The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

IV-Revision – mehr Autonomie

Rollstuhlfahrerinnen verfolgen die Debatte der Grossen Kammer. Keystone

Die vierte IV-Revision bringt Behinderten Assistenz-Entschädigung. Hingegen werden die Zusatzrenten für Ehepartner gestrichen.

Behinderte Menschen sollen statt in Heimen vermehrt autonom zu Hause leben können. Der Nationalrat hat am Donnerstag mit der 4. Invalidenversicherungs-Revision auch eine Dreiviertel-Rente eingeführt, die eine feinere Rentenabstufung ermöglicht.

Der Systemwechsel, der Behinderten zu mehr Autonomie verhilft, das Prinzip der «Wiedereingliederung vor Rente», wurde allseits begrüsst. Mit dieser neuen Leistung sollen Behinderte vermehrt Pflege und Betreuung zu Hause finanzieren können.

Sparen ja, doch nicht um jeden Preis

Hauptziel der Revision ist jedoch die finanzielle Konsolidierung der defizitären IV. Weil die Revision nicht kostenneutral ist, zeigten sich Vertreter von Freisinn und Schweizerischer Volkspartei auch unzufrieden darüber.

Das Scheitern der letzten Revisionsvorlage in der Volksabstimmung vom 13. Juni 1999 habe den Bundesrat veranlasst, keine reine Sparvorlage mehr vorzulegen, erklärte der Sozialdemokrat Jost Gross von der vorberatenden Kommission. Ein gewisser Leistungsausbau stehe dabei keineswegs im Widerspruch mit den Sparzielen.

Für betreuungs- und pflegebedürftige Behinderte gibt es heute die Hilflosen-Entschädigung, Pflegebeiträge an Minderjährige und Hauspflegebeiträge. Dieses ebenso komplizierte wie lückenhafte System wird 2003 durch eine den Behinderten direkt ausbezahlte Assistenz-Entschädigung ersetzt, was die IV 162 Millionen kostet.

Auch für schwer behinderte Menschen

Für zu Hause lebende Behinderte beträgt die neue Entschädigung je nach Schwere der Behinderung 412, 1030 oder 1648 Franken im Monat, das heisst das Doppelte der heutigen Hilflosen-Entschädigung. Im Heim ist sie halb so hoch. Für Minderjährige gibt es einen Intensivpflege-Zuschlag. Anspruchsberechtigt sollen neu bis zu einem gewissen Grad auch Menschen mit einem psychischen Leiden sein.

Die von den Behindertenorganisationen gewünschte Erhöhung der Entschädigung lehnte der Rat ab. Eine neue Lösung fand er hingegen mit dem Beifall von Bundesrätin Ruth Dreifuss für sehr schwer behinderte Menschen, die im eigenen Haushalt leben wollen: Sie sollen Ergänzungsleistungen von bis zu 90’000 Franken im Jahr erhalten.

Dreiviertel-Rente eingeführt

Gespart wird dafür bei den Ehepartnern: Durch die Streichung der Zusatzrenten für sie werden längerfristig Einsparungen von jährlich 400 Millionen erwartet. Die Linke wehrte sich vergeblich gegen diesen Leistungsabbau.

Die eigentlichen IV-Renten werden feiner abgestuft. So soll neben der Viertels-, der halben und der ganzen Rente neu eine Dreiviertel-Rente eingeführt werden. Dies gegen den Willen von FDP und SVP.

Die bis Ende 2000 aufgelaufenen Schulden der IV von zwei Mrd. Franken sollen bis 2007 getilgt sein. Einerseits soll dies durch eine Geldspritze von 1,5 Mrd. Franken aus der überdotierten Erwerbsersatzordnung (EO) und anderseits durch eine vorübergehende Mehrwertsteuer-Erhöhung erreicht werden.

Der starken Zunahme der Rentenbezüger in den letzten Jahren soll mit der Schaffung regionaler ärztlicher Dienste begegnet werden, die für eine gesamtschweizerisch einheitliche und speditive Beurteilung der Gesuche sorgen sollen.

Ok, aber…

Pro Infirmis zeigte sich mit dem Resultat der Beratungen nicht zufrieden. Zwar sei die Einführung einer Assistenz-Entschädigung beschlossen worden, die Höhe dieser Entschädigung sei jedoch ungenügend, um die für ein Leben in den eigenen vier Wänden nötigen Mehrkosten entschädigen zu können, schreibt die Behinderten-Organisation. Als Schritt in die richtige Richtung bezeichnete Pro Infirmis die Einführung der Dreiviertel-Rente.

swissinfo und Agenturen

Mit der Schweiz verbunden

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft