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Nationale Abstimmung vom 28. November 2021

Deutliches Ja in der Abstimmung zum Covid-Gesetz

Zertifikats-Check in einer Schule
Gegner:innen des Covid-19-Gesetzes stören sich vor allem am Covid-Zertifikat, das für den Zutritt einiger Veranstaltungen, Restaurants oder Museen benötigt wird. Keystone / Laurent Gillieron

Nach einem hitzigen Abstimmungskampf nehmen die Schweizer:innen das Covid-19-Gesetz mit einer deutlichen Zustimmung von 62% an. Damit bleibt die gesetzliche Grundlage für das Covid-Zertifikat bestehen.

Während die Fallzahlen ungebrochen in die Höhe steigen, Nachbarländer die Massnahmen verschärfen und eine neue Mutationen die Welt verunsichert, stimmt die Schweiz über die gesetzliche Grundlage des Covid-Zertifikats ab.

Es ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Schweizer Stimmbevölkerung über die Pandemiepolitik abstimmen darf: Im Juni sagten 60.2% Ja zur damaligen Version des Covid-19-Gesetzes, das den rechtlichen Rahmen für die finanziellen und gesundheitlichen Massnahmen der Regierung zur Pandemiebewältigung vorgibt.

Nun, fünf Monate später, spricht sich die Schweiz mit 62.0%-Ja-Stimmen noch deutlicher für das Covid-Gesetz aus.

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Die Stimmung im Abstimmungskampf war aufgeheizt. Besonders das Covid-Zertifikat, das im Juni noch nicht Teil der Abstimmung war, wurde hitzig diskutiert.

Die Kampagne gegen das Covid-19-Gesetz war im öffentlichen Raum mit lautstarken Demonstrationen, Bahnhofplakaten, Hauswurfsendungen und einer starken Präsenz in den sozialen Medien besonders auffällig. Die Befürworter:innen des Gesetzes hielten sich dagegen eher zurück.

Das Zertifikat ist ein Dokument in Papier- oder elektronischer Form, das belegt, dass die Person geimpft, genesen oder negativ getestet ist. Es muss vorgezeigt werden, wenn man z.B. ein Restaurant, ein Kino oder eine Grossveranstaltung betreten will. Private Veranstalter:innen oder Hochschulen können auch freiwillig entscheiden, den Zugang an ein Zertifikat zu knüpfen.

Neben dem Covid-Zertifikat regelt das aktuelle Covid-Gesetz weitere Punkte, so etwa die Verlängerung bestimmter finanzieller Hilfen für Unternehmen und Anlässe.

Nicht betroffen von der Vorlage sind dagegen die Impfkampagne oder die vom Bundesrat verhängten Massnahmen, obwohl sich das Referendum symbolisch gegen den gesamten Kurs des Bundesrats richtete. Der Bundesrat hätte beispielsweise auch bei einem Nein weiterhin eine Maskenpflicht in Innenräumen einführen oder Geschäfte schliessen können, wenn die epidemiologische Situation dies erfordert hätte.

Die gross angelegte Nein-Kampagne habe aber gleichzeitig auch die Gegenseite mobilisiert, welche die Mehrheit darstellt, sagt Politologe Lukas Golder gegenüber Fernsehen SRF. “Es sind mehr Leute, die nicht die SVP unterstützen, es sind mehr Leute, die der Regierung vertrauen, und es sind mehr Leute, die geimpft sind.”

Das sagen Befürworter:innen und Gegner:innen

“Das klare Resultat bedeutet, dass die Schweizer Bevölkerung sich nicht von Desinformation und Falschinformation leiten lässt, sondern von Fakten, Wissenschaft und Vernunft, und Vertrauen hat in die Massnahmen, die es jetzt einfach braucht, um das Virus zu bekämpfen”, sagt Peter Metzinger, Kampagnenleiter des Ja-Komittees, gegenüber SWI swissinfo.ch.

Alle grossen Parteien ausser der Schweizerischen Volkspartei (SVP) standen mit Parlament und Bundesrat hinter dem Gesetz. Gesundheitsminister Alain Berset sagt, die hohe Stimmbeteiligung zeige, dass die Pandemie die Bevölkerung stark beschäftige. Angesichts der neuen Virusvariante Omikron zeigt er sich besorgt: “Wir müssen aufpassen, dass wir die Situation unter Kontrolle behalten können.”

Zudem appelliert er an den Zusammenhalt: “Es gehört zur Schweiz, dass wir nach der Abstimmung die Entscheide akzeptieren und uns wieder zusammenraufen. Was nicht zur Schweiz gehört sind Wut, Hass und Drohungen.”

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Von den etablierten Parteien wehrte sich nur die SVP gegen das Gesetz. Angetrieben wurde der Protest jedoch von verschiedenen während der Pandemie entstandenen Bürger:innenbewegungen ohne eindeutige Parteizugehörigkeit.

Michelle Cailler, Sprecherin der “Freunde der Verfassung”, die das Referendum mitgetragen haben, betont, dass beinahe 40% der Schweizer:innen nicht mit der Corona-Politik zufrieden seien. Das müsse der Bundesrat in seinen zukünftigen Entscheidungen berücksichtigen.

Im Video sehen Sie die Reaktionen der Befürwortenden und den Gegner:innen:

Das Referendums-Komitee bleibt dabei, dass das Gesetz die Grundlage für Diskriminierung schaffe und in die Grundrechte der Bevölkerung eingreife.

Die SVP akzeptiert die Niederlage. Auch das Nein-Komitee akzeptiert das deutliche Resultat zähneknirschend. “Mass-Voll”, eine radikale Splittergruppe innerhalb der Gegnerschaft, von der sich das Nein-Komitee in den vergangenen Wochen distanziert hat, wählt dagegen einen in der Schweizer Politik beispiellosen Schritt: In einer Mitteilung erklärt sie die Abstimmung für “nicht legitim und für uns nicht bindend.”

Auf dem Bundesplatz bleibt es derweil ruhig, nur wenige Demonstrant:innen waren am frühen Nachmittag versammelt.

Das sagen die Medien

Die Massnahmen-Skeptiker:innen müssten nun zeigen, dass sie wirklich keine Spaltung wollen, kommentiert die Neue Zürcher ZeitungExterner Link (NZZ) das Resultat. Es sei ein klares Zeichen, dass die Schweizer Bevölkerung hinter der offiziellen Corona-Politik stehen. Die NZZ kritisiert die drastischen Diktaturvorwürfe, die aus dem Nein-Lager wiederholt zu hören waren.

Ein kurzer Triumph der VernunftExterner Link” titelt der Tages-Anzeiger. Eine klare Mehrheit des Schweizer Stimmvolks stehe hinter einer faktenbasierten und wissenschaftlich abgestützten Bekämpfung der Corona-Pandemie. Angesichts der explodierenden Fallzahlen und zunehmenden Spitaleintritte solle der Bundesrat nun schnell mit Booster-Impfungen und weiteren Massnahmen reagieren.

Auch der BlickExterner Link fordert nun entschlossenes Handeln des Bundesrats. Die Mehrheit der Geimpften hätten keine Lust mehr, sich für eine Minderheit Ungeimpfter einzuschränken. “Spätestens seit einem Jahr dürfte wirklich jeder wissen, dass die Pandemie allein durch konsequentes Impfen beendet werden kann.”

Wie geht es weiter?

Mit der Annahme des Covid-19-Gesetzes ändert sich nichts: Es bleibt in Kraft und mit ihm die gesetzliche Grundlage des Covid-Zertifikats. Die politische Diskussion über die Massnahmen wird trotzdem nicht abbrechen.

Das Nein-Komitee will sich auch in Zukunft gegen Verschärfungen der Covid-Massnahmen wehren. In welcher Form das sein soll, “werden wir Ihnen in den nächsten Tagen bekannt geben”, heisst es in einer Medienmitteilung. 

Die SVP plant für die kommenden Wochen zahlreiche Vorstösse im Parlament, um gegen die Covid-Politik des Bundesrates anzukämpfen.

Die Präsidentin der Jungsozialist:innen Ronja Jansen fordert auf Twitter derweil angesichts der steigenden Belastung der Spitäler durch Covid-Patient:innen griffige Massnahmen vom Bundesrat.

Ebenfalls abgestimmt wurde heute über die Pflegeinitiative und die Justizinitiative:

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