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Blackbox Parteien-Finanzierung: Nur noch Belarus liegt hinter der Schweiz

Nationalratssaal mit Plexiglasscheiben
Nicht ganz so transparent wie die Plexiglasscheiben zum Schutz vor dem Coronavirus im Nationalratssaal, aber "ein Schritt in die richtige Richtung": Das Parlament entscheidet über die Offenlegung in der Politikfinanzierung, Juni 2021. Keystone / Alessandro Della Valle

Als eines der letzten Länder in Europa stemmte sich die Schweiz lange gegen die Offenlegung von Spenden an Parteien und Abstimmungskampagnen. Nach mehreren Volksentscheiden ändert sich das nun. 

Für die Transparenz der Politikfinanzierung in der Schweiz ist es fast schon ein Paukenschlag: Am13. Februar haben die Stimmbürger:innen des Kantons Jura die Verfassungsinitiative “Transparenz bei politischen Parteien” klar gutgeheissen, 60 Prozent stimmten für die Vorlage, währned der Gegenvorschlag des Kantonsparlamentes mit knapp knapp 45% keine Mehrheit fand.

Für Martin Hilti, den Schweizer Geschäftsführer des internationalen Fachverbandes “Transparency International” ist “dieser Entscheid zu begrüssen”, denn die Herstellung von Transparenz über die Politikfinanzierung sei wichtig für die Demokratie.

Tatsächlich betrifft das Abstimmungsthema einen schon fast traditionellen Schwachpunkt der Schweiz: Gemeinsam mit Belarus gehört sie seit langem zu den Schlusslichtern in Europa, wenn es darum geht, die Finanzierungen politischer Aktivitäten offenzulegen.

Dafür ist das Land wiederholt von der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (“Greco”) scharf kritisiert worden. In der OECD, dem Zusammenarbeitsorgan der grössten Volkswirtschaften weltweit, ist die Schweiz heute gar das einzige Land ohne entsprechende Regelungen auf nationaler Ebene.

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In den letzten Jahren ist allerdings Bewegung in lange festgefahre Situation gekommen. Dabei zeichnete sich bei der Offenlegungsplficht zunächst ein Graben in der Haltung der deutschsprachigen und den romanischen Kantonen ab. Als erste Kantone erliessen Neuenburg, Genf und Tessin Transparenzbestimmungen für den Politik-Betrieb; in den Kantonen Baselland und Aargau scheiterten entsprechende Vorstösse hingegen an der Abstimmungsurne.

Die Wende brachten zwei Volksinitiativen in den Kantonen Freiburg und Schwyz: Am 4. März 2018 stimmten fast 70% der Fribourger:innen für einen entsprechenden Verfassungsartikel, in Kanton Schwyz gewann die Volksinitiative der Jungsozialisten mit hauchdünnen 50,28%.

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Schwyz machte eine Zeitenwende deutlich. Das Resultat motivierte das Bundesparlament eine entsprechende Volksinitiative auf der nationalen Ebene ernst zu nehmen. Dort war am 10. Oktober 2017 eine entsprechende Volksinitiative mit über 100’000 Unterschriften eingereicht worden, welche verlangt, dass der Bund Vorschriften zur Offenlegung von Zuwendungen an politische Parteien sowie Wahl- und Abstimmungskampagnen erlässt.

Deklarationspflicht ab 15’000 Franken

Nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedete schliesslich das Parlament am 18. Juni 2021 einen indirekten Gegenvorschlag zur Transparenz-Initiative, welche als Folge davon zurückgezogen wurde. Dieser sei ein “moderater Schritt” in die richtige Richtung, sagt Transparency International Geschäftsführer Martin Hilti: “Diese neuen Bestimmungen  schliessen eine wichtige Gesetzeslücke.”

Künftig müssen politische Parteien, die Sitze im Parlament halten, Einnahmen und Zuwendungen von mehr als 15’000 Franken pro Person und Jahr offenlegen. Das betrifft sowohl den National- als auch den Ständerat. Hinzu kommt die Pflicht, Spenden über 15’000 Franken pro Person und Jahr auch in Abstimmungs- und Wahlkampagnen offenzulegen, falls diese insgesamt den Wert von 50’000 Franken übersteigen. Weiter sind künftig anonyme Zuwendungen aus dem Ausland nicht mehr erlaubt.

Im Volk populär, in der Politik nicht

Für Martin Hilti liegt nun der Ball auf nationaler Ebene bei der Regierung, dem Bundesrat: “Er ist gefordert, eine griffige Umsetzungsverordnung zum Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative zu verabschieden, die möglichst keine Schlupflöcher enthält.” Aber auch auf der kantonalen Ebene herrsche weiterhin Handlungsbedarf, betont der Transparenz-Experte. Im Kanton Schaffhausen, wo eine enstprechende Volksinitiative vor zwei Jahren von der Stimmbevölkerung mit 54% Ja verabschiedet wurde, versucht gegenwärtig das Kantonsparlament den neuen Verfassungsartikel bereits wieder aufzuweichen.

Und auch im jüngsten Transparenz-Kanton Jura, wo unter anderem neu eine Offenlegungspflicht für Zuwendungen von über 750 Franken pro Person und Jahr bestehen soll, ist nun das Parlament gefordert, die gesetzliche Umsetzung auf den Weg zu bringen. Ein Kantonsparlament, das sich im Vorfeld der Abstimmung vom 13. Februar 2022 mehrheitlich gegen den Verfassungsartikel ausgesprochen hatte. Das Muster gleicht sich: Während die Bevölkerung landauf landab mehr Transparenz von der Politik fordert, lässt sich diese nicht gern in die Karten blicken. Der Weg aus der Dunkelkammer der Parteifinanzierung bleibt für die Schweiz so noch ein langer Weg.

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