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Männer im Ring

Mit Schweiss, Schwung und Spitzensport die Massen begeistern. Darauf hoffen die Schwinger in Nyon. Keystone

Das eidgenössische Schwing- und Älplerfest: Erstmals seit 1986 macht heuer Nyon in der Romandie als Austragungsort den ersten Zug. Inmitten von Fahnenschwingern, Alphornbläsern und Bierständen messen sich 280 der besten Schwinger im Land. Männerkraft im Sägemehlring oder "émotion et ambition", wie das offizielle Motto lautet.

Schwingen – Schweizer Sport mit Schweizer Charme. Ob kleines, regionales Verbandsschwingen, Kantonalschwingen oder Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest: Wer einmal an einem solchen Anlass dabei war, gerät ins Schwärmen.

Sind doch in der Regel Schweizer Sportveranstaltungen nicht gerade Hoch-Zeiten für Emotionen und Herzblut. Ausnahmen bilden das Weltklasse-Leichtathletik-Meeting in Zürich und ab und an ein Fussballmatch. Anders beim Schwingen. Die Mischung aus Sport, ländlicher Kultur und Volksfest scheint der Schweizer Seele Flügel zu verleihen.

Handwerk ist Trumpf

Schwingveranstaltung finden meistens im Freien, vor prächtiger Kulisse statt. Die Berge, ob nah oder fern, appellieren ans Heimatgefühl, der zu gewinnende «Muni» (Stier) lässt bereits an saftige Steaks denken. Die Schwinger selbst konkurrenzieren locker mit römischen Gladiatoren aus diversen Monumentalfilmen.

Schwinger sind Männer, die ihren Mann noch stehen – im Ring. Ein Blick in die Mitgliederlisten der Kantonalen Schwingverbände bringt Klarheit: Zimmermann, Landwirt, Schreiner, Schlosser – kurz: das Handwerk steht in der Gunst der «Bösen». Schwingende Rechtsanwälte, Germanisten oder Ärzte finden sich keine. Während andere Sportarten längst von Berufsmännern aller Gattungen ausgeführt werden, scheinen die Schwinger auf traditionellen Berufspfaden zu wandeln.

Auch punkto Grösse und Gewicht scheint der Schwinger überdurchschnittlich: Eine Grösse von 1.86 Meter und ein Gewicht von über 100 Kilo ist keine Seltenheit. Es ist was dran, am Schwingermann. Würden Schwinger oben ohne schwingen, der kreischende Zulauf urbaner Mädchenhorden wäre ihnen sicher.

Reglementiert und geregelt

Aber beim Schwingen ist alles geregelt. Der Eidgenössische Schwingerverband nimmt in seinem Technischen Regulativ zu allen wichtigen Punkten Stellung. Die Beschaffenheit des Rings (Durchmesser 12 Meter, Sägemehlhöhe mindestens 15 cm gewalzt, Sägemehl angewässert), die Beschaffenheit der Schwinghose (nur aus Zwilchstoff und mit Ledergürtel zulässig) und auch ein Dopingverbot sind Teil davon.

Ein Schwingfest ist ein Fest für die Sinne. Es riecht: Nach Sägemehl, nach Bier, nach Stier. Deodorants lassen ihre Träger im Stich, Adrenalin übertrumpft Dulix (Muskelsalbe), Magenbrot, gebrannte Mandeln und Gegrilltes betören die Nase. Die Klarinette einer Ländlermusikkapelle schwingt hohe Töne. Patrioten treffen auf Patrioten.

Schwingen ist Zweikampf. Schwingen ist Auge um Auge, Mann gegen Mann. Die grosse Faszination des Schwingens liegt sicher in seiner Urtümlichkeit. Trotz moderner und aufwändiger Trainingsmethoden und trotz Professionalisierung erinnert der Kleiderringkampf an die Kinderzeit. Ans Balgen und Ringen, ans «Auf den Rücken legen». Und daran, dass in jener Zeit Mädchen durchaus auch ihren Spass am Herumbalgen hatten.

Königs-Krönung

Nyon steht ein heisses Wochenende bevor. Auf dem Festplatz l’Asse, ideal gelegen für ein Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest, werden an die 100’000 Zuschauende erwartet. Ob es gelingen wird, die Romands für des Deutschschweizers liebsten «Hosenlupf» zu begeistern, wird sich zeigen.

Sicher ist, dass am Sonntagmittag im Schlussgang aller Augen auf ein Rund gerichtet sein werden. In der Arena wird die Zeit stillstehen und kein Laut wird zu vernehmen sein. Die beiden Schwinger werden sich begrüssen, sich an Gurt und Hose fassen. Der Schiedsrichter wird den Ring freigeben. Zug um Zug, Mann und Mann. Ein Ziehen, ein Stossen, ein Reissen wird die schweren Atemzüge der Kämpfenden begleiten. Mit Kurz oder mit Brienzer, vielleicht ein Überschwung oder ein Hüfter, ein letzter Schwung wird’s richten. Ein Schwinger wird seinen Rücken tief ins Sägemehl drücken. Und die Spannung wird sich entladen, ein erlösender Jubel, ausgestossen aus tausenden Kehlen. Freude wird herrschen über den einzigen König, den die Republik Schweiz kennt.

Brigitta Javurek

Mit der Schweiz verbunden

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