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Irakische Diplomaten bleiben in der Schweiz

Irakische Botschaft in Bern. Der Bundesrat hat beschlossen, die Diplomaten nicht auszuweisen. Keystone

Die USA haben die Schweiz bereits zum zweiten Mal dazu aufgefordert, irakische Diplomaten auszuweisen. Die Schweiz lehnt das Gesuch ab.

Nur bei schwerwiegenden Gesetzesverstössen oder einer UNO-Resolution käme eine Ausweisung in Frage.

Am 20. März eröffneten die USA den Krieg gegen den Irak. Am gleichen Tag traf in der Schweiz bereits das zweite amerikanische Gesuch ein: Die USA wollen, dass die Schweiz alle irakischen Diplomaten ausweist und alle irakischen Vertretungen schliesst.

Die USA haben an rund 60 weitere Länder das gleiche Gesuch gestellt.

Schweiz sagt Nein

Am Mittwoch wies der Bundesrat den Antrag mit der Begründung zurück, eine Botschaft werde nur aufgrund eines UNO-Beschlusses oder beim Abbruch der diplomatischen Beziehungen geschlossen.

Die irakischen Diplomaten bei der UNO in Genf und in Bern bleiben also im Land. Ein Sprecher der US-Botschaft in Bern wollte zum Entscheid des Bundesrates nicht Stellung nehmen: «No comment», hiess es.

Erfreut reagierte der ranghöchste irakische Diplomat in der Schweiz und permanente Vertreter für Irak bei der UNO in Genf, Botschafter Samir Khairi Al-Nima.

Die Schweiz habe sich ans internationale Recht und an die Wiener Konvention betreffend diplomatische Beziehungen gehalten. «Natürlich hoffen wir, dass sich viele andere Staaten diesem Entscheid anschliessen», sagte er gegenüber swissinfo.

Die Diplomatie habe die Aufgabe, als Fürsprecher für das eigene Land zu agieren. «Die USA wollen Irak daran hindern, in der Welt noch angehört zu werden. Damit die Aggression gegen unser Land ohne Aufschrei über die Bühne gehen kann.»

Keine rechtliche Grundlage

Bereits am 14. März hatten die USA erstmals die Ausweisung des irakischen Botschaftspersonals in Bern gefordert. Diese würden eine Gefahr für amerikanische Institutionen und Personen in der Schweiz darstellen.

Das zweite US-Gesuch richtete sich nicht nur gegen das irakische Botschaftspersonal in Bern, sondern auch gegen das Personal der ständigen irakischen Mission bei der UNO in Genf.

Da der Krieg gegen den Irak ohne UNO-Mandat stattfindet, gilt die Neutralität der Schweiz. Und in diesem Fall gilt die Wiener Konvention, die das Diplomatenrecht regelt.

Demzufolge können Diplomaten nur dann ausgewiesen werden, wenn sie in schwerwiegender Weise gegen die Gesetze des Gastlandes verstossen haben – zum Beispiel durch Spionage – und zur «personae non gratae» erklärt worden sind.

Entscheid liegt bei der UNO…

Zudem kann die Schweiz nicht einfach UNO-Diplomaten ausweisen. Die Entscheidungs-Hoheit liegt bei der UNO.

Falls nun ein Diplomat, der bei der UNO akkreditiert ist, gegen das Schweizer Recht oder deren Sicherheit verstösst, müsste die Schweiz bei der UNO eine Anfrage um Ausweisung einreichen.

«Wir könnten es nicht aus eigener Initiative tun», sagte Muriel Berset Cohen, Pressesprecherin des Aussenministeriums.

…doch Schweiz müsste Gesuch stellen

Botschafts- und Missionspersonal unterliegen also unterschiedlichen Regelungen. Trotz dieser Tatsache haben die USA nur die Schweiz angefragt und keine Anfrage direkt an die UNO gestellt.

Dies bestätigte UNO-Pressesprecherin Yvette Morris: «Wir wurden nicht kontaktiert.» Eigentlich logisch, denn «es handelt sich um eine bilaterale Angelegenheit zwischen der Schweiz und den USA.»

Berset Cohen gab weiter zu bedenken: «Während des ersten Golfkriegs hat die UNO auch keine Resolution verabschiedet, welche die internationalen diplomatischen Beziehungen zu Irak unterbunden hätte.»

Daher habe die Schweiz ihre Beziehungen zum Irak immer aufrecht erhalten. «Auch wenn wir unsere Botschaft in Bagdad aus Sicherheitsgründen geschlossen haben.»

Auch Konten-Sperrungen gefordert

Am 21. März traf ein weiteres Gesuch aus den USA ein: Darin fordern die amerikanischen Behörden das Einfrieren von irakischem Vermögen in der Schweiz.

Dies ist jedoch ebenfalls nur infolge eines UNO-Beschlusses oder aufgrund von Rechtshilfegesuchen möglich.

Auch die nach dem ersten Golfkrieg verhängten UNO-Sanktionen beinhalten nicht das Einfrieren irakischer Vermögenswerte.

swissinfo, Elvira Wiegers und Christian Raaflaub

Die USA haben an 60 Länder ein Gesuch zur Ausweisung irakischer Diplomaten gestellt.

Unter den Ländern, die dem Antrag nachgekommen sind, befinden sich Deutschland, Tschechien, Thailand, Australien, Schweden, Finnland, Rumänien, Philippinen, Ungarn, Italien und Grossbritannien.

Länder, die den Antrag abgelehnt haben: Schweiz, Frankreich, Russland, Polen, Portugal, Pakistan und Spanien.

Mitglieder einer ausländischen Botschaft können aufgrund von Artikel 9 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen zu «personae non gratae» erklärt werden.

Die Schweiz wendet diese Massnahme nur an, wenn Botschaftsmitglieder nachweislich gegen Schweizer Interessen oder diplomatische Gepflogenheiten verstossen haben.

UNO-Diplomaten in Genf können nur mit dem Einverständnis der UNO ausgewiesen werden.

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