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Schweizweit unzufriedene Lehrer

Ein Grossteil der Zürcher Schulzimmer blieb am Freitag leer - die Lehrkräfte streikten. Keystone

Lehrer und Lehrerinnen sind mit ihrem Beruf immer unzufriedener. Klagen über die Arbeitsbelastung mehren sich. Verschärft wird das Problem durch die angespannte Finanzlage.

Die Proteste im Kanton Zürich sind bei weitem kein Sonderfall.

Beim Verband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) weist man seit einiger Zeit auf die wachsenden Probleme vor allem in den Volksschulen hin.

Die Lehrerschaft moniert, dass sie sich statt mit ihrem Kerngeschäft – dem Unterrichten – im Schulbetrieb immer mehr mit Erziehungsaufgaben und mit sozialen Problemen befassen müsse.

Es brauche wieder eine klare Definition des Kernauftrags. Der Stress werde immer grösser, lautet eine Hauptklage des Lehrpersonals.

Bei einer Umfrage im letzten Jahr hatten die Lehrkräfte in erster Linie das soziale Umfeld der Kinder und schwierige Eltern als Stressfaktoren angegeben.

Im Weiteren beklagten die Lehrer und Lehrerinnen, dass die Öffentlichkeit zu viel auf die Schule abschiebe. Dieser Aufgaben anvertraue, die sie nicht allein bewältigen könne – erst recht nicht mit weniger Mitteln und mit grösseren Klassen.

Steigende Unzufriedenheit gibt es der Umfrage zufolge auch in Bezug auf generelle Arbeitsbedingungen (Stichwort Lohn etwa), Reformen und Prestige.

Protest auf die Strasse getragen

In mehreren Kantonen, so in Zürich, Bern, Aargau, Basel aber auch in der Westschweiz, machte die Lehrerschaft in den letzten Jahren mit zuvor in der Schweiz eher ungewöhnlichen Mitteln auf ihre Anliegen aufmerksam und trug ihren Protest auch auf die Strasse.

Die Aktionen waren vielfältig und liefen unter Begriffen wie «Stresspause» oder «Time-out». Mal wurde für eine Stunde gestreikt, ein anderes Mal kam es zu Protestmärschen vor Ratshäuser, wo Regierungen und Parlamente die Budgets jeweils beraten – und Entscheide fällen, die beim Lehrpersonal auf Kritik stossen.

Bildung – Worte oder Taten?

Dies ist nun in Zürich der Fall. Die Lehrkräfte protestierten mit dem Aktionstag gegen das Programm zur Sanierung des Zürcher Staatshaushaltes. Dieses führt in ihren Augen zu einem Abbau der Qualität, vor allem bei der Volksschulbildung.

«Politikerinnen und Politiker aller Couleur betonen immer wieder, wie wichtig die Bildung für die Zukunft der Kinder und unser Land sei. Wenn den Worten dann aber Taten folgen sollen, sieht es leider anders aus.»

Das steht auf einem der Flugblätter, mit dem der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV) zum Streiktag aufgerufen hatte. Das Flugblatt enthält zudem eine Zusammenfassung der Sparpläne, die den Bildungsbereich betreffen.

Das Gespenst der Zweiklassengesellschaft

So sollen zum Beispiel bis ins Jahr 2007 im Bildungsbereich 750 Stellen abgebaut werden. In der Volksschule soll die Richtgrösse für eine Schulklasse von 25 auf 28 Kinder erhöht, ein Viertel der Handarbeits-Lektionen gestrichen werden. Zudem wollen die Behörden die kantonalen Beiträge an Förderunterricht um die Hälfte kürzen.

Zusammen mit weiteren Kürzungen führt all dies in den Augen der Lehrerschaft schliesslich zu einer Zweiklassengesellschaft in der Volksschule: Reiche Gemeinden finanzieren ein gutes Bildungsangebot, während sich Kinder in ärmeren Gemeinden mit tieferen Standards abfinden müssten.

Mit ihrer Streikaktion wollen die Lehrkräfte ein Zeichen gegen diese Entwicklung setzen, wie es beim ZLV heisst. Das Parlament (Kantonsrat) wird sich voraussichtlich im September mit dem Sparprogramm des Regierungsrates befassen.

Der Kanton Zürich ist keine Ausnahme, um die Finanzen steht es auch in anderen Kantonen schlecht. So kommt es etwa auch in Basel-Stadt und Bern zu teils schmerzhaften Sparmassnahmen. Und auch in der Westschweiz sieht es nicht besser aus.

Streiks auch im Ausland

Auch in Frankreich und Österreich gingen die Lehrkräfte in den letzten Wochen auf die Strasse.

In Frankreich richtete sich der Streik des Lehrpersonals neben der Rentenreform vor allem gegen die geplante Dezentralisierung der Volksschule. Unter anderem sollen dabei die unter der früheren Regierung von Lionel Jospin eingeführten Hilfskräfte wieder abgeschafft werden, welche die Lehrer in ihrer Rolle als «Sozialarbeiter» entlasten sollen.

In Österreich richtete sich der Protest vor allem gegen die anstehenden tiefgreifenden Reformen des Rentenversicherungs-Systems.

swissinfo, Rita Emch

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