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Schweizer:innen im Ausland: Bürger:innen zweiter Klasse?

Krankenkasse für Ausgewanderte? Bundesrat sieht keinen Bedarf

Strand, Liegestühle
Wer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, verlässt die Schweizer Grundversicherung. Ältere Auswandernde verlieren dadurch oft den Anschluss an eine Versicherung. Keystone / Rungroj Yongrit

Wenn Auslandschweizer:innen erkranken, kommen sie für Behandlungen oft zurück. Ein Postulat will das Thema anpacken. Der Bundesrat sieht aber keinen Anlass zu handeln.

Wer die Schweiz verlässt, muss aus der Schweizer Krankenversicherung austreten. Das schafft Schwierigkeiten für Ausgewanderte, die sich ausserhalb der EU niederlassen – vor allem, wenn sie schon älter oder bereits erkrankt sind. Dann finden sie kaum noch eine Versicherungslösung.

Künftig aber sollen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer auf freiwilliger Basis eine Schweizer Krankenkasse ins Ausland mitnehmen können. Das ist das Ziel eines PostulatsExterner Link, das im Parlament aufliegt.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Geht es ihnen schlecht, wandern erkrankte Auslandschweizer:innen oft zurück ins Schweizer Gesundheitssystem. Was also tun?

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Denn das bisherige System hat auch einen Nebeneffekt: Behandlungstourismus. Werden Ausgewanderte krank, kehren sie oft ins Schweizer Gesundheitswesen zurück. In der Schweiz sind sie ab dem Tag ihrer Rückkehr automatisch wieder versichert.

Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter ist überzeugt, dass es billiger käme, wenn sich Schweizer:innen in ihren Wohnländern behandeln liessen – selbst wenn die Schweizer Kassen das bezahlen.

“Wenn sich jemand in Thailand behandeln lässt, sind die Kosten markant tiefer”, sagt sie – und überzeugte damit auch Kolleg:innen sämtlicher relevanten politischen Parteien. 35 Parlamentsmitglieder haben ihr Postulat unterzeichnet.

Ihre Forderung hat ein sehr niederschwelliges Ziel; es verlangt vorerst nur einen Bericht, der aufzeigt, wie ein freiwilliger Verbleib in der Schweizer Grundversicherung erfolgen könnte.

Bundesrat beruft sich auf Prinzipien

Nun hat der Bundesrat seine Stellungnahme dazu veröffentlicht. Er unterstreicht zwei Prinzipien. Erstens, dass die Krankenversicherung auf dem Wohnsitzprinzip beruhe. “Es werden in der Regel dort Prämien bezahlt, wo medizinische Leistungen in Anspruch genommen werden”, schreibt die Regierung.

Zweites Prinzip sei das ausgeglichene Gesundheitsbudget der Schweiz pro Jahr: “Die Prämien eines Jahres müssen die erwarteten Kosten desselben Jahres decken.” Aus diesen Prinzipien folgt laut Regierung: “Es gibt kein individuelles Gesundheitskonto.”

Die Landesregierung verweist in ihrer Antwort zwar auf die Möglichkeit von privaten freiwilligen Versicherungslösungen. Sie geht aber nicht auf die Schilderung der Politikerin ein, dass dies “schwierig bis unmöglich” sei.

“Grosse Chance verpasst”

Elisabeth Schneider-Schneiter ist entsprechend enttäuscht. “Der Bundesrat hat sich mit den wirklichen Problemen nicht auseinandergesetzt”, sagt sie. “Damit verpasst er eine grosse Chance auf eine einfache Massnahme, die vieles verbessern und kostenmässig kaum negativen Einfluss auf das Gesundheitswesen haben würde.”

In seiner Antwort erinnert der Bundesrat auch an eine inhaltlich ähnliche InterpellationExterner Link aus dem Jahr 2014. Seither habe sich nichts verändert. Darum findet der Bundesrat: “Der von der Postulantin gewünschte Bericht ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig.”

Josef Schnyder, Auslandschweizerrat in Thailand, aber sagt, dass sich gerade in jüngster Zeit im Gegenteil viel verändert habe. Ein Trend sei entstanden: Die Auswanderung von Schweizer:innen im Rentenalter habe alleine in den letzten Jahren um einen Viertel zugenommen. “Die Gesetze stammen von 1997, aber das Problem wird gerade in den letzten Jahren immer grösser”, sagt Schnyder. 

Lesen Sie hier unser Interview mit Josef Schnyder:

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Die Thematik betrifft vor allem Ausgewanderte in Nicht-EU/Efta-Staaten. Speziell in Thailand, aber auch in den Philippinen, Vietnam und Brasilien, gibt es eine Community von Schweizer Rentner:innen, die auf teure internationale Krankenversicherungen angewiesen sind. Insgesamt sind dies laut Schnyder rund 12’000 bis 15’000 Personen.

Besonders im Alter und bei Vorerkrankungen finden diese nur sehr kostspielige oder gar keine Versicherungslösungen. “Letztlich geht es um ganz wenige Auslandschweizer:innen”, sagt Schneider-Schneiter.

Leser berichtet von Problemen

Seit swissinfo.ch über die Thematik berichtet hat, haben sich einige Betroffene gemeldet. Ein 74-Jähriger Schweizer Rentner hofft, er habe “genug gespart, um nicht in die Schweiz zurückkehren zu müssen”.

Eine private Versicherung konnte er aufgrund seines Alters nicht finden. Und bei seiner Schwester, 80, sah der Mann gerade, wie eine Krebsbehandlung auch die versicherte Höchstsumme aufgefressen hat.

Gemeldet hat sich auch Leser Adrian P., der im Juni aus Thailand für eine Operation in seinen Heimatkanton Zug zurückreist. Nach zehn Wochen Spitalaufenthalt hat er von seiner Heimatgemeinde Zug noch nicht die Wohnsitzbescheinigung erhalten, die er für den korrekten Eintritt in eine Schweizer Krankenkasse benötigen würde.

“Meine Heimatstadt verweigert mir das Recht, mich hier niederzulassen”, schreibt er und vermutet als Grund: “Das liebe Geld. Der reichste Kanton des Landes sorgt sich um Geld. Wie jämmerlich.” Dabei habe er 37 Jahre lang Krankenkassenprämien und Steuern bezahlt.

“Prämien können jederzeit markant steigen”

Ein weiterer Auswanderer ist Matthias A. Bis zur Pension war er als humanitärer Helfer im Auftrag von IKRK und der Schweiz im Einsatz. Für eine Schweizer Versicherungslösung in Thailand kämpfte er dann vergeblich. Er ist inzwischen bei einem internationalen Krankenversicherer untergekommen.

“Diese Unternehmen sind profitorientiert”, sagt er, “sie können die Prämien jederzeit markant erhöhen.” Eine gute finanzielle Vorsorgeplanung sei so nicht möglich, und seine Prämienzahlungen gehen nun an internationale Gesellschaften.

“Ich hätte eine Schweizer Lösung bevorzugt”, sagt A. Schliesslich habe er als humanitärer Helfer im Ausland zeitlebens die Schweizer Werte vertreten.

Strand, im Hintergrund Schriftzug Pattaya
Pattaya in Thailand: In Südostasien leben besonders viele Schweizer:innen, die Schwierigkeiten haben, eine Versicherungslösung zu finden. Keystone / Narong Sangnak

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