Waadtländer Asylproblem: Harte Linie bleibt

Das Bundesamt für Flüchtlinge hat die für den Kanton Waadt durchgeführte Nachprüfung abgelehnter Härtefälle im Asylbereich abgeschlossen.
45 Personen können bleiben, 478 müssen gehen. Amnesty International, im Verfahren miteinbezogen, kritisiert den Entscheid als willkürlich.
Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) hat die nochmalige Überprüfung der Dossiers von 523 abgewiesenen Asyl Suchenden aus dem Kanton Waadt abgeschlossen.
Das BFF gehört ins Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), das seit Anfang Jahr von Bundesrat Christoph Blocher geführt wird.
Entgegen den Bundesvorgaben
Der Kanton Waadt verfolgte im Asylbereich während mehrerer Jahre eine eigene Politik und tolerierte den Aufenthalt rechtskräftig abgewiesener Asylbewerber entgegen den Vorgaben des Bundes, wie das BFF erinnert.
Im Hinblick auf eine Lösung und gestützt auf eine Vereinbarung zwischen EJPD und Waadtländer Regierung vom Mai prüfte das BFF alle hängigen Gesuche unter dem Gesichtspunkt der Härtefallregelung.
Per Ende Juli wurde so der Aufenthalt von 582 Personen mit einer vorläufigen Aufnahme geregelt. 523 Menschen erfüllten die Bedingungen nicht und wurden damals zur Ausreise verpflichtet.
Gemischte Arbeitsgruppe im September
Im vergangenen September setzte der Kanton Waadt eine gemischte Arbeitsgruppe mit Vertretern von Kanton und Amnesty International (AI) ein.
Diese überprüfte die abgelehnten kantonalen Dossiers nochmals auf ihre Vollständigkeit und schaltete bei Fehlern das BFF ein. So wurden bis Ende November 115 Dossiers betreffend 291 Personen eingereicht.
Nach Nachprüfung: Nur 45 Zusagen
Das BFF hat nun in der Nachprüfung festgestellt, dass in 17 Dossiers betreffend 45 Asyl Suchenden neue, durch den Kanton bisher nicht mitgeteilte Sachverhalte vorliegen. Diese rechtfertigen einen positiven Asylentscheid und somit die vorläufige Aufnahme, wie das BFF am Dienstag mitteilte.
BFF-Sprecher Urs von Arb sagte, es handelt sich um Grenzfälle, die aufgrund neuer Entwicklungen nun knapp für eine Aufnahme sprächen.
Der Kanton Waadt ist laut BFF nun verpflichtet, die Rückkehr der Abgewiesenen umgehend zu organisieren und nötigenfalls Zwangsmassnahmen anzuwenden.
Bisher sind von den ehemals 523, neu 478 Betroffenen nur gerade 15 in ihr Heimatland zurückgekehrt.
AI kritisiert den Entscheid als willkürlich
Amnesty International kritisiert die Entscheide. Das Vorgehen sei willkürlich, umso mehr, als vergleichbare Situationen ungleich behandelt worden seien.
«AI erklärt sich enttäuscht über die Behandlung der restlichen Fälle, die dem BFF vorgelegt worden sind», schreibt die Schweizer Sektion in einem Communiqué.
Die Organisation forderte die Waadtländer Regierung am Dienstag auf, die Vereinbarung mit dem EJPD zu überprüfen.
AI werde sich an die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments wenden, um eine Untersuchung der Arbeit des dem EJPD unterstellten Bundesamts für Flüchtlinge zu beantragen, um in Zukunft solche Ungleichbehandlungen zu verhindern.
Blocher geht nicht auf Lubbers ein
Die harte Asylpolitik des EJDP setzte sich am Dienstag auch auf internationaler Ebene fort. Bei seinem Besuch in Bern wollte Ruud Lubbers, Chef des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), neben Aussenministerin Micheline Calmy-Rey auch den EJPD-Vorsteher Christoph Blocher sprechen.
Auf sein Gesprächsangebot an das EJPD erhielt Lubbers jedoch keine Antwort, wie ein UNHCR-Vertreter einen Bericht der Westschweizer Tageszeitung «Le Temps» bestätigte.
Blocher sei am Dienstag im Ständerat und habe Lubbers bereits im Juni treffen können, entgegnete EJDP-Sprecher Livio Zanolari.
Laut dem Aussenministerium fand der Besuch von Lubbers «im Rahmen der regelmässigen bilateralen Kontakte» zwischen der Schweiz und der UNHCR statt. Nach dem Treffen mit Calmy-Rey versuchte Lubbers, die Wogen zu glätten und versicherte, er sei wegen der ausgebliebenen Antwort des EJPD nicht verstimmt.
swissinfo und Agenturen
Ende Juli 2004 hatte das Bundesamt 523 Asyl Suchende im Waadtland zur Ausreise verpflichtet.
Darauf haben der Kanton und AI bis Ende November die Fälle von 291 Personen (resp. 115 Dossiers) nochmals zur Überprüfung eingereicht.
Nach dieser zweiten Überprüfung durch das Bundesamt können 45 Personen (17 Dossiers) bleiben.
478 Personen müssen gehen.
Nur 15 Betroffene sind bisher in ihre Heimat zurückgekehrt.
Laut der Kompetenzregelung zwischen Bund und Kantonen steht es den Kantonen zu, im Asylbereich über Bewilligungen zu entscheiden.
Das Bundesamt für Flüchtlinge untersucht auf Ersuchen des Kantons, ob die Zurückweisung ausgeführt werden kann.
Oder ob es sich beim Asyl-Gesuch um einen wirklichen Härtefall handelt, der eine vorläufige Aufnahme rechtfertigt.
Während Jahren hat sich der Kanton Waadt in seiner Politik von den anderen Kantonen darin unterschieden, dass er die Ausschaffung abgewiesener Asyl Suchender unterliess.
Doch im letzten Mai hat die Waadtländer Kantonsregierung in Absprache mit dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement diese Politik geändert.

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