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Beerdigt das Parlament die Schweizer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat?

Bild eines Saals mit einem runden Tisch in der Mitte.
Der UNO-Sicherheitsrat in New York setzt sich aus fünf ständigen Mitgliedern (USA, China, Russland, Frankreich, Grossbritannien) und zehn nicht-ständigen Mitgliedern zusammen. Letztere werden von der UNO-Generalversammlung jeweils für zwei Jahre gewählt. Keystone / Mary Altaffer

Seit 2011 wirbt die Schweiz auf dem diplomatischen Parkett für ihre Wahl in den UNO-Sicherheitsrat. Innenpolitischer Widerstand im Namen der Neutralität fand bisher wenig Gehör. Nun aber könnte sich das Blatt wenden.

2023 möchte die Schweiz für zwei Jahre einen der beiden nicht-ständigen Sitze innehaben, die Westeuropa im UNO-Sicherheitsrat zustehen. Entschieden hat das die Regierung (Bundesrat) vor rund acht Jahren, die Wahl in der UNO-Generalversammlung findet 2022 statt, die Chancen für die Schweiz stehen theoretisch nicht schlecht, einzige Mitbewerberin bis jetzt ist Malta.

Die kleine, neutrale Schweiz am Tisch der ganz grossen Weltpolitik? Der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) war das von Anfang an ein Dorn im Auge: Die Schweiz sei im Sicherheitsrat nicht an ihrem Platz, als neutrales Land dürfe sie nicht über Krieg und Frieden entscheiden, lautet das Hauptargument.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Dank ihrer Neutralität konnte sich die Schweiz aus vielen Kriegen heraushalten. Die heutige aktivere Neutralität wirft zuweilen Fragen auf.

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Die SVP versuchte, das Vorhaben im Parlament zu bekämpfen: Sie beantragte unter anderem, dass das Parlament über eine solche Kandidatur der Schweiz abstimmen müsse. Allerdings fand diese ForderungExterner Link 2013 keine politische Mehrheit.

Der Wind hat gedreht

Im Sommer 2018 bekam die SVP aber plötzlich Unterstützung. Schweizer Medien berichteten über zunehmende Kritik an den Plänen aus den Rängen der Mitteparteien. Eine Mehrheit der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen) sei dagegen und die Christdemokratische Partei (CVP) gespalten.

CVP-Präsident Gerhard Pfister gab in einem Gastbeitrag in der rechtskonservativen Wochenzeitung WeltwocheExterner Link anfangs Jahr zu bedenken, dass die Welt anders ausgesehen habe, als der Bundesrat die Kandidatur beschlossenExterner Link hatte: “Die USA, Russland und China setzen sich seither immer stärker über internationale Gremien und Vereinbarungen hinweg und kehren zurück zu einer Machtpolitik, wie sie die europäischen Staaten vor dem Ersten Weltkrieg betrieben haben. Der Sicherheitsrat wird zur Bühne einer neuen Grossmachtpolitik.”

Paul Widmer ist Alt-Botschafter und Lehrbeauftragter für internationale Beziehungen an der Universität St. Gallen. Auch er findet, dass das Parlament dem Bundesrat raten sollte, die Kandidatur zurückzuziehen. Die Schweiz solle sich mit dem begnügen, was ihre Stärke ausmache, “nämlich der Staatengemeinschaft mit ihrer Neutralität zu dienen”, schrieb er in der NZZ am SonntagExterner Link.

Aussage gegen Aussage

Keinen Widerspruch mit der Neutralitätspolitik sehen die Befürworter der Kandidatur. So argumentiert das Aussendepartement (EDAExterner Link), dass die Schweiz als neutrales Land “relativ unabhängig” sei und nach konsensorientierten Lösungen suchen könne. Schon heute müsse die Schweiz Entscheide des UNO-Sicherheitsrats mittragen, so Frank Grütter, Chef der Abteilung Vereinte Nationen und internationale Organisationen, in einem Beitrag vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), weiter. Mit einem Sitz könne die Schweiz diese Entscheide mitgestalten.

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Und auch der Bundesrat hält zur Neutralitätsfrage in einem vom Parlament angeforderten Bericht vom Sommer 2015Externer Link fest, dass “ein Sicherheitsmandat der Schweiz mit dem Neutralitätsrecht und mit der Neutralitätspolitik der Schweiz vollumfänglich vereinbar ist”.

SVP prescht nochmals vor

Nun will es die SVP noch einmal wissen: In einer neuen MotionExterner Link beauftragt sie den Bundesrat auf eine Kandidatur der Schweiz für den UNO-Sicherheitsrat “abschliessend” zu verzichten. Das Thema wird voraussichtlich am Donnerstag im Nationalrat behandelt. Und diesmal wird der Entscheid weniger deutlich ausfallen oder die Waage könnte gar kippen.

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