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Hervé Falciani zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt

"Ich habe zwiespältig gehandelt": Hervé Falciani an seiner Pressekonferenz am 28. Oktober 2015 in Divonne (Frankreich), einen Steinwurf von der Schweizer Grenze entfernt. Reuters

Das Bundestrafgericht in Bellinzona hat Hervé Falciani zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht verurteilte den ehemaligen Informatiker der Genfer Filiale der Grossbank HSBC wegen Wirtschaftsspionage. Andere Anklagepunkte wie die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses liess das Gericht fallen.

Hervé Falciani hatte die Daten von 100’000 Kunden der Grossbank HSBC gestohlen. Via Frankreich gelangten die Daten an sieben andere Staaten. Sie brachten gesamthaft fast eine Milliarde an Steuernachzahlungen ein. Für das Schweizer Bankgeheimnis war es ein harter Schlag.

Falciani hat Regierungen rund um den Globus, Steuerfahnder und Staatsanwaltschaften auf Trab gehalten und Tausende von Steuerbetrügern ans Messer geliefert: Drogendealer, Geldwäscher, Potentaten, aber auch Manager, Popstars, Sportler, Models, Politiker und Adelige aus aller Welt. Vor allem in Frankreich und Spanien ist er für eine breite Öffentlichkeit ein Held.

Urteil im Abwesenheitsverfahren

Für die Schweizer Justiz jedoch ist Falciani ein Krimineller. Die Bundesanwaltschaft bezichtigte ihn in der Anklageschrift der Wirtschaftsspionage, der unbefugten Datenbeschaffung und der Verletzung des Geschäfts- und des Bankgeheimnisses. Nun hat ihn das Bundestrafgericht in Bellinzona wegen Wirtschaftsspionage für fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Damit blieb das Gericht unter dem Strafmass, der Ankläger des Bundes Carlo Bulletti, der sechs Jahre Gefängnis gefordert hatte. Der Pflichtverteidiger von Falciani, der Genfer Anwalt Marc Henzelin hatte auf eine bedingte Gefängnisstrafe plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann noch beim Bundesgericht angefochten werden.

Dieb oder Whistleblower?

In der Hauptverhandlung hatte die Frage dominiert, ob Falciani ein ehrenhafter Whistleblower oder ein gewissenloser Datendieb sei. Es konnte zwar nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass sich Falciani für die Übergabe von gestohlenen Kundendaten auch bezahlen liess. Dennoch könne der Informatiker schon aufgrund der kriminellen Aktivität und dem Wert der verratenen Geheimnisse wegen wirtschaftlichem Nachrichtendienst verurteilt werden, sagte Carlo Bulletti, in der Verhandlung.

Die Verteidigung dagegen hatte die Sicherheitslücken bei der ehemaligen Arbeitgeberin Falcianis, der Genfer HSBC Bank, ins Feld geführt. Man habe es nicht mit einem Spion zu tun, der versucht habe, Codes zu knacken um an Daten zu kommen, sagte der Verteidiger in der Hauptverhandlung.

Falciani lebt seit Jahren unter Polizeischutz in Frankreich und kann als italienisch-französischer Doppelbürger nicht an die Schweiz ausgeliefert werden. Obschon ihm von der Schweizer Justiz freies Geleit zugesichert worden war, blieb der Angeklagte dem gesamten Prozess am Bundestrafgericht in Bellinzona fern. Das Gericht verurteilte ihn deshalb im Abwesenheitsverfahren.

Die ehemalige Arbeitgeberin Falcianis begrüsste in einer ersten Stellungnahme den Entscheid des Richters in Bellinzona: Falciani habe für seine “persönliche Bereicherung” systematisch Kundendaten gestohlen, schrieb die HSBC-Bank am Freitag in einem Communiqué.

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