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Schweizer Startup profitiert vom Elektroauto-Boom

Stazione di ricarica Green Motion
Ende 2016 waren weltweit rund 2 Millionen Elektroautos in Betrieb. Das ist eine Zuwachsrate von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Green Motion

Elektromobilität ist im Trend: Alle grossen Autohersteller setzen auf E-Mobile. In der Schweiz mischt das Waadtländer Startup-Unternehmen Green Motion vorne mit, als Marktführer für Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Firmenchef François Randin hat die Technologie sogar nach Chinas verkauft. swissinfo.ch hat mit ihm gesprochen.

swissinfo.ch: Green Motion begann 2009 mit der Entwicklung von Ladesystemen für Elektrofahrzeuge. Damals glaubten nur wenige daran, dass ein Netz an Ladestationen nötig wäre.

François Randin
François Randin, der CEO von Green Motion Green Motion

François Randin: Wir waren tatsächlich der Zeit einige Jahre voraus. Viele hielten uns für verrückt. Bevor wir eine Ladestation verkaufen konnten, mussten wir jedes Mal das Potential der E-Mobilität erklären. Weder unsere Investoren noch unsere Kunden wollten wissen, ob wir gute Produkte herstellten. Sie fragen, ob es wirklich eines Tages einen Markt für Elektromobile geben werde. Man sagte: Welchen Nutzen haben diese Ladestellen, wenn keine Elektroautos unterwegs sind? Und welchen Nutzen haben solche E-Autos, wenn es keine Ladestellen gibt?

Bisher haben die Fahrzeughersteller, mit Ausnahme von Tesla, sich wenig Gedanken zu den Ladestationen gemacht. Darum gab es eine Marktlücke, die wir – früher als andere – entdeckt haben. Vor einigen Jahren hat sich die Lage geändert, weil grosse Hersteller nun Elektroautos produzieren, die dank höhere Leistungsfähigkeit und besserer Batterien eine Reichweite von mehr als 300 Kilometern aufweisen.

Damit werden mehr als 90 Prozent der täglichen Fahrleistungen abgedeckt. Die Neuimmatrikulation von Elektroautos weist Wachstumsraten von über 100 Prozent im Jahr auf. Diese Entwicklung hat für mich positive Seiten: Ich muss Elektromobilität nicht mehr erklären und verteidigen – im Gegensatz zu früher.

swissinfo.ch:  Der schwedische Automobilhersteller Volvo hat angekündigt, sich bald vom Verbrennungsmotor verabschieden zu wollen. Auch Frankreich und Indien setzen für die Zukunft auf elektrisch angetriebene Autos. Sind wir nun am grossen Wendepunkt?

F.R.: Tatsächlich ist feststellbar, dass es momentan viele positive Indikatoren auf politischer, ökonomischer und technologischer Ebene zugunsten von Elektroautos gibt. Die politischen Absichtserklärungen sind meiner Meinung nach mit Vorsicht zu geniessen, denn niemand weiss, was passiert, wenn Regierungswechsel stattfinden.

Die Entscheide der grossen Automobilhersteller stimmen mich hingegen sehr zuversichtlich. Denn um Elektroautos zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, sind Milliarden von Franken nötig. Das macht niemand aus Spass und Tollerei.

Als Unternehmer bin ich bei Schätzungen eher konservativ und vorsichtig. Ich wäre schon froh, wenn 2020 rund 4 Prozent des Fahrzeugmarktes von Elektroautos abgedeckt würden. Wenn es schneller geht, umso besser.

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swissinfo.ch: Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen in der Schweiz für die Entwicklung der Elektromobilität?

F.R.: In der Schweiz gibt es fast ideale Bedingungen. Wir verbrennen kein Erdöl, um Elektrizität herzustellen. Mehr als zwei Drittel des Stroms wird durch Wasserkraft generiert. Und in Zukunft sollen noch vermehrt erneuerbare Energieträger zum Einsatz kommen. Die Strompreise befinden sich auf einem vernünftigen Niveau. Dazu kommt: In der Schweiz legen wir in der Regel eher kürzere Distanzen zurück; der Individualverkehr ergänzt den qualitativ hochstehenden öffentlichen Verkehr.

swissinfo.ch: Doch im Vergleich zu anderen Ländern ist in der Schweiz kein politischer Druck spürbar, die Elektromobilität stärker fördern zu wollen.

F.R.: Elektromobilität wird praktisch von allen politischen Lagern unterstützt. Doch in der Schweiz herrschte immer ein liberales Gedankengut. Subventionen sieht man da eher kritisch. Es gibt einige Anreize steuerlicher Natur, doch wir sind weit entfernt von Frankreich, wo der Staat den Kauf eines Elektroautos mit Tausenden von Euros subventioniert.

Wichtiger als der politische Wille zur Förderung ist meiner Meinung nach aber das ökologische Bewusstsein der Bürger. Und dieses ist in der Schweiz sehr ausgeprägt. Das zeigt sich daran, dass der Anteil der immatrikulierten Elektroautos am gesamten Fahrzeugbestand in der Schweiz praktisch genauso hoch ist wie in Nachbarländern, wo es Subventionen gibt.

Elektroautos in der Welt

Gemäss Angaben der Internationalen Agentur für Energie (AIE) waren Ende 2016 weltweit rund 2 Millionen Elektroautos in Betrieb.

Im Jahr 2016 wurden 750’000 neue Elektromobile immatrikuliert. Die Zuwachsrate gegenüber dem Vorjahr beträgt 60 Prozent. 40 Prozent dieser Autos wurden in China verkauft.

Die Energieagentur erwartet, dass bis 2020 rund 20 Millionen Elektroautos immatrikuliert sein werden, bis 2025 sogar 70 Millionen.

Weltweit gibt es bis anhin rund 300’000 öffentlichen Ladestationen. 

swissinfo.ch: Viele Leute können keine Ladestation zu Hause installieren, vor allem in einem Land von Mietern wie der Schweiz. Muss daher nun die Öffentlichkeit ein Netz von Ladestationen finanzieren?

F.R.: Anfänglich gab es einige Bedenken. Unsere Kunden waren vor allem grosse Firmen. Doch nun stelle ich fest, dass wir zunehmend auch Anfragen von Gemeinden und Städten erhalten. Dabei sind vor allem die langen Entscheidungsprozesse ein Problem.

Stadtbehörden brauchen bis zu zwei Jahre, um über die Finanzierung einer Ladestation zu entscheiden. Daher installieren wir lieber gratis unsere Anlagen, die wir dann durch einen Aufschlag auf den Strompreis amortisieren. Wenn wir so vorgehen, reichen häufig zwei Wochen.

swissinfo.ch: Auch die Wirtschaft scheint E-Mobilität und Startup-Firmen in Bereich Cleantech nicht besonders zu unterstützen. Wie erklären Sie sich das?

F.R.: Schweizer Investoren wollen keine grossen Risiken auf sich nehmen. Wahrscheinlich gibt es mehr Investitionsbereitschaft bei Startup-Firmen in der pharmazeutischen oder medizinischen Industrie. Oder auch, wenn es sich um Spin-Offs von Institutionen wie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) handelt. Ich habe in diesen Jahren viele potentielle Investoren kontaktiert, aber das Fundraising war äusserst mühsam.

Wir fanden schliesslich Investoren im Ausland, in Deutschland und vor allem in China. Dank eines Lizenzvertrags mit einem grossen chinesischen Unternehmen erhielten wir einige Dutzend Millionen Franken. Diese Mittel setzen wir nun ein, um ein Netz an Verladestationen in der Schweiz aufzubauen. Ich schätze, dass bis in 10 Jahren in der Schweiz 30’000 öffentliche und 300’000 private Ladestationen nötig sein werden.

swissinfo.ch: Sie fahren selbst ein Elektroauto. Welche Vorteile bietet das?

F.R.: Es hat finanzielle Vorteile. Inzwischen gibt es Elektroautos in allen Kategorien und Grössen, deren Preise mit Autos mit Verbrennungsmotoren vergleichbar sind. Der gefahrene Kilometer kostet mich im Vergleich zu einem Benzin- oder Dieselauto ein Drittel oder die Hälfte weniger.

Die Effizienz von Elektroautos ist zudem höher. 90 Prozent der Energie fliesst in die Fortbewegung des Fahrzeugs. Bei einem Verbrennungsmotor sind es nur 20 bis 25 Prozent. Der Rest der Energie geht in Abwärme und heizt nur den Planeten auf.

Dazu kommt für mich ein wichtiger persönlicher Aspekt: Ich habe kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich privat Auto fahre. Mit den dienstlichen Fahrten hatte ich keine Mühe, da ich ja von etwas leben muss. Aber die Nutzung des Autos für rein private Reisen belastete mich innerlich.

Green Motion

Green Motion wurde 2009 in Lausanne von drei jungen Technikern gegründet. Heute sind 25 Personen im Unternehmen beschäftigt: Elektrotechniker, Elektriker, Informatiker, Spezialisten für Design und Ergonomie.

Das hoch technologische Produkt wird zu 95 Prozent von Partnerunternehmen in der Schweiz hergestellt. Zusammengesetzt werden die Teile von der Waadtländer Firma Polyval, die Menschen mit Handicap beschäftigt.

Das Startup-Unternehmen Green Motion hat bisher 500 öffentliche und 1500 private Ladestationen installiert.

Ein multinationales Unternehmen in China hat die Green-Motion-Technologie letztes Jahr für mehrere Dutzend Millionen Franken gekauft. Auch Unternehmen aus anderen Ländern, etwa Indien, haben ihr Interesse signalisiert.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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