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Registrieren – oder sich verdächtig machen

Bei Razzien im Drogenmilieu beschlagen Ermittler immer wieder Handys. Keystone

Mehr als die Hälfte der Prepaid-Handy-Besitzer in der Schweiz hat sich noch nicht registrieren lassen, wie es die verschärften Massnahmen im Kampf gegen Terror und Drogen verlangen.

Die Angabe der persönlichen Daten, die bis Ende Monat erfolgt sein muss, scheint aber vor allem unnütz und teuer zu kommen.

Wer sein Handy mit einer Prepaid-Karte betreibt, muss sich bis zum 31. Oktober registrieren lassen. So haben es Regierung und Parlament beschlossen. Betroffen sind SIM-Karten, die nach dem 1. November 2002 in Betrieb genommen wurden. Immerhin 2,3 Mio. Stück die vor diesem Stichtag eingeschaltet wurden, müssen nicht registriert werden.

Wer nachher Prepaid-Kunde wurde, muss sich registrieren lassen. Doch nur drei Wochen vor Ablauf der Frist fehlen noch Zehntausende von Registrierungen. Allein bei Swisscom, dem grössten Mobilfunk-Anbieter, haben sich von rund einer halben Million Prepaid-Telefonierern erst rund 200’000 nachregistrieren lassen.

“Wir gingen davon aus, dass sich die Leute früher registrieren lassen würden”, sagt Pia Colombo, Swisscom-Sprecherin gegenüber swissinfo.

Darum kann man neu auch bei allen Poststellen in der Schweiz mit Pass oder Identitätskarte antraben und sich registrieren lassen. Zusammen mit den Poststellen könnten sich Kundinnen und Kunden nun an über 3000 Stellen registrieren lassen, ergänzt Colombo.

Die Swisscom-Konkurrenten Orange und Sunrise bieten diesen Service schon seit August an. Für diese beiden Unternehmen habe sie schon über 100’000 Registrierungen getätigt, teilte die Post mit.

Irgendwann wird das Handy abgestellt

Wer ein Prepaid-Handy hat, ist dem Mobilfunkanbieter nicht bekannt, weil er keinen Vertrag hat, sondern Guthaben vor dem Telefonieren an Automaten kauft. Von dieser Möglichkeit machen vor allem Personen Gebrauch, die wenig telefonieren oder das Handy nur für Notfälle haben.

“Man kann sich auch nach dem 31. Oktober weiter registrieren lassen”, sagt Orange-Sprecherin Marie-Claude Debons gegenüber swissinfo. “Aber wer sich noch nicht registriert hat, kann nicht mehr telefonieren, sondern wird ab Tonband aufgefordert, sich zu registrieren.”

Das ist auch bei Swisscom so: “Eine Zeit lang wird ein Tonband die Kunden auffordern, sich registrieren zu lassen.” Wie lange dies dauern wird, ist noch unklar: “Irgendwann müssen wir die Nummern freigeben”, sagt Colombo.

Die Registrierungs-Aktion kostet die drei Mobilfunkanbieter insgesamt zwischen 30 und 50 Mio. Franken.

Unmut über Registrierung

Doch die Aktion harzt gewaltig. Viele Prepaid-Kunden wissen nicht einmal, dass sie betroffen sind. Andere benützen ihr Handy selten und lesen keine Kurzmitteilungen (SMS). Die Registrierung stösst in der Schweiz auch auf Unmut, wie eine Umfrage im Boulevardblatt “Blick” zeigt.

“Diese Registration ist ein völliger Seich. Entweder müssten alle oder niemand”, regt sich ein Mann aus der Zentralschweiz auf. Ein Rentner hingegen hat ein praktisches Problem: “Ich bin 77 und nicht mehr gut zu Fuss. Können Sie mir das Formular für die Registration heimschicken?”

Das geht nicht. Wer sich registrieren lassen will, muss persönlich vorbeigehen. Vielen älteren Personen dürften die Tipps zur Registrierung im Internet ebenfalls wenig hilfreich sein.

Handy-Nachzügler überfordert

Weil im Informations-Dschungel der Durchblick fehlt, lassen sich sogar viele Personen registrieren, die gar nicht müssten, weil ihre SIM-Karte vor dem 1. November 2002 in Betrieb genommen wurde.

Hinter vorgehaltener Hand sprechen Mitarbeiter der drei Mobiltelefon-Gesellschaften mittlerweile von einem sich abzeichnenden Fiasko. Denn die betroffenen Kundinnen und Kunden gehören soziodemografisch zu den spät entwickelten Mobiltelefonierern, zu den Nachzüglern.

Asylbewerber dürfen sich nicht registrieren

Aber auch wer will, kann sich nicht immer registrieren und sein Handy legalisieren lassen: Asylbewerber, die bisher mit Prepaid-Karten telefonierten, weil sie keinen Vertrag abschliessen dürfen, können sich nicht registrieren lassen.

Die Ausweise von Asylbewerbern (N-Bewilligung) und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen (F-Bewilligung) genügen den gestellten Anforderungen nicht, weil sie nicht zum Grenzübertritt berechtigen.

Aus demselben Grund können Schweizer ihr Handy auch nicht mit einem Fahrausweis registrieren lassen. Unterdessen haben Unterstützergruppen begonnen, via Vertrauensleute Prepaid-Handys für Personen mit N- und F-Ausweisen zu registrieren.

Registrierung nützt nichts

Mit der Nachregistrierung sollte den Strafverfolgungs-Behörden ein wirksameres Vorgehen gegen Drogenhandel und Terrorismus ermöglicht werden.

Doch jetzt äussern sich sogar die Ermittler kritisch. “Die Registrierung der SIM-Karten von Prepaid-Handys bringt uns Strafverfolgern gar nichts”, sagte Beat Künzli, Staatsanwalt in Zürich, zuständig für Betäubungsmittel-Delikte und organisierte Kriminalität in der “Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag”.

Kriminelle könnten sich Handys besorgen, indem sie sich diese von Drogensüchtigen registrieren liessen. “Einen Täter überführen wir nicht, weil wir ihn als Inhaber eines Handys identifizieren können, sondern weil wir die Stimme wiedererkennen.”

Kaida-Terroristen telefonieren mit Swisscom

Die Massnahme – auf die noch die im vergangenen Dezember abgewählten Justizministerin Ruth Metzler gedrängt hatte – schaffte die Beratung im Parlament vor allem, weil bekannt wurde, dass Terroristen der Kaida Schweizer Prepaid-Handys benutzt hatten.

Hier erwartet die Bundesanwaltschaft immer noch einen Nutzen: “Die Registrierung gibt die Chance, Anknüpfungspunkte für konkrete Ermittlungen zu finden. Sie knüpft das Netz etwas enger, in dem sich potenzielle Straftäter verstricken können”, sagte Hansjürg Mark Wiedmer, Informationschef der Bundesanwaltschaft in der NZZaS.

swissinfo und Agenturen

Weniger als die Hälfte der betroffenen Kunden haben sich bisher registrieren lassen.

Alein von den 500’000 Swisscom-Prepaid-Kunden haben erst 200’000 den Gang zur Registrierung gemacht.

Die Post hat für Sunrise und Orange bisher mindestens 100’000 registriert.

Die Aktion kostet die Anbieter zwischen 30 und 50 Mio. Franken.

2,3 Mio. Prepaid-Handys müssen nicht registriert werden, weil sie vor November 2002 gekauft wurden.

Wer mit einer Prepaid-Karte telefoniert – also keinen Handy-Vertrag hat und Guthaben vorausbezahlt – muss sich bis am 31. Oktober persönlich registrieren lassen.

Nachher kann mit dem Handy nicht mehr telefoniert werden. Ein Tonband fordert zur Nachregistrierung auf.

Bisher haben aber nur rund ein Drittel der Prepaid-Kunden den Gang zur persönlichen Registrierung gemacht.

Die Massnahme wurde zur Bekämpfung von Terror und Drogenhandel eingeführt – dürfte aber wohl wenig Wirkung zeigen.

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