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Das Tafelsilber in der Firma behalten

1976: Vater und Sohn, Emil (links) und Walter Frey, Automobilimporteure. RDB

Für viele Familienbetriebe in der Schweiz ist die Nachfolgeregelung ein heikles Problem. Einigen Betrieben gelingt es, innerhalb der Familie eine Nachfolge zu finden, andere gehen an die Börse oder werden verkauft.

Im vergangenen Jahr verwässerte eine der beständigsten Schweizer Familien-Dynastien, Diethelm und Keller, ihren Besitz an der DKSH-Gruppe indem sie sich für den Gang an die Börse entschied.

Fast neun von zehn Schweizer Unternehmen gelten als Familienunternehmen. Bei den meisten handelt es sich um Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), also um Firmen mit weniger als 250 Angestellten. Jedes Jahr sehen sich 20% dieser Unternehmen mit den Nachfolgefrage konfrontiert, weil der Besitzer oder die Besitzer ins Rentenalter kommen.

Es gibt Firmen, welche die Nachfolge während Generationen innerhalb der Familie regeln. Dazu gehören die Bankier-Dynastien Pictet, Lombard, Odier und Hentsch. Doch die meisten Schweizer Unternehmen bleiben währen einer oder zwei Generationen in den Händen einer Familie und werden dann verkauft oder verschwinden.

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Das Geschäft als Familienangelegenheit

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Jean-Claude Rouiller führt die Firma zusammen mit seinem Sohn und seiner Tochter. 2012 wurde FKG zur besten Firma der Westschweiz gekürt. Die Auszeichnung honoriert den nachhaltigen Erfolg und die aussergewöhnliche Leistung der Roulliers.(Raffaella Rossello, swissinfo.ch)

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Weniger Dynastien

«In der Schweiz sind Nachfolgeregelungen innerhalb der Familie weniger verbreitet, als in den Nachbarländern Deutschland und Italien, wo die Dynastien-Tradition eine grössere Bedeutung hat», sagt Marcel Widrig, Spezialist für Familienunternehmen bei PricewaterhouseCoopers gegenüber swissinfo.ch.

«Die Schweiz hat nicht viele Firmen mit dem nötigen Umsatz oder der nötigen Profitabilität, die sich Rechtsberater leisten können, welche helfen könnten, den Übergang zwischen den Generationen sanft zu gestalten», sagt Widrig.

Einfluss über Aktien

Besitzer von Schweizer Unternehmen können ihre Anteile steuerfrei verkaufen, was ein Verlagern des Geschäfts in andere europäische Länder attraktiv macht.

Das heisst allerdings nicht, dass Familienunternehmen in der Schweiz am Aussterben sind. Die Zahl der Firmen bleibt konstant, das neue Firmen den Platz der verschwundenen einnehmen.

Auch wenn eine Firma an die Börse geht, können die bisherigen Besitzer Einfluss behalten, indem sie sich am mehrheitlich am Aktienkapital beteiligen oder im Management eine zentrale Rolle einnehmen.

Rund 88% der Schweizer Unternehmen sind laut dem St. Galler Center for Family Business im Besitz von Familien.

In einem kürzlich erschienen Bericht nennt das Center die Gründe für den Erfolg der Familienbetriebe: Innovationsfreude, die sich über Generationen hinzieht, eine starke Verbundenheit der Besitzer mit der Firma sowie Diversifikation.

Laut einer Studie der Firma Credita über die Nachfolgeregelungen standen im Sommer 2012 insgesamt 45‘057 Firmen vor einer offenen Nachfolgeregelung. Dies entspricht 9.7% aller aktiven im Handelsregister Firmen.

Bei den Einzelunternehmen haben 15.7% der Firmen die Nachfolge noch nicht geregelt, bei den AG sind es 9.2% und bei den GmbH sind es 3.1%.

Das Beispiel Lindt & Sprüngli

Die Familien Hoffman La Roche und Oeri sind Hauptaktionäre beim Pharma-Gigant Roche, der Schindler-Chef Alfred hat in vierter Generation eine dominante Position im börsenkotierten Liftunternehmen.

Die berühmte Schweizer Schokolade-Marke Lindt & Sprüngli ist seit 1986 an der Börse kotiert, doch Rudolph R Sprüngli – er gehört zur fünften Generation einer der beiden Gründerfamilien – stand dem Unternehmen bis 1994 vor. Sein Sohn Rudolf sitzt im Verwaltungsrat der Firma.

Ein starker Einfluss einer Familie könne Firmen in volatilen Zeiten schützen, was eine stabilisierenden Einfluss auf die Gesamtwirtschaft habe, sagt Philipp Sieger vom Center for Family Business der Universität St. Gallen.

Delikates Problem

«Familienfirmen gelten als Firmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen», sagt Sieger gegenüber swissinfo.ch. «Meistens haben sie grosse Kapitalreserven, die wie ein Schutzschild funktionieren.»

Nachfolgeregelung ist und bleibt eines der delikaten Probleme von Familienunternehmen. «Das grösste Problem sind weiche Faktoren wie Kommunikationsprobleme zwischen den Generationen und Familienmitglieder, die nicht dasselbe Lied singen mögen», sagt Widrig gegenüber swissinfo.ch. «Dieselben komplexen Beziehungsfragen, die es in den meisten Familien gibt, können eine Firma entweder stärken oder auseinanderbrechen.»

Philosophische Einstellung

Victorinox, die Firma, welche die weltberühmten Schweizer Armee-Messer produziert, löste das Problem, indem sie die Kontrolle von der Familie Elsener im Jahr 2000 einer Stiftung übergab. Dank der Streuung Verteilung der Anteile kann kein Familien-Mitglied die Firma destabilisieren, wenn es zu einem Familienkrach kommen sollte.

Patrick Fonjallaz, der Chef eines der ältesten Schweizer Familienunternehmen, hat eine andere Antwort auf die Nachfolgefrage. Er führt das Fonjallaz-Weingut in der 13. Generation und ist bereits im Pensionsalter. Bis eines seiner Kinder das Weingut übernehmen kann, werden noch ein paar Jahre vergehen. «Ich hoffe, dass das noch 120 Jahre geht», witzelte Fonjallaz im vergangenen Jahr in der NZZ am Sonntag. «Witz beiseite, aber zurückziehen ist für mich im Moment überhaupt kein Thema.»

(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

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