sich im Wesentlichen auf die direkt betroffenen Tourismuskantone.

Ausverkauf der Landschaft

Die Initiative zur Beschränkung der Zweitwohnungen wurde vom Waadtländer Landschaftsschützer Franz Weber lanciert. Die Initiative schlägt ein maximales Limit von 20 Prozent an Zweitwohnungen für die Gemeinden vor. In rund einem Fünftel der Schweizer Gemeinden hätte  eine Annahme der Initiative einen sofortigen Baustopp für Zweitwohnungen zur Folge.

Mit der Initiative soll insbesondere der anhaltenden Verbauung der alpinen Landschaft ein Riegel geschoben werden. Die Notwendigkeit, die Zersiedelung  der Schweizer Landschaft zu stoppen, stösst in der ganzen Schweiz auf grossen Rückhalt. Es erstaunt daher nicht, dass die Initiative anfänglich nicht nur bei Grünen und Linken auf Sympathie stiess.

Doch die Erfolgschancen sind in den letzten Wochen geschrumpft. Wirtschaftskreise und Vertreter der Rechten haben ihre medialen Anstrengungen intensiviert, um die Zweitwohnungsinitiative zu bodigen. In ihren Augen ist die Initiative zu restriktiv und hätte insbesondere für Tourismusregionen mit ausgeprägter Bautätigkeit katastrophale wirtschaftliche Auswirkungen.

Leichter zum Eigenheim

Auch das zweite Abstimmungsthema betrifft den Wohnungsbau. Die» Volksinitiative für ein steuerlich begünstigtes Bausparen zum Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum“ verlangt Steuererleichterungen für Sparerträge, die für den Kauf eines Eigenheims oder die Finanzierung von baulichen Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen vorgesehen sind.

Dank dieser Volksinitiative soll insbesondere Personen des Mittelstandes der Zugang zum Wohneigentum erleichtert werden. In der Schweiz verfügen nur 40 Prozent der Einwohner über ein Eigenheim; das ist eine der geringsten Raten in Europa.

Die Initiative wird von der Linken und dem Mieterverband bekämpft. Ihrer Ansicht nach begünstigt die Initiative unnötigerweise eine bereits gut betuchte Einkommensschicht.

Mehr Ferien für alle

Sehr verlockend ist, zumindest im Grundsatz, die Initiative «6 Wochen Ferien für alle“. Die von der Gewerkschaft Travailsuisse lancierte Initiative wird von der Linken gestützt.

Gemäss Abstimmungstext müsste das gesetzliche Minimum an Ferien innerhalb von sechs Jahren  von den aktuellen 4 Wochen sukzessive auf 6 Wochen heraufgesetzt werden. Zurzeit gehört die Schweiz zu den Ländern mit der geringsten Anzahl an Ferientagen und der höchsten Wochenarbeitszeit.

Die Initianten sind überzeugt, dass längere Ferien helfen, den immer grösser werdenden Druck am Arbeitsplatz ausgleichen. Die Gegner sind der Ansicht, dass der Stress durch die Arbeit nicht verringert wird, aber die Kosten für die Arbeitskraft massiv ansteigen würden. Dadurch werde die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft bedroht.

Regeln für Geldspiele

Einzig der Bundesbeschluss über die Regelung der Geldspiele zugunsten gemeinnütziger Zwecke wird praktisch von allen Parteien unterstützt. Es geht um Regeln für Geldspiele – Spielbanken, Lotterien, Sportwetten – und eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen.

Der vom Parlament gut geheissene Vorschlag, der in groben Zügen am Status quo festhält, sieht vor, dass die Gewinne aus den Spielbanken der AHV/IV-Kasse zukommen, während die Erträge aus den Sportwetten für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden müssen. Einzig die Evangelische Partei spricht sich dagegen aus, weil ihrer Meinung nach zu wenig Mittel für die Bekämpfung von Spielsucht eingesetzt werden.

Umstrittene Buchpreisbindung

Viel kontroverser diskutiert wird die fünfte Abstimmungsvorlage, in der es um die Buchpreisbindung geht, welche von der FDP, der SVP und den Grossverteilern durch ein Referendum bekämpft wird.

Das Referendumskomitee ist der Ansicht, dass die Buchpreisbindung zu einer künstlichen Erhöhung der Buchpreise führt und eine inakzeptable Einmischung in den freien Markt darstellt.

Die Befürworter der Buchpreisbindung sind hingegen der Ansicht, dass auf diese Weise eine bessere Kontrolle der gegenüber dem Ausland zu hohen Buchpreise möglich ist. Ausserdem sieht man in der Buchpreisbindung einen Schutz für die kleinen Buchläden, die angeblich der aggressiven Politik der Grossteiler ausgesetzt sind.

Anlässlich der eidgenössischen Abstimmungen vom 11. März nimmt die Zahl der Kantone, welche eine elektronische Stimmabgabe anbieten, weiter zu:

12 Kantone bieten diese Möglichkeit einem Teil der Stimmbürger an.

In 10 Kantonen (Bern, Luzern, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Schaffhausen, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau) können nur Auslandschweizer das E-Voting nutzen.

In Genf und Neuenburg können auch Stimmbürger der jeweiligen Kantone von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

Insgesamt können inzwischen 122‘000 Stimmbürger die elektronische Stimmabgabe nutzen.

Dies entspricht 2,4 Prozent der Schweizer Wählerschaft.

Die Organisation der Auslandschweizer fordert seit Jahren mit Nachdruck eine schnellere Umsetzung des E-Voting.

Kürzlich wurde eine Petition lanciert, in der gefordert wird, das allgemeine elektronische Stimmrecht spätestens bei den Parlamentswahlen von 2015 einzuführen.

Neben den Parlamentswahlen, die alle vier Jahre stattfinden, wird das Schweizer Volks jedes Jahr bis zu vier Mal an die Urne gerufen, um über Sachthemen von nationaler Tragweite zu entscheiden.

Viele Kantone und Gemeinden nutzen diese Gelegenheit, um ihren Stimmbürgern auch Vorlagen von kantonaler beziehungsweise kommunaler Bedeutung vorzulegen.

Die Stimmbeteiligung bei eidgenössischen Abstimmungen betrug in den letzten 10 Jahren zwischen 27 und 58 Prozent.

An den eidgenössischen Abstimmungen können auch die Schweizer im Ausland teilnehmen.

Ende 2011 waren mehr als 143‘000 Auslandschweizer in den entsprechenden Stimmregistern eingetragen.

(Übertragen aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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