«Debattieren in zackigem Tempo»

Der nationale Final des Projekts "Jugend debattiert" wurde von 56 Jugendlichen bestritten. Anhand aktueller und kontroverser Fragen stellten sie ihre Redekunst unter Beweis.
Unterteilt nach Sprache und Alter in jeweils zwei Kategorien, debattierten am Wochenende die Jugendlichen in der Aula des Campus Muristalden in Bern über Themen, die auch auf politischer Ebene Debatten auslösten: «Sollen Schülerinnen und Schüler für gute Noten finanziell belohnt werden?» oder «Soll am Gotthard eine zweite Röhre gebaut werden?»
In der Kategorie der 17- bis 20-Jährigen wird im Finale die Frage «Sollen Ausländerinnen und Ausländer bei der Einbürgerung ihren Nachnamen freiwillig «einschweizern» können?» diskutiert. Aus der deutschsprachigen Schweiz nehmen Julia Meier, Filip Winzap, Patrice Robin und Menga Keller teil.
Strukturierte und hitzige Debatte
Erst eine halbe Stunde vor Debattenbeginn erfahren die vier Finalisten, wer mit wem debattiert und ob man sich für die Pro- oder die Contra-Seite auszusprechen hat. Die Themen im Final wurden zwei Wochen im Voraus mitgeteilt. Notizen durften keine mitgenommen werden.
Der zeitliche Ablauf der Debatte ist für alle gleich und klar strukturiert. In der zweiminütigen Eröffnungsrede legt jeder der vier Teilnehmer seinen Standpunkt dar, wie etwa Patrice Robin von der Pro-Seite: «Ich bin klar dafür, dass Ausländerinnen und Ausländer ihren Namen einschweizern können, weil damit die Chancengleichheit gewährleistet wird.»
Nach der Eröffnungsrede ist das Feld während zwölf Minuten für die Debatte ohne Gesprächsleitung offen. Hier zeigen die Finalisten ihr ganzes Können in der Redekunst.
Argumente werden dargelegt. «Das Problem ist nicht der Name, sondern die Umwelt. Ein Nachname mit -ić am Ende ist nicht schlimm. Mit einer Namensänderung ist deshalb das Problem der Diskriminierung noch lange nicht gelöst», verteidigt Filip Winzap seinen Standpunkt.
Die Pro-Seite kontert sofort: «Gerade wegen ihrem Namen werden Ausländer diskriminiert! Bei einer Bewerbung zum Beispiel. Personen, deren Namen mit -ić enden, sind heute klar benachteiligt.»
Die Debatte wird hitzig. Die Jugendlichen fallen sich gegenseitig ins Wort. Antworten und Argumente kommen schnell. Einige Aussagen sorgen für Lacher beim Publikum: «Die Frisur kann man ja auch ändern: man schneidet oder färbt seine Haare. Wieso sollte man dann nicht auch den Namen ändern können?»
Mit einer kleinen Klingel wird die einminütige Schlussrunde eingeläutet. Die vier Teilnehmer schauen auf die Debatte zurück und unterstreichen noch einmal ihre Position.
Nicht die eigene Meinung vertreten
Nach der Final-Debatte zeigt sich Filip Winzap zufrieden mit seiner Leistung: «Ich konnte meine Argumente einigermassen plausibel rüber bringen. Gerne hätte ich mehr dazu gesagt, aber ich bin nicht immer zu Wort gekommen. Wir debattierten in zackigem Tempo.»
Er war auf der Contra-Seite, doch diese widerspiegelt nicht seine persönliche Meinung: «Ich muss zugeben, dass ich eigentlich auf der Pro-Seite bin. Aber es hat Spass gemacht, auch mal eine andere Meinung zu vertreten, was um einiges schwieriger ist.»
Der Zeitdruck war für ihn eine weitere Herausforderung: «Das macht einen zusätzlich nervös. Aber es ist gut, dass ein Zeitrahmen da ist. So verstrickt man sich nicht ins Unendliche.»
Knapper Entscheid der Jury
Eine dreiköpfige Jury beurteilt die Finalisten nach vorgegebenen Kriterien: Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft.
«Die vier Kriterien lassen sich nicht klar trennen», sagt Petrea Bürgin von der Jury. «Am schwierigsten zu bewerten ist die Überzeugungskraft, weil sie die drei anderen Kriterien mitbeinhaltet.»
«Zudem hängt die Eigenleistung auch sehr davon ab, was die anderen bringen», betont die Jurorin. Deshalb sei der Entscheid, wer die Debatte zur Namensänderung gewinnt, äusserst knapp ausgefallen, denn alle Redner seien sehr gut gewesen.
Überraschte Gewinnerin
«Eine Debatte kann man nicht gewinnen. Es geht vielmehr darum, dass alle zur breiten Beleuchtung eines Themas beitragen», erklärt Bürgin. Mit dem Wettbewerb, wo ein Sieger oder eine Siegerin von der Jury und vom Publikum gewählt wird, wolle man die Jugendlichen zum Debattieren anspornen.
Den Publikumspreis erhält Patrice Robin. Die höchste Punktezahl von der Jury erzielt die 18-jährige Menga Keller aus Rohr im Kanton Aargau.
«Ich war schon überrascht, dass ich bis ins Finale gekommen bin. Dass ich gewinne, daran habe ich noch weniger gedacht» erklärt sie sichtlich zufrieden nach der Siegerehrung.
Speziell vorbereitet habe sie sich nicht: «In der Schule hatten wir eine kurze Einführungsdebatte. Ich habe einige Informationen zu den Themen gesammelt. Und ich habe ganz auf meine Spontanität gehofft.»
Sandra Grizelj, swissinfo.ch
Das nationale Projekt «Jugend debattiert» der Stiftung Dialog wurde Ende 2005 mit einer Startveranstaltung im Bundeshaus lanciert.
Ziel von Jugend debattiert ist, dass möglichst viele Jugendliche das Debattieren lernen und Freude am spielerischen Meinungsaustausch bekommen. Damit soll die politische Bildung gefördert werden.
Für Schülerinnen und Schüler stehen Materialien zur Verfügung und für Lehrpersonen Begleithefte.
Das Projekt wird von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) sowie vom Bund und vielen Kantonen unterstützt.
Jugendliche aus der deutschen, französischen und italienischen Schweiz trafen sich zum Finale.
In fünfzehn regionalen Ausscheidungen haben sie sich dank guter rhetorischer Fähigkeiten für das Finale qualifiziert.
Im ersten offiziellen Schweizer Final haben 56 Jugendliche von 13 bis 20 Jahren teilgenommen.
Sie waren in zwei Kategorien eingeteilt: die erste für die 13 bis 16-Jährigen und die zweite für die 17 bis 20-Jährigen.

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