Was bei Erbschaften über die Landesgrenze zu beachten ist
Für viele Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ist die Regelung ihres Erbes oder ein anzutretendes Erbe eine komplexe Herausforderung. Denn dabei spielt nicht nur das Vermögen eine Rolle. Es geht auch um Werte, Verantwortung und unterschiedliche Rechtsordnungen.
«Meine Generation erbt so viel wie keine Generation in der Menschheit vorher», sagt der Schweizer Filmemacher Simon Baumann.
Allein in der Schweiz sind die Erbschaften in den letzten 30 Jahren doppelt so stark gestiegen wie die Löhne. Sie werden gemäss Schätzungen der Universität LausanneExterner Link dieses Jahr voraussichtlich erstmals 100 Milliarden Franken erreichen.
Baumanns Eltern Stephanie und Ruedi waren beide einst für die Sozialdemokratische Partei respektive die Grünen im Nationalrat aktiv.
Nach ihrem Rückzug aus der Politik leben sie seit über 20 Jahren auf einem Bauernhof in Südwestfrankreich. Jetzt möchten sie ihr Erbe regeln.
Sohn Simon Baumann nahm dies zum Anlass, einen Dokumentarfilm über die verschiedenen Aspekte des Erbens zu drehen. Sein Film «Wir Erben»Externer Link gewann im März 2025 den Schweizer FilmpreisExterner Link in der Kategorie «bester Dokumentarfilm».
Da die beiden Söhne kein Interesse daran haben, den Hof in Frankreich zu übernehmen, stellen sich in der Familie viele Fragen rund um das Erbe.
Welche Punkte gilt es zu beachten, wenn Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ihr Erbe regeln wollen?
Wenn das Nachlassvermögen über Landesgrenzen hinweg verteilt ist, kommen zu den ohnehin schon oft sensiblen familiären und finanziellen Fragen noch rechtliche und steuerliche Stolpersteine hinzu.
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Für die über 800’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sowie für Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die in der Schweiz leben, bedeutet das: Wer seine Nachlassplanung frühzeitig und sorgfältig angeht, kann spätere Komplikationen für die Hinterbliebenen vermeiden.
Und Hindernisse gibt es viele, wie folgende Auflistung eines Lesers zeigt, der ganz offensichtlich seine mühseligen Erfahrungen bei einem Erbgang gemacht hat: «Der Zeitrahmen, in dem die Banken die Arbeit nach der Testamentseröffnung bearbeiten. Ständige Ansprüche auf Rückerstattung der Quellensteuer trotz eines Steuerabkommens zwischen der Schweiz und dem Wohnsitzland. Schwierigkeiten bei der Eröffnung und Führung eines Bankkontos in der Schweiz, wenn man ausserhalb der Europas lebt.»
Es ist kompliziert
Da hilft es bereits, wenn man nur schon weiss, wo die Informationen zu finden sind. Denn in der Schweiz gelten seit dem 1. Januar 2025 neue Regeln im internationalen ErbrechtExterner Link. Sie reagieren auf die zunehmenden internationalen Beziehungen von Personen und deren Nachlässen.
«Die Verbesserungen sind umso wichtiger, als sich immer mehr Menschen sowohl beruflich als auch privat in einem internationalen Kontext bewegen und deshalb auch die Zahl der internationalen Erbangelegenheiten gestiegen ist», schreibt die LandesregierungExterner Link in einer Mitteilung dazu.
Grundsätzlich gilt das Erbrecht des letzten gewöhnlichen Wohnsitzes der erblassenden Person, bei Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern also meistens das Recht des jeweiligen Wohnsitzstaats.
Mit der neuen Gesetzeslage ist es Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern sowie Personen mit doppelter Nationalität jedoch möglich, im Testament das Schweizer Erbrecht verbindlich als anwendbar zu erklären. Insgesamt betrifft das etwa 1,8 Millionen Menschen.
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Schweizer Erbrecht nicht in allen Ländern anwendbar
Dies kann Vorteile bei der Nachlassplanung bieten und Klarheit für die Erbinnen und Erben schaffen. Allerdings anerkennen nicht alle Länder diese Regelung. Deshalb sollte man sich als erblassende Person unbedingt bei den zuständigen Behörden des Wohnlands darüber informieren.
Wichtig zu wissen ist zudem, dass unter dem Schweizer Erbrecht das Pflichtteilrecht nicht umgangen werden kann: Pflichtteile zugunsten von Kindern und überlebenden Ehepartnerinnen und -partnern bleiben stets geschützt, wann immer nach Schweizer Recht verfahren wird.
Darüber hinaus kann das Erbrecht im Testament differenziert auf verschiedene Vermögenswerte angewendet werden. So unterliegen Immobilien in Frankreich beispielsweise zwingend dem französischen Recht.
In Italien scheint die Situation bei Immobilien etwas umständlicher, wie uns eine Leserin schreibt: «In einigen Provinzen der Regionen Friaul-Julisch Venetien und Trentino-Südtirol, einschliesslich der autonomen Provinzen Trient und Bozen, gilt für Immobilien das so genannte ‘Tavolare-System’. Dies macht die Erbfolge von Immobilien etwas komplizierter, so dass der bürokratische Prozess nicht nur beim Finanzamt (Nachlassamt und Grundbuchamt) wie im übrigen Italien abgewickelt wird, sondern man muss einen so genannten ‘Certificato di Eredità’ (Erbschein) beantragen, der vom Zivilgericht des Gebiets ausgestellt wird, in dem sich die betreffende Immobilie befindet.»
Das ist wohl nur eine von hunderten lokalen Spezialregelungen, die Erbschaften über die Landesgrenzen betreffen können.
Die Frage der Erbschaftssteuern
Neben der Wahl des anwendbaren Erbrechts ist die steuerliche Behandlung des Nachlasses von zentraler Bedeutung. Erbschaftsgut, das aus dem Ausland in die Schweiz eingeführt wird, ist bis zu einem Wert von 100’000 Franken in der Regel abgabenfrei.
Haben die Güter einen höheren Wert, ist eine Meldung bei der Schweizer ZollverwaltungExterner Link erforderlich. Diese erteilt dann eine Bewilligung zur Einfuhr.
Wie so vieles wird die Erbschaftssteuer in der Schweiz kantonal geregelt und bei Nachlässen im Ausland meistens im Wohnsitzstaat der verstorbenen Person erhoben. In der Schweiz muss die Erbschaft als Vermögen versteuert werden.
Dabei besteht ein hohes Risiko der Doppelbesteuerung, weil mehrere Staaten Steuern auf denselben Nachlass erheben könnten.
Die Schweiz hat nur wenige Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) im Bereich der Erbschaftssteuern abgeschlossen, beispielsweise mit DeutschlandExterner Link, ÖsterreichExterner Link, SchwedenExterner Link, den USAExterner Link und dem Vereinigten KönigreichExterner Link. Mit vielen anderen Ländern gibt es aber keine solchen Abkommen.
Frankreich hat ein bestehendes DBA von 1953 im Juni 2014 gekündigt. Seither muss jeder Fall einzeln verhandelt werden:
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Für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer wird offiziell empfohlen, das Testament bei einer Schweizer Vertretung (Botschaft oder Konsulat) zu hinterlegen. Eine mögliche Rechtswahl zugunsten des Schweizer Rechts sollte im letzten Willen klar formuliert werden.
Ältere Testamente oder Erbverträge sollten geprüft und nötigenfalls angepasst werden, weil die neuen internationalen Erbrechtsregeln von 2025 ab dem Todeszeitpunkt und nicht ab der Testamentserrichtung gelten.
Da die Materie äusserst komplex ist, wird in fast allen Fällen empfohlen, frühzeitig professionelle Hilfe in Sachen internationales Erbrecht in Anspruch zu nehmen. Dabei können die Schweizer Botschaften und Konsulate erste Auskünfte geben und Listen von lokalen Fachpersonen in diesem Bereich zur Verfügung stellen.
Denn wie Simon Baumann in seinem Dokumentarfilm zeigt: Ein Erbe beinhaltet weit mehr als nur Besitztümer – vererbt werden auch Lebensgeschichten, Hoffnungen und Verantwortung.
Editiert von Balz Rigendinger
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