
Thomas Held: Gründerzeit-Stimmung soll wieder herrschen

Die Schweiz leidet an einer Identitätskrise. Statt Aufbruch- herscht bloss Aufschwung-Stimmung. Die "Stiftung Zukunft Schweiz" will Abhilfe schaffen. Ihr Direktor Thomas Held spricht erstmals ausführlich über seine Pläne.
Es ist das Jahr der Schweizer «Denkfabriken». In Boston wurde das «Swiss House» eröffnet, in Washington folgt der Sitz der «Swiss Foundation on World Affairs». In Zürich und später in Genf wird Anfang 2001 die «Stiftung Zukunft Schweiz» ihr Büro beziehen.
Die von Schweizer Unternehmen ins Leben gerufene Institution hat zum Ziel, als unabhängiger «Think Tank» die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Diskussionen in der Schweiz mit neuen Ideen zu beleben und einen nachhaltigen Beitrag an die Stärken des Standorts Schweiz zu leisten.
Thomas Held als Direktor ernannt
Die Leitung hat der 54-jährige Soziologe und Unternehmer Thomas Held inne. Der breiteren Öffentlichkeit ist er hauptsächlich bekannt als einstiger Wortführer der 68-er Bewegung sowie später als Verantwortlicher für die Entwicklung und Realisierung des Kultur- und Kongresszentrums in Luzern.
In der Schweiz herrsche, erklärte Held gegenüber swissinfo, ein grosses Bedürfnis an programmatischer Diskussion, weil weder die Universitäten noch die Parteien diese Diskussionen führen könnten oder wollten. Man habe noch nicht wirklich begriffen, was die weltweit wirtschaftliche und politische Umwälzung bedeute. «Wir befinden uns in einer Aufschwung-, aber nicht in einer Aufbruch-Situation. Es geht uns konjunkturell gut, wir haben wieder vernünftige Wachstumsraten, aber die Chancen, die uns geboten werden, nehmen wir noch viel zu wenig wahr. Es herrscht keine Aufbruchstimmung wie zu Gründerzeiten.»
Förderung der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskussion
Gemäss Held soll die «Stiftung Zukunft Schweiz» eine neue Stimme in der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskussion der Schweiz sein. Sie wolle Pläne zur Zukunftsbewältigung der Schweiz liefern und Studien zu aktuellen Themen wie Überalterung, Einbürgerung, multikulturelle Gesellschaft oder medizinische Versorgung unterstützen.
Sowohl mit in- wie ausländischen Wissenschaftlern werde die Stiftung zusammenarbeiten. Ihre Mitarbeit zugesagt haben bereits die Ökonomen Ernst Baltensperger und Carl Christian von Weizsäcker.
Finanzielle Unterstützung
Die Stiftung ist mit 50 Mio. Franken dotiert und wird von grossen Schweizer Unternehmen wie Novartis, UBS, Nestlé, McKinsey, Swiss Re finanziert. Die Unabhängigkeit werde, betont Held, dennoch gewahrt werden. Unabhängig heisse aber nicht standpunktfrei. Selbstverständlich gehe man davon aus, dass in der Regel freiheitliche marktwirtschaftliche Lösungen anderen überlegen seien.
Carole Gürtler

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch