
Eigenmietwert: Soll die Schweiz dieses System abschaffen?

Wer in einem Eigenheim wohnt, muss dafür Steuern zahlen. Das Eigenmietwert-System ist komplex und bietet auch Möglichkeiten zur Steuervermeidung. Nun will das Parlament diesen Eigenmietwert abschaffen. Wir erklären die Abstimmungsvorlage vom 28. September.
Wie kam es zur Eigenmietwert-Abstimmung?
Am 28. September 2025 stimmt die Schweiz über die Abschaffung des Eigenmietwerts ab. Diese Abstimmung ist in einer anderslautenden Vorlage verpackt: In der Vorlage mit dem Namen Bundesbeschluss über kantonale Steuern auf ZweitliegenschaftenExterner Link.
Was nach einem falschen Etikett aussieht, hat seinen Grund im jahrelangen Weg, den die Abschaffung des Eigenmietwerts im Parlament genommen hat.
Denn die Abschaffung des Eigenmietwerts ist nur möglich, wenn diese neu vorgelegte Kantonssteuer angenommen wird.
Und das kam so: Zuletzt stemmten sich die Bergkantone im Parlament gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts. Ihr Motiv dabei: Wenn sie auf den Eigenmietwert von Zweitwohnungen eine Steuer erheben können, bringt ihnen das erhebliche Einnahmen. Schafft man den Eigenmietwert aber ab, verlieren sie diese.
Um die Bergkantone bei der Abschaffung des Eigenmietwerts mit ins Boot zu holen, wollte das Parlament ihnen die Möglichkeit geben, auf Zweitwohnungen in anderer Form Steuern zu erheben. Dafür ist eine Verfassungsänderung nötig, die eine eidgenössische Abstimmung erfordert.

So kam es, dass diese neue Steuer auf Ferienwohnungen und Ferienhäuser gleichzeitig zum Referendum über die vom Parlament beschlossene Abschaffung des Eigenmietwerts wurde. Sagen Volk und Stände Nein dazu, wird auch der angestrebte Systemwechsel verhindert. Sagen beide ja, tritt der Systemwechsel bei der WohneigentumsbesteuerungExterner Link in Kraft.
Kompliziert? Das war erst der Anfang.
Was ist der Eigenmietwert?
Der Eigenmietwert bildet die Grundlage für eine Steuer, die Immobilienbesitzer:innen auf selbst genutzte Häuser und Wohnungen bezahlen. Die Idee dahinter ist, dass zwischen Mietenden und Immobilienbesitzenden eine Balance herrschen soll.
Da Eigentümer:innen nämlich keine Miete zahlen, haben sie gegenüber Mieter:innen wirtschaftliche Vorteile. Diese Ungleichheit soll durch den Eigenmietwert ausgeglichen werden.
Zum Ausgleich legen die Kantone bei den Wohneigentümer:innen eine angenommene Jahresmiete fest und zählen diesen Betrag zum steuerbaren Einkommen der Besitzer hinzu. Der Eigenmietwert ist also ein „fiktives Einkommen”, das bei den Steuern anfällt und durchaus ins Gewicht fallen kann.
Die Höhe des Eigenmietwerts wird kantonal unterschiedlich festgelegt. Als Regel gilt: Dieser Wert soll mindestens 60 % des Betrags ausmachen, den Eigentümer:innen bei einer Vermietung ihrer Liegenschaft erzielen würden.
Was ist die Kritik am Eigenmietwert?
Vor allem bei Hauseigentümern ist der Eigenmietwert unbeliebt. Viele verstehen seinen Sinn nicht. Die Politik hat schon mehrere Anläufe unternommen, um dieses fiskalische Konstrukt abzuschaffen. Zuletzt scheiterte ein entsprechender Versuch 2012 an den Urnen mit 53 % Nein-Anteil.
Im aktuellen Tiefzinsumfeld belastet der Eigenmietwert die Eigenheimbesitzer stärker: Der festgesetzte Eigenmietwert bleibt bestehen, während die Zinskosten, die sich im Gegenzug von den Steuern abziehen lassen, geschrumpft sind. Eine aktuelle Analyse des BundesExterner Link schätzt darum, dass im gegenwärtigen Zinsumfeld rund 80 % der Eigenheimbesitzer von der Vorlage profitieren würden.
Den Hauseigentümern bietet das Eigenmietwert-System aber auch Anreize. Nebst den Schuldzinsen dürfen sie auch Aufwendungen für Renovationen und Unterhalt von den Steuern abziehen. Beides dient ihnen als Kompensation, und viele Eigentümer nutzen beide Möglichkeiten, um ihre Steuern zu optimieren.
Die Gegner:innen des Systems sehen darin jedoch auch einen Fehlanreiz. Denn das System des Eigenmietwerts belohnt das Aufnehmen und Behalten von Hypotheken. Das ist einer der Gründe, warum Schweizer Liegenschaften und Haushalte im internationalen Vergleich hoch verschuldet sind.

Mit der Abschaffung des Eigenmietwerts würden auch die Abzüge der Unterhaltskosten und der Schuldzinsen wegfallen. Das ist der Kompromiss, den das Parlament bei dieser Vorlage zustande brachte.
Im Systemwechsel ist ebenfalls eine Abfederung für Ersterwerber:innen enthalten, da die Hypothekarschuld unmittelbar nach dem Kauf am höchsten ist. Die Zinsen dafür sollen während zehn Jahren immer noch abgezogen werden können – in stufenweise kleiner werdendem Umfang.
Besonders betroffen sind Pensionierte, da das geltende System sie oft in eine Falle führt. Wer nach dem Wegfall von Berufseinkünften plötzlich von einer bescheidenen Rente leben muss, spürt die Steuer auf den Eigenmietwert besonders stark.
Zudem sind hohe Hypothekarschulden, für die es bis zur Pensionierung einen starken Anreiz gab, danach oft ein grosses Problem. Strenge Regeln zwingen die Banken nämlich dazu, Hypotheken nur dann zu erneuern, wenn diese durch ein Einkommen oder die Rente tragbar sind.
So kommt es, dass das Eigenheim vielen Menschen in der Schweiz im Alter zur Belastung wird. Von der Abschaffung des Eigenmietwerts würden Rentner gemäss Berechnungen des Bundes am meisten profitieren.
In der Politik befürworten vor allem die bürgerlichen Parteien SVP, Mitte und FDP einen Systemwechsel.
Was wollen die Gegner der Vorlage?
Zu den Anhängern des jetzigen Systems zählen vor allem SP und Grüne sowie der Mieterverband. Während die Mietenden das Ende einer funktionierenden Balance befürchten, argumentiert allen voran die SP mit dem drohenden Wegfall von Steuereinnahmen.

Diese Mindereinnahmen würden die Schweiz in einer Phase treffen, in der die Landesregierung mit einem grossen Sparpaket flächendeckende Kürzungen durchsetzen wolle, so die Partei.
Wie hoch das Minus an Steuereinnahmen für den Bund ausfallen würde, hängt stark von der Höhe der künftigen Hypothekarzinsen ab. Je höher diese in Zukunft sind, desto weniger fällt die Abschaffung des Eigenmietwerts bei den Steuereinnahmen von Bund und Kantonen ins Gewicht.
Die SP argumentiert in ihrer Kampagne, dass die Entlastung von «reichen Immobilienbesitzer:innen» die Schweiz 2 Milliarden Franken jährlich kosten würde. Sie geht dabei von einem Hypothekarzinsniveau zwischen 1% und 1.5% aus.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung schätzt die Auswirkungen des SystemwechselsExterner Link wie folgt ein: Bei einem Zinsniveau von bis zu knapp 3 % würden Bund und Kantone Einbussen hinnehmen müssen. Ab einem Zinsniveau von 3 % und mehr würde der Staat vom Wechsel profitieren. Zuzletzt lagen die zehnjährigen Festhypotheken in der Schweiz 2022 und 2023 über 3 Prozent.
Auch die Kantone stehen dem Systemwechsel skeptisch gegenüber. Zwar erhalten gerade die Bergkantone die Möglichkeit, die wegfallenden Steuern mit einer Steuer auf Zweitwohnungen zu kompensieren. Ob dies in den Kantonen politisch vollumfänglich umsetzbar sein wird, sei jedoch zweifelhaftExterner Link.
Auch die Banken sind gegen den Systemwechsel. Sie profitieren durch die steuerlichen Anreize auf Hypothekarschulden stark vom bisherigen System. Es ist Dünger für ihr Hypothekargeschäft.

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In der Wirtschaft ist man einer Änderung gegenüber gespalten. Einerseits belohnt das bisherige System Investitionen in Immobilien, wovon das Baugewerbe profitiert. Andererseits argumentiert der Hauseigentümerverband, dass Hausbesitzer nach einem Ende des Eigenmietwerts mehr Geld hätten, um ihre Liegenschaften in Schuss zu halten.
Was passiert nach einer Abschaffung des Eigenmietwerts?
Auch wenn die Vorlage anders heisst und es vordergründig „nur” um eine Steuer auf Zweitliegenschaften geht, bedeutet ein Ja dazu die landesweite und endgültige Abschaffung des Eigenmietwerts. Der Systemwechsel wird vollzogen. Nach einer Übergangsfrist von rund zwei Jahren würde das neue Regime in Kraft treten.
Offen bleibt, wie die Bergkantone mit der Kompensationsmöglichkeit umgehen werden. Sie dürfen dann eine Steuer auf Zweitwohnungen erheben. Dies wird in jedem Kanton einzeln angegangen und von den jeweiligen Regierungen und Parlamenten erarbeitet. Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden deshalb in den Bergkantonen noch Abstimmungen über eine Zweitwohnungssteuer folgen.
Was muss man sonst noch wissen?
Sie haben es vielleicht bemerkt. Die Sache ist nicht nur komplex, sondern auch verdreht. Wer den Eigenmietwert abschaffen will, muss an der Urne mit Ja stimmen. Wer den Eigenmietwert behalten möchte, stimmt mit Nein.
Parolen
Ja
Bundesrat, Nationalrat, Ständerat
SVP, FDP, Mitte, EVP
Gewerbeverband, Hauseigentümerverband
Nein
SP, Grüne
Kantonskonferenz, Mieterverband, Gebirgskantone
Editiert von Samuel Jaberg / Marc Leutenegger

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