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Die Schweiz schützt den Wolf weiterhin umfassend

Keystone / Alexandra Wey

Bundesrat und Parlament wollten den Schutz des Wolfs lockern, weil er sich rasch im Land ausbreitet. Das Volk sprach sich dagegen aus.

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Die Resultate vom Sonntag sind knapp. 48.1 % der Stimmberechtigten waren für die Vorlage, 51,9 % dagegen. Die Wolfsdebatte war zuletzt in den Vordergrund der fünf Vorlagen gerückt.  Frauen und Städter waren in Umfragen recht deutlich gegen das Gesetz, Männer und die ländliche Bevölkerung unterstützten es. Politikwissenschaftler Lukas Golder interpretiert das Ergebnis zum Jagdgesetz auf SRF folgendermassen: “Die Berggebiete und Kantone der Zentralschweiz stimmten für das Jagdgesetz. Das grosse Mittelland zusammen mit der Westschweiz, wo viele Leute wohnen, haben heute den Ausschlag zum Nein gegeben.”

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Jetzt geht es ums Rahmenabkommen, hiess es immer. Stimmt das noch? Die fünf Vorlagen in der Analyse.

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Reaktionen

“Heute hat die Bevölkerung gezeigt, dass sie in Zeiten der Klimakrise und des Biodiversitätsverlusts keine Schwächung des Artenschutzes hinnehmen will”, reagierten die Grünen auf Twitter. Die Grünliberalen schreiben, dass das Jagdgesetz im “Parlament zu einem regelrechten Abschussgesetz verkommen” sei. “Wir erwarten eine neue Vorlage, welche die Basis für effektive politische Massnahmen zum Schutz der Biodiversität vorsieht.” 

“Jetzt ist der Weg frei für ein besseres Gesetz, das die geschützten Arten nicht nach Gutdünken des Parlaments und Bundesrats zum Abschuss freigibt”, schrieb die Naturschutzorganisation Birdlife Schweiz. WWF schreibt von einem “wunderbaren Erfolg für den Artenschutz”.

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sagte am Sonntag: “Das Jagdgesetz ist auch in eher ländlich geprägen Kantonen wie Jura abgelehnt worden. Bei den Wölfen sollen präventive Eingriffe in Rudel weiterhin nicht zulässig sein. Die Debatte rund um dieses Gesetz war häufig emotional. Die Fragen um die Artenvielfalt bewegen die Menschen. Für den Bundesrat ist wichtig, dass sich dieses Nein nicht gegen die Berggebiete und gegen die Älpler richtet. Die Bemühungen in unserem Land um den Ausgleich zwischen den Gebieten müssen weiter gehen. Es braucht immer wieder einen Ausgleich. Ich möchte die Schweiz zusammenhalten. Keine Region darf vergessen werden. Das Ergebnis zeigt, wie wichtig Natur und Artenschutz der Schweizer Bevölkerung ist.”

Analyse

SRF-Bundeshausredaktor Curdin Vinzens schreibt: ”  Das knappe Nein des Volkes zum Jagdgesetz ist eine Niederlage für den Bundesrat und die bürgerlichen Parteien. Ihnen ist es nicht gelungen, einer Mehrheit klar zu machen, dass es schärfere Massnahmen gegen den Wolf braucht und dass die Kantone früher eingreifen können sollten.

Ausgeprägt zeigt sich bei den Ergebnissen ein Graben zwischen Stadt und Land, zwischen Berg und Tal. Ganz offensichtlich fehlt vielen Städtern das Verständnis für die Sorgen und Klagen des Schafzüchters im Wallis oder in Graubünden. Nicht zum ersten Mal zeigen sich hier zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die Bergregionen: Jene der Städter, die dort möglichst intakte Natur suchen und jene der Einheimischen, die befürchten, die sogenannten Unterländer wollten aus ihre Heimat einen Naturpark machen.”

Darum ging es

Das revidierte Jagdgesetz sollte der steigenden Zahl von Wölfen in der Schweiz Rechnung tragen und regeln. Das heutige Gesetz stammt von 1986. Damals gab es in der Schweiz keine Wölfe mehr. Inzwischen sind sie zurückgekehrt.

Die Kantone sollten neu die Wolfsbestände vorausschauend regulieren können. Wildhüter hätten einzelne Wölfe auch präventiv abschiessen dürfen, die die Scheu vor dem Menschen verloren haben oder zum Beispiel Schafe gefährden.

Diese drei Argumente obsiegten

  • Statt den Umgang mit dem Wolf pragmatisch zu regeln, gefährdet das Gesetz den Artenschutz. Wildlebende Tiere geraten noch mehr in Bedrängnis.
  • Viele Bestimmungen sind unnötig. Schon mit dem geltenden Gesetz können die Kantone – wo nötig – Einzeltiere geschützter Arten abschiessen.
  • Es kommt zu einem Wirrwarr des Schutzniveaus bedrohter Tierarten. Je nach Gusto der Kantone können Bestandsregulierungen bewilligt werden.

Diese Argumente setzten sich nicht durch

  • Die Kantone können vorausschauend regulieren, um Schäden an Schafen und Ziegen zu verhindern und um allfällige Konflikte zu verhindern.
  • Die neuen Regeln sind ein guter Kompromiss: Die einen fordern, den Wolf zur Jagd freizugeben, die anderen verlangen, nicht in den Bestand einzugreifen.
  • Bauern werden stärker in die Pflicht genommen. Sie müssen zum Schutz von Herden Zäune errichten oder Schutzhunde zur Bewachung halten, um eine allfällige Entschädigung für Wolfsrisse zu erhalten.

Das waren die Abstimmungsempfehlungen

Bundesrat und Parlament empfehlen das revidierte Jagdgesetz zur Annahme. Für ein Ja sind auch die Parteien CVP, SVP, FDP, BDP sowie folgende Organisationen und Verbände: Jagd Schweiz, Bauernverband, Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, Alpwirtschaftlicher Verband.

Für ein Nein sind die Parteien SP, Grüne, GLP, EVP sowie folgende Organisationen und Verbände: Pro Natura, WWF, Bird Life, Gruppe Wolf Schweiz, Schweizer Tierschutz, Mountain Wilderness und andere.



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