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Postbank nähert sich dem Wunschtraum

Die wichtigsten Änderungen bei der PostFinance spielen sich hinter den Kulissen ab. Keystone

PostFinance, der Finanzdienstleister der Schweizerischen Post, wird von drei Millionen Kontoinhabern als sicherster Ort zur Aufbewahrung des Geldes betrachtet. 2013 sollte das Unternehmen eine Banklizenz erhalten. Eine Entwicklung, die nicht allen gefällt.

Wenn alles nach Plan verläuft, wird sich PostFinance im kommenden Sommer vom Mutterhaus, der Schweizerischen Post, ausgliedern und eine Banklizenz erhalten. Das ist ein bedeutender Schritt in der Geschichte des Unternehmens, auch wenn die Kunden den Unterschied kaum erkennen werden – wenigstens vorläufig.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor mehr als 4 Jahren boomt das Geschäft von PostFinance. Die Bank hat in dieser Zeit jährlich mehr als 100’000 neue Kunden akquiriert. Viele Leute betrachten das Postkonto als sichersten Ort, um ihre Ersparnisse zu deponieren.

Im letzten Jahr überstieg das Anlagevermögen zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens den Betrag von 100 Milliarden Franken. Auch die Gewinne sind in die Höhe gestiegen, und die Zahl der Beschäftigten ist förmlich explodiert. Aber in den Chefetagen ärgert man sich über gewisse gesetzliche Fesseln, die dem Wachstum Grenzen setzen.

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Gleich lange Spiesse

Weil gewisse Geschäfte von PostFinance von einer Staatsgarantie gedeckt sind, darf das Unternehmen keine Kredite oder Darlehen aushändigen. Stattdessen muss es diese wachsenden und lukrativen Dienstleistungen an Geschäftspartner weitergeben, welche die Kreditrisiken tragen.

Diese Vereinbarung besänftigt auch den privaten Sektor, der keine Freude an einer staatlich unterstützten Institution hat, die den Wettbewerb im Bankenbereich verzerrt.

“Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) besteht auf gleich langen Spiessen für alle Institute mit Bankenlizenz”, sagt deren Pressesprecher Sindy Schmiegel gegenüber swissinof.ch.

Aber weil PostFinance nicht selbstständig die gleichen Dienstleistungen anbieten könne wie andere Banken, habe die SBVg keinen Grund, die Vergabe einer Banklizenz zu beanstanden.

Eine Gesetzesänderung, die vor zwei Jahren in Kraft getreten war, hat PostFinance den Weg geebnet, ab dem 26. Juni 2013 als eine von der Schweizerischen Post getrennte Unternehmung aufzutreten. Auf dem Papier wird sie in der Lage sein, Aktien auszugeben, aber vorläufig wird die Schweizerische Post, die selber im Staatsbesitz ist, der einzige Aktionär sein.

Die Folge davon ist, dass sich PostFinance im Niemandsland zwischen ihrer gegenwärtigen Position als staatliche Tochtergesellschaft der nationalen Post und einer öffentlich rechtlichen Bank befindet. Und es wird ihr weiterhin nicht erlaubt sein, selber Kredite an Unternehmen oder Hausbesitzer zu vergeben.

Als Resultat seiner Diversifizierung besteht der Konzern der Schweizerischen Post heute aus sechs Bereichen, darunter ein internationaler Arm.

PostFinance – Der Finanzbereich bietet die Möglichkeit zum Bezahlen von Rechnungen und einige bankenähnliche Dienstleistungen an.

Vor kurzem erhielt PostFinance grünes Licht für eine Bankbewilligung. Damit wird das Unternehmen eine breitere Palette von Finanzdienstleistungen anbieten können, ausgenommen bleiben Darlehen für Geschäfte oder Hypotheken.

Bis im Sommer 2013 soll der Bereich aus dem Konzern gelöst und in eine eigenständige AG umgewandelt werden.

Asendia (ehemals Swiss Post International) – Der internationale Briefversand-Bereich der Schweizerischen Post, der vor einigen Monaten mit der globalen Division der französischen La Poste fusionierte.

Asendia spezialisiert sich auf das grenzüberschreitende Mailversand-Geschäft (Business-to-Customer, B2C).

Swiss Post Solutions – der Konzernbereich, der weltweit Lösungen und Produkte für Back-Office und Versandraum anbietet.

PostMail – Dieser Bereich ist für die Briefverarbeitung zuständig, das heisst Annahme, Sortierung und Zustellung von Briefen, Zeitungen und Werbesendungen.

PostLogistics – Der Konzernbereich Logistics betreibt 3 Paketzentren und 40 logistische Zentren in der ganzen Schweiz.

PostAuto – Der Transportarm bedient ein breit gefächertes Netzwerk von Busrouten in der ganzen Schweiz.

Poststellen und Verkauf – Dieser Konzernbereich ist zuständig für das Netzwerk von Poststellen und Verkaufsschaltern in der ganzen Schweiz.

Kapital-Puffer

Die grössten Veränderungen bei PostFinance werden sich hinter den Schaltern abspielen, weit entfernt von den Blicken der immer zahlreicher werdenden Sparer, Gewerbetreibenden und Hypothekarschuldnern.

Um von der Finanzmarkt-Aufsichtsbehörde (Finma) eine Bankenlizenz zu erhalten, muss PostFinance flüssige Mittel in Milliardenhöhe ausweisen können, die sicherstellen sollen, dass das Polster im Falle von finanziellen Erschütterungen dick genug ist.

PostFinance schätzt, dass dafür zwischen 4 und 5 Milliarden Franken notwendig sind. Geplant sind deshalb die Ausgabe von Obligationen, der Verkauf von Immobilien im Besitz der Post sowie der Neubewertung gewisser Aktiven.

Diese Praktiken, vor allem letztere, haben in gewissen politischen Kreisen für Kritik gesorgt – insbesondere bei der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Die Partei ist der Meinung, dass das finanzielle Polster nicht viel mehr als ein Feigenblatt sei.

SVP-Nationalrat Hans Kaufmann stemmte sich im September im Parlament dagegen, PostFinance zu einer eigentlichen Bank zu machen. Das Eigenkapital betrage lediglich 816 Millionen Franken oder 0,76 Prozent des Vermögens. “Keine (andere) Bank würde mit einer solch niedrigen Kapitalbasis jemals eine Bewilligung erhalten”, sagte Kaufmann.

PostFinance wies die Kritik mit dem Hinweis zurück, dass die neue Kapitalbasis der Prüfung der Finanzmarktaufsicht genügen müsse.

Die jüngste Erhöhung der Kontogebühren für Privat- und Geschäftskunden mit geringen Einlagen habe nichts zu tun mit dem Bedarf nach zusätzlichen flüssigen Mitteln. Die neuen Gebühren seien lediglich eine Folge besserer Dienstleistungen, wie der 24-Stunden-Support fürs E-Banking, argumentiert PostFinance.

Politischer Wille

Der wichtigste Unterschied für die Kunden werde die Gewissheit sein, dass ihre Interessen bald von der Finma wahrgenommen würden, sagt PostFinance-Sprecher Marc Andrey.

“Wir sind eines der grössten Finanzinstitute in der Schweiz”, sagt er gegenüber swissinfo.ch. “Dass wir künftig der Supervision der Finma unterstehen werden, wird das Vertrauen unserer Kundschaft erhöhen und für weitere Transparenz sorgen.”

PostFinance nähert sich um einen weiteren Schritt dem Traum, sich von den politischen Fesseln zu befreien und freien Zugang zum boomenden Kreditmarkt zu erlangen.

Ein mögliches Geschäftsmodell der Zukunft könnte jenes sein, das auch für die Kantonalbanken angewendet wird. Diese befinden sich gemäss Gesetz zu mindestens einem Drittel im Besitz jener Kantone, in welchen die Banken tätig sind. Einige gehören sogar zu 100 Prozent dem Kanton, und die meisten bieten eine volle Staatsgarantie.

Dass Kantonalbanken nach wie vor die gleichen Dienstleistungen erbringen dürfen wie andere Banken, wird von der Schweizerischen Bankiervereinigung nicht beanstandet, weil deren Kundennetz innerhalb der Kantonsgrenzen liegt. Ausserdem beteiligt sich jede Kantonalbank an der Finanzierung eines eidgenössischen Fonds zur Sicherung der Spareinlagen der Kunden bei Finanzkrisen.

PostFinance wird in den nächsten Jahren noch einen weiten Weg zurücklegen müssen, bevor das Unternehmen auf der gleichen Stufe wie die anderen Banken tätig sein kann. Das Schicksal hängt unweigerlich vom politischen Willen ab, und weitere gesetzliche Änderungen werden notwendig sein, um sich von den gegenwärtigen Fesseln zu befreien.

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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