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Über Europas Opernhäuser zum Orchestre de Chambre de Lausanne

Keystone-SDA

Dominique Meyer hat die bekanntesten Opernhäuser des Kontinents geleitet. Und: Der neue Exekutivdirektor des Orchestre de Chambre de Lausanne hat die europäische Opernszene über Jahrzehnte mit geprägt. Heute feiert der Franzose seinen 70. Geburtstag.

(Keystone-SDA) Geboren wurde Dominique Meyer am 8. August 1955 im elsässischen Thann. Als Kind lebte er im deutschen Mühlheim, weil sein Vater als Diplomat dorthin versetzt worden war. Meyers erste Leidenschaft galt erst einmal aber nicht der Musik, sondern der Wirtschaft, weshalb er in Paris ein entsprechendes Studium aufnahm.

Politik und Kultur

Allerdings habe er damals bereits täglich eine Oper, ein Theaterstück oder ein Konzert besucht, erinnerte sich Meyer an diese Zeit. Bis zum beruflichen Engagement im Kultursektor sollte es allerdings noch dauern. Nach dem Studium stieg er erst einmal in die französische Politik ein, wo er ab 1980 im Industrieministerium tätig war. 1984 holte ihn der sozialistische Kulturminister Jack Lang als Berater für die Bereiche Film- und Kulturindustrie. Den diplomatischen Aussenauftritt aus Zeiten seiner Zugehörigkeit zur französischen Politelite hat sich Meyer stets bewahrt.

Den Duft der Bretter, die die Welt bedeuten, schnupperte er dann erstmals 1986, als er nach Langs Ausscheiden aus dem Kabinett in beratender Funktion an die Pariser Oper berufen wurde. Nur drei Jahre später sollte er, nach einem erneuten kurzen Zwischenspiel in der Kulturpolitik, Generaldirektor des Hauses werden. Meriten verdiente er sich mit der letztlich geglückten Eröffnung der Bastille Oper. Dies brachte ihm 1991 erneut den Job als Kulturberater im Ministerium ein, wo er unter anderem mit der Gründung des Fernsehsenders Arte beschäftigt war.

Lausanne, Paris, Wien

1994 wurde Meyer Generaldirektor der Oper von Lausanne. In dieser Funktion setzte er während fünf Jahren auf selten gespielte Werke. Die Rückkehr nach Paris erfolgte 1999, als der Operndirektor ans privat geführte Theatre de Champs-Élysées berufen wurde. Auch dort brachte Meyer vielfach Ungewöhnliches auf die Bühne. Zu seinen Verdiensten zählt, dass er dem Barock eine Renaissance bescherte. Daneben war er bis 2010 Präsident des französischen Jugendorchesters und fungierte von 2000 bis 2003 als Präsident der Kommission «Fernsehen, Schauspiel und Musik» am Centre National de la Cinematographie.

Die Wiener Philharmoniker, deren französischer Stützpunkt das Champs-Elysees ist, ermunterten Meyer schliesslich dazu, sich in Wien an der Staatsoper zu bewerben.

«Generell bin ich der Überzeugung, man kann an einem Haus wie der Wiener Staatsoper nur sanfte Anpassungen vornehmen», gab Meyer zu Beginn seiner dortige Zeit als Motto aus. Entsprechend vorsichtig legte er zunächst die Programmierung an.

Zu Erfolgen wie einer «Anna Bolena» mit Anna Netrebko und Elina Garanča oder Thomas Ades‘ «The Tempest» gesellten sich teils weniger glückliche Regieentscheidungen – allen voran der Da-Ponte-Zyklus unter Jean-Louis Martinoty. Nach heftiger Kritik an den Inszenierungen der Mozart-Opern «Don Giovanni» und «Figaro» wurde der Zyklus, der dem Librettisten Lorenzo Da Ponte gewidmet war, noch vor der «Così fan tutte» abgebrochen wurde.

Von internen Querelen blieb die Ära Meyer an der Wiener Staatsoper auch nicht verschont. Der einstige Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst liess mit harter Kritik an Meyer aufhorchen. Zudem wurde 2019 Vorwürfe gegen die Ballettakademie der Staatsoper laut, wonach die Schüler Gewalt und Drill sowie einem ungesunden Körperbild ausgesetzt gewesen seien.

Pereira-Nachfolge in Mailand

Nach einer erfolglosen Bewerbung für eine dritte Amtszeit in Wien trat Meyer in Mailand in die Fussstapfen von Alexander Pereira als Direktor der Scala. Meyers letztes Jahr in Wien, das er parallel zu seinem ersten Jahr in Mailand absolvierte, hatte er vor allem mit Corona-Lockdowns und verschärften Massnahmen bei der Wiedereröffnung der Häuser zu kämpfen.

In Mailand zeigte Meyer politisch Haltung, als er nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine dem russischen Stardirigenten und Putin-Freund Valery Gergiev das Dirigat der «Pique Dame» entzog. Er erntete jedoch auch Kritik, als er die Saison 2022 mit der Aufführung der russischen Oper «Boris Godunow» eröffnete. Sein Vertrag an der Scala wurde wegen der Altersbeschränkung auf 70 Jahre nicht verlängert.

Ruhestand steht für Dominique Meyer dennoch nicht auf dem Programm. Im Juli 2024 wechselte er als Exekutivdirektor zum Orchestre de Chambre de Lausanne, an die Seite des Violonisten und Dirigenten Renaud Capuçon als künstlerischem Leiter. Damit ist Meyer zurück gekehrt in jene Stadt, in der er in den 1990ern als Operndirektor grosse Erfolge gefeiert hat.

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