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Presseschau vom 20.09.2002

Die Schweizer Presslandschaft ist geprägt vom Rücktritt des CS-Group-Chefs Lukas Mühlemann.

Kommentiert wird der steile Aufstieg und der tiefe Fall des “Strahlemanns, Shootingstars und Sonnyboys”.

“Wer sich als überzeugter Vertreter des Shareholder-Value-Denkens exponiert und einen Rückgang des Aktienkurses von 86 Franken im Juli 1998 auf gestern noch 30 Franken hinnimmt, der hat – mit seinen eigenen Ellen gemessen – in der Chefetage nichts mehr verloren”,

folgert der TAGES ANZEIGER-Kommentator messerscharf. Aber nicht nur die Rolle als CS-Chef wird dem scheidenden Lukas Mühlemann angekreidet:

“Als langjähriger Verwaltungsrat der Swissair hat Mühlemann das grösste Debakel in der Schweizer Wirtschaft mitzuverantworten, und als Verwaltungsrat des argentinischen Banco general de Negocios, Seite an Seite mit Gehilfen der Militärdiktatur, liess er jegliches Fingerspitzengefühl vermissen.”

Den Kurswechsel in der Banker-Szene beschreibt die AARGAUER ZEITUNG wie folgt:

“Mühlemann ist als Quereinsteiger direkt in die Konzernleitung der CS-Gruppe geholt worden. Der McKinsey-Führungsmann galt als Stratege und Visionär. Im rauen Finanzmarktumfeld sind jetzt wieder die hemdsärmligeren Banker gefragt, die das Bankmetier von der Pike auf gelernt haben.”

Die BASLER ZEITUNG geht aber auch mit dem CS-Verwaltungsrat hart ins Gericht

“Das honorige Gremium hätte sich ja mit dem faktischen Eingeständnis, im Jahre 2000 vielleicht doch nicht den richtigen Mann als Nachfolger des früheren allmächtigen Gruppenchefs Rainer E. Gut eingesetzt zu haben, selber desavouiert.”

Zur Salamitaktik des Teilrückzugs allmächtiger Manager meint die BAZ:

“Schon bei Zurich Financial Services hatte sich im Frühjahr im Falle Rolf Hüppis gezeigt, dass die Finanzgemeinschaft, wenn sie sich, durch die auf Personality Stories scharfen Medien unterstützt, einmal auf eine Person als Urheber unguter Entwicklungen in einem Unternehmen eingeschossen hat, davon auch bei deren Teilverzicht auf ihre bisherige Machtfülle nicht mehr locker lässt.”

Die BERNER ZEITUNG fasst Mühlemanns CS-Karriere in einem kurzen Satz zusammen:

“Noch nie ist in der Schweizer Wirtschaft einer so schnell zum Strahlemann emporgelobt und dann zum Buhmann gestempelt worden.”

Nur gerade drei Worte braucht die Londoner FINANCIAL TIMES um den Fall Mühlemanns zu beschreiben: “Out of credit.”

Die BZ erstellt mit mehr Worten eine Auslegeordnung von Mühlemanns CS-Karriere:

“Nach einem glanzvollen Start mit starken Kurssteigerungen und schönen Gewinnzunahmen folgte eine beängstigende Reihe von Fehltritten inner- und ausserhalb der CSG: Milliardenverluste in Russland, Debakel bei der Swissair, (…) exorbitante Entlöhnung der Topmanager und Investmentbanker und so weiter.”

Von den Schwierigkeiten bei der Besetzung von Kaderstellen mit Schweizer Personal berichtet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:

“Die Besetzung des Verwaltungsratspräsidiums (…) durch Walter Kielholz wirft nicht nur ein Licht auf die dünne Personaldecke an der Spitze des (noch?) Allfinanzkonzerns. Sie ist auch Ausdruck der ungewöhnlichen Enge des Schweizer Marktes für wirtschaftliche Führungskräfte.”

Vorausschauend hat sich der BLICK bereits Gedanken gemacht, was Lukas Mühlemann nach seinem Ausscheiden so machen wird. Und er ist auch fündig geworden. Es geht: “Ab in die Liebesferien. Mit 20 Mio!”

Das Boulevard-Blatt weiss natürlich auch mit wem: “Jetzt macht der Workaholic, was ihm stets missfiel: grosse Ferien. In die langen Traumferien will Mühlemann gemeinsam mit seiner schönen, jungen Freundin Dorothea Egle.”

Die NEUE LUZERNER ZEITUNG weiss vom “entzauberten Wunderknaben”, wie sie ihn nennt,

“…dass der Abgang Mühlemanns der bisher teuerste bei einem Schweizer Unternehmen” werden wird”.

Die NLZ bezieht sich dabei auf Gerüchte, laut denen Mühlemann mit 20 bis 30 Mio. Franken abgefunden werden wird. Und dann, wenn er in den Ferien weilt, muss der neue Verwaltungsrats-Präsident Walter Kielholz die Ärmel hochkrempeln, schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:

“Damit die Credit Suisse das Vertrauen der Märkte zurückgewinnen kann, muss sie, wie Kielholz zu Recht betont, vor allem wieder gute operative Zahlen liefern.”

Die BERNER ZEITUNG fügt hinzu:

“Die erste Aufgabe Kielholz’ ist, die demotivierten CSG-Truppen wieder aufzubauen. Wunder darf man allerdings keine erwarten. Im garstigen Umfeld der Finanzmärkte wird der CSG nichts geschenkt.”

Arme Raubtiere…

Den Übergang von den Finanz-Haien zum Raubtier in freier Wildbahn macht das OLTNER TAGBLATT:

“Er vertrat schon immer das Böse und Falsche. Das zeigen die Märchen vom Rotkäppchen und von den sieben Geisslein. Der Wolf hat ein Image-Problem: Der mittelalterliche Volksglaube machte ihn zu einer Kreatur der Dämonen, ja des Teufels. Ein Schatten dieses Aberglaubens haftet ihm heute noch an, da er vielerorts ausgerottet ist.”

Das Parlament befasst sich zur Zeit damit, den Schutz, unter dem sich der Wolf befindet, aufzuheben. Das OT weiter:

“Das hat er davon, dass er ein Raubtier ist (…). Genau wie der Fuchs. Bloss: Füchse gibt es hierzulande zuhauf, Wölfe so gut wie keine. Deshalb sind sie auch geschützt. Und gibt es sie entgegen der guten Ordnung doch, wird ihr Schutz in Frage gestellt. Der Ständerat hat dies schon getan; nächstens ist die Meinung des Nationalrats gefragt. Sagt der ebenfalls Ja, muss künftig nicht mehr gewildert werden. Dann dürfen die bösen Wölfe mit dem Segen des Gesetzgebers offen gejagt werden.”

Etienne Strebel

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