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Prozess gegen Flavio Maspoli

Die Liste der Delikte reicht von einfachem und betrügerischem Konkurs über unterlassene Buchführung und ungetreue Geschäftsführung bis Dokumenten-Fälschung. Keystone Archive

Für die Konkurse einer Tageszeitung und zweier Firmen muss Nationalrat Maspoli vor Gericht. Denner-Gründer Karl Schweri ist am Finanzdebakel mitschuldig.

Der Tessiner Staatsanwalt Emanuele Stauffer teilte am Mittwoch mit, dass er Flavio Maspoli offiziell anklagt. Damit wird es zu einem Prozess vor dem Einzelrichter in Locarno kommen. Die Liste der Delikte reicht von einfachem und betrügerischem Konkurs über unterlassene Buchführung und ungetreue Geschäftsführung bis Dokumenten-Fälschung.

Akribische Untersuchungen des Staatsanwalts, mehr als 40 Zeugenverhöre sowie mehrere Hausdurchsuchungen, darunter bei der Denner AG in Zürich, führten zur Anklage.

Maspoli will für Fehler einstehen

Maspoli, der soeben die Präsidentschaft der Tessiner Bundesparlamentarier übernommen hat, erkärte auf Anfrage: “Ich werde mich dem Urteil des Gerichts stellen”. Er habe Fehler gemacht, dafür wolle er einstehen. Und: “Egal, was die Strafe sein wird, sie wird nicht schlimmer sein, als das, was ich die letzten Jahren durchgemacht habe, als ich schon als Betrüger abgestempelt wurde.” Dass er als Geschäftsmann untauglich sei, habe er aber eingesehen.

Jahrelanges Schlamassel

Diese Einsicht kommt spät, zu spät. Denn der schwergewichtige 51-jährige Nationalrat, der mit gesundheitlichen Problemen kämpft, ist mit seinen Aktivitäten in den neunziger Jahren in ein tiefes Schlamassel geraten.

Es begann mit der Tageszeitung “L’altra notizia”, die ihm 1995 als Sprungbrett für die Wahl in den Staatsrat dienen sollte. Doch das Rennen machte der smarte Konkurrent Marco Borradori. Maspoli blieben zwei Millionen Franken Schulden und die Wut vieler Journalisten, die seit Monaten auf ihre Löhne warteten. Sieben Jahre nach dem abrupten Ende der Zeitung muss Maspoli sich in dieser Geschichte für “einfachen Konkurs” verantworten.

Zusammenarbeit mit Schweri

Nicht besser liefen die Geschäfte nach 1995, als Maspoli mit der Denner AG zusammenarbeitete. Denner-Gründer Karl Schweri, der schon immer eine Ader für die Verbindung von Politik und Geschäft hatte, revanchierte sich für Hilfestellungen, die Maspoli ihm zuvor in der Zeitung gegeben hatte.

Politisch hatten die beiden das Heu sowieso auf der selben Bühne. So wurden viele Unterschriften des Lega-Referendums gegen die Blauhelmeinsätze in Denner-Filialen gesammelt. Denner vertraute Maspoli den Einkauf von Lebensmitteln aus Italien an und überliess dem ehemaligen Journalisten auch die Werbeaktivitäten. Maspoli gründete 1996 die Firma Deag für den Zwischenhandel von Produkten – vom Ketchup bis zum WC-Papier. Die Firma Medeag diente als Denner-PR-Agentur.

Die Geschäftsaktivitäten beider Firmen führten zu einem Debakel. Bei der Deag wurden Zwischenfirmen umgangen und Lieferanten nicht bezahlt. Das Loch erreichte mehr als fünf Millionen Franken. Der Konkurs erfolgte 1999, wurde allerdings kürzlich zugunsten eines Nachlassvertrags aufgehoben. Maspoli hat nach eigenen Angaben 500’000 Franken an Gläubiger bezahlt. In Bezug auf die Deag wirft ihm die Staatsanwaltschaft denn auch “nur” mangelhafte Geschäftsführung vor.

Anders im Fall der 2000 Pleite gegangenen Medeag AG. “Betrügerischer Konkurs” lautet hier der mutmassliche Straftatbestand, den Maspoli im Prozess widerlegen will: “Ich habe Fehler gemacht, aber nie absichtlich betrogen.” Mitverwickelt in den Fall ist die Denner AG Zürich und deren Gründer Karl Schweri, gegen den die Tessiner Staatsanwaltschaft im Oktober 2000 Voruntersuchungen eingeleitet hatte.

Keine parlamentarische Immunität

Gemäss Mitteilung von Staatsanwalt Stauffer ist Schweri teilweise für den Konkurs der beiden Gesellschaften Maspolis mitverantwortlich gewesen. Die Ermittlungen konzentrierten sich gar auf Betrug und unlauteren Wettbewerb, wurden aber durch den Tod Schweris hinfällig.

Eine Aufhebung der parlamentarischen Immunität kommt für Maspoli nicht in Betracht, da die begangenen Straftaten ausserhalb seiner Parlamentsaktivität erfolgten. Die entsprechenden Paragraphen kennt er offenbar nicht besonders gut: “Alle erhalten Immunität, nur ich nicht.” Fügte aber an, dass er ohnehin darauf verzichtet hätte, um sich dem Gericht zu stellen.

Gerhard Lob, Locarno

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