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Unhaltbare Zustände für minderjährige Häftlinge

Mit dem Gesetz in Konflikt geratene Jugendliche können oft nicht adäquat betreut werden. Ex-press

Das Bundesamt für Justiz (BJ) sorgt sich um die Lage von jugendlichen Untersuchungsgefangenen. Diese seien zu oft mit erwachsenen Häftlingen eingesperrt.

Laut einer Studie ist die Situation in der französischen Schweiz besonders arg. Dort kämen Minderjährige auch leichter in U-Haft als in der übrigen Schweiz.

Das BJ bemängelt in der im Internet veröffentlichten Studie besonders das Fehlen von speziellen Einrichtungen für Jugendliche.

Beunruhigend sei weiter, dass zwei Drittel der rund 1’000 Jugendlichen, die im Jahr 2005 in Untersuchungshaft sassen, in Gefängnissen untergebracht worden seien und dies, obwohl viele Gefängnisse weder baulich noch personell für die Betreuung von Minderjährigen ausgerüstet seien.

Gemäss dem BJ werden die in Sachen Untersuchungshaft verbindlicher formulierten Vorgaben im neuen Jugendstrafrecht nicht respektiert.

Als besonders alarmierend bezeichnet die Studie den Umstand, dass viele Minderjährige in U-Haft oder beim Verbüssen von Strafen mit erwachsenen Delinquenten in Kontakt kommen.

Sicherheit statt erzieherische Begleitung

Kritisiert wird aber auch die Betreuung in Gefängnissen. Während Jugendheime meist mit Sozialpädagogen arbeiteten, waren in den Gefängnissen fast ausschliesslich Sicherheitskräfte mit der Betreuung beauftragt.

Die Gefängnisse seien vor allem auf Sicherheit ausgerichtet, heisst es dazu. Minderjährige erhielten die nötige erzieherische Begleitung nicht. Der Unterschied zwischen Jugendheimen und Gefängnissen zeigte sich auch bei der Tagesstruktur.

Der tägliche Spaziergang wird meist gewährt. Arbeits-, Sport- und Freitzeitprogramme gibt es zwar in fast allen Heimen, aber nur in wenigen Gefängnissen. Dort sei man sich dieser Mängel bewusst, heisst es. Als Grund sei häufig angegeben worden, dass nicht genügend Personal für die Betreuung von Jugendlichen vorhanden sei.

Bund macht Druck

Der Bund will nun auf die für die Untersuchungshaft zuständigen Kantone mehr Druck ausüben, um den Bau von Jugendabteilungen in den Haftanstalten voranzutreiben. Ab 2008 soll im Rahmen des Neuen Finanzausgleichs ein Malus-System für das Gewähren von Subventionen von Bauten für den Straf- und Massnahmenvollzug eingeführt werden.

Hält sich ein Kanton in seinem Gebiet beim Vollzug nicht an die Vorgaben des Bundes, könnten Baubeiträge an eine andere seiner Institutionen reduziert oder gar verweigert werden.

Das BJ geht allerdings davon aus, dass die vollständige Umsetzung dieser Anforderungen noch länger dauern dürfte. Auch wenn diverse Kantone den Handlungsbedarf erkannt haben und Jugendabteilungen in Gefängnissen planen oder bereits bauen.

Besorgtes Kinderhilfswerk

Beunruhigt ist auch das Kinderhilfswerk Terre des hommes. Es brauche politischen Willen, um die in den von der Schweiz ratifizierte Konventionen über die Kinderrechte einzuhalten, sagte ein Sprecher gegenüber dem Westschweizer Radio.

Terre des hommes will entsprechende Bemühungen der Behörden unterstützen.

swissinfo und Agenturen

Das im Januar 2007 in Kraft gesetzte neue Jugendstrafrecht legt fest, dass die Inhaftierung von nicht verurteilten Jugendlichen so stark wie möglich eingeschränkt werden müsse.

Wenn Minderjährige inhaftiert werden müssen, sollte dies in einer spezialisierten Einrichtung oder in einer besonderen Abteilung in einem Gefängnis geschehen, damit sie von den erwachsenen Häftlingen getrennt werden können.

Weiter muss eine sozialpädagogische Betreuung gewährleistet werden.

Für die Erhebung, die vor dem Inkrafttreten des Jugendstrafrechts angefertigt wurde, wurden landesweit 66 Institutionen befragt, darunter 9 Heime für Minderjährige, 51 Gefängnisse und 6 Spitäler.

Zwei Drittel beantworteten die Fragen.

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